Roman Sandgruber

Traumzeit für Millionäre


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nicht nur die bekanntesten Operetten und Wiener Lieder, sondern auch Anton Bruckner, Gustav Mahler, Karl Goldmark oder Alexander Zemlinsky.

      Maler sind nicht unter den Millionären, weder Gustav Klimt, der „teuerste“ Maler der Zeit, noch Carl Moll, der kommerziell umtriebigste, oder Kolo Moser, verheiratet mit der vermögenden Industriellentochter Ditha Mautner-Markhof. Nur der heute weitgehend vergessene akademische Maler und Erfinder der Heliogravüre, des Rakeltiefdrucks und der nach ihm benannten „Klicotypie“ Karl Klietsch war mit seinen Vervielfältigungstechniken reich geworden. Mit einem Jahreseinkommen von 140.800 Kronen lag er an 521. Stelle des Rankings von 1910. Dass Gustav Klimt, der für seine Bilder Rekordpreise erzielte, nicht unter den Millionären ist, mag vielleicht erstaunen.230 Am Höhepunkt seines Ruhms konnte er für Landschaften 6.000 bis 8.000 Kronen verlangen, für Porträts zwischen 5.000 und 10.000 Kronen. Hermann Bahr erwarb 1900 Klimts „Nuda Veritas“ um 4.000 Kronen, die er in Raten abstotterte. 10.000 Kronen kostete das großformatige Bild von Hermine Wittgenstein, 8.000 Kronen bezahlte Karl Wittgenstein 1908 bei der Galerie Miethke für Wasserschlangen I, und ebenfalls im Jahr 1908 zahlte das Niederösterreichische Landesmuseum 12.000 Kronen für das Porträt Emilie Flöge. Für eine Zeichnung erhielt Klimt 1910 etwa 300 Kronen.231

      Schon in seiner Frühzeit war Klimt teuer. 1894 waren bei ihm und Franz Matsch die Deckenbilder für den Festsaal der Wiener Universität in Auftrag gegeben worden: Das Honorar, 60.000 fl, davon 20.000 für das Mittelbild, je 5.000 für jedes der vier weiteren Deckenbilder und 20.000 für die zwölf Zwickelfelder, war sehr ordentlich. 1905 kaufte Klimt, der lang dauernden Auseinandersetzungen um die Fakultätsbilder (Philosophie, Medizin, Jurisprudenz) müde, seinen Teil der Bilder um 60.000 Kronen zurück. Das war für Klimt zwar eine empfindliche finanzielle Einbuße, aber er hatte sein künstlerisches Selbstbewusstsein gerettet. Klimt habe sein ganzes Vermögen geopfert, zumal er jahrelang alle Privataufträge zurückgestellt habe, und sei nun bettelarm, schrieb Berta Zuckerkandl.232 August Lederer, der durch die Jungbunzlauer Spiritusraffinerie und den Handel mit Spiritus und Melasse auf ein Einkommen von 114.000 Kronen kam, und Kolo Moser, der durch seine Heirat mit Ditha Mautner Markhof über ein stattliches, wenn auch nicht millionärsreifes Vermögen verfügte, hatten den Deal vorfinanziert. Klimts „Kuss“, der Höhepunkt der Kunstschau 1908, wurde vom Unterrichtsministerium sofort um die stolze Summe von 25.000 Kronen angekauft, „Danae“ wurde um 8.000 Kronen an Eduard Ast verkauft, die Mohnwiese um 5.000 Kronen an Viktor Zuckerkandl. Die Gesamtkosten für den Stoclet-Fries (1908 – 10) beliefen sich auf 117.000 Kronen, wovon über 60.000 Kronen für Klimt und Forstner reserviert waren.233

      Egon Schiele beobachtete Klimts Umgang mit Geld: „Er verdiente viel, sehr viel, doch verausgabte er alles: ‚Das Geld muss rollen. Dann interessiert es mich‘, sagte er.“234 1917 feilschte Klimt mit Othmar Fritsch: „Das Bild ‚Schönbrunner Landschaft‘ kann ich leider nicht um 6.000 Kronen überlassen – muss bei 8.000 Kronen bleiben. Könnte noch ein zehn prozentiges ‚Cassenskonto‘ mir vorstellen und als Draufgabe 2, eventuell 3 Zeichnungen.“235 Er zählte damit zu den teuersten Malern Europas. Ähnlich exorbitante Honorare für Porträtaufträge konnten zur selben Zeit nur mehr Max Liebermann in Berlin oder John Singer Sargent in London verlangen.236 Im Jahr 1917 hatte Klimt Einkünfte aus Verkäufen in Höhe von 112.715 Kronen.237 Sehr reich starb Klimt dennoch nicht, angesichts dessen, was er für seine Bilder zeit seines Lebens verlangt hatte. Er hinterließ 1918 den durch die Inflation ohnehin schon etwas entwerteten Betrag von 60.000 Kronen. Als Schriftsteller oder Dichter Millionär zu werden, war noch schwieriger als als Komponist oder Maler.

      Arthur Schnitzler, der um 1910 am Höhepunkt seines Erfolges stand und wie kein anderer die Wiener Gesellschaft zu analysieren und zu demaskieren verstand, schaffte die Grenze von 100.000 Kronen nie. Der finanzielle Erfolg spielt in seinen Tagebucheintragungen eine wesentliche Rolle. Am 24. Jänner 1903 notierte er: „Im vorigen Jahr Einkommen 32- Ausgaben über 35tausend Kr.- Das Vermögen, klein genug, schmilzt. Die Papiere fallen. Hab ich heuer und im nächsten Jahr nicht Glück, so hab ich überhaupt nichts mehr. Die Ausgaben für meine Verhältnisse übergroß. Mit einem Wort: es muss ernstlich ans, Verdienen‘ gedacht werden … “238 Im Jahr 1904 verzeichnete er Ausgaben von über 30.000 Kronen. Aber er war zufrieden: „Die Einnahmen decken sich mit den Ausgaben.“239 Am 22. September 1906 sagte er zu Bruder Julius und Mama: „Wir leben über unsere Verhältnisse. – Ich. Was würdet ihr dann an meiner Stelle thun? – Längst aufhängen.“240 Der Abschluss der Jahresrechnung 1906 zeigte ihm: „Haben die wahrhaft ungeheure Summe von über 39.000 Kronen verbraucht. Dabei eine überraschende Einnahme – die in der 2. Hälfte des Jahres allerdings schrecklich zurückging. Ich bin beinah gespannt, was kommen wird, um mich vor dem finanziellen Ruin zu retten.“241 Zwar wurde sein Einkommen von Jahr zu Jahr höher. Doch am 15. 4. 1907 resigniert er: „Gebe trotzdem langsam mein kleines, Vermögen‘ aus und werde, wenn nicht ein besonderer Glücksfall eintritt, zu Schuldenmachen gezwungen sein.“ 1910 ist er am Höhepunkt seines Erfolgs. Es ist so weit, dass er über einen Hauskauf nachdenken kann. Er kalkuliert scharf: „Ein Haus, das gegen 100.000 Kronen kostet, bedeutet über 6.000 Kronen Zins, über 40.000 Kronen unvermeidlichen jährlichen Verbrauch – Was thun?“242 Am 7. 4. 1910 kaufte er das Haus in der Sternwartestraße um 95.000 Kronen: „Die Hälfte leiht mein Bruder, die andre die Sparcasse … “243 Dr. Pollak war von dem Haus entzückt; er schätzte es auf 200.000 Kronen.244 Am 4. 1. 1910 schreibt Schnitzler ins Tagebuch: „Weiteres Rechnen und Ordnen, etwa 10.000 Kronen mehr ausgegeben als eingenommen. Wohin?“ und am 2. 1. 1913: „1912 abgeschlossen. Größre Einnahmen und Ausgaben als je.“ Am 4. 1. 1915 macht er die Bilanz für 1914: „Ausgaben – etwa 90.000! – Ein Defizit von ca. 25.000. Halt!“ und am 31. 3. 1915: „Einnahmen 1. Quartal – 1289 – Ausgaben 11.426; voriges Jahr 1. Quartal 30.369! Ausgaben 23.479! … Wenn nicht ein Wunder kommt, sind meine Ersparnisse (da ja die Papiere sich immer tiefer entwerthen) in 4 – 5 Jahren aufgezehrt, – die Einnahmemöglichkeiten kaum gestiegen – die Ausgaben gewiss nicht gesunken – was dann?“ Krieg und Inflation zerstörten sein Vermögen. Er verdiente auch in der Hyperinflation nicht schlecht und lebte gut. Aber ein Leben wie bei den wirklich Reichen war undenkbar.

      Millionär war Siegfried Trebitsch, der als Übersetzer von Bernhard Shaw bekannt geblieben ist und als Beruf Schriftsteller angab. Er verdankte jedoch einen mehr oder weniger großen Teil seines Einkommens wohl nicht der Literatur, sondern seinen Anteilen an der familieneigenen Seidenmanufaktur S. Trebitsch & Sohn. Mit dem Einkommen aus Buchhonoraren, Übersetzungstantiemen, der reichen Erbschaft und dem Vermögen der Gattin, einer geborenen von Keindl, konnte sich das kinderlose Ehepaar Siegfried und Antonia (Tina) Trebitsch einen aufwendigen Lebensstil leisten. Sein so unsäglicher, als früher Förderer Hitlers bekannter Halbbruder Arthur Trebitsch schaffte den Sprung über die 100.000er Grenze zwar nicht. Aber auch er hatte Anteile am ererbten Vermögen und pumpte, um sich wie sein älterer Halbbruder als Schriftsteller zu beweisen, viel Geld in seine Veröffentlichungen. Ein 1909 vollendeter Roman und ein 1910 fertiggestellter Band philosophischer Betrachtungen fanden keine Verleger. War es die schriftstellerische Unterlegenheit gegenüber seinem gefeierten und viel erfolgreicheren älteren Bruder, war es der Einfluss Weiningers oder das allgemeine antisemitische Klima, von dem er sich treiben ließ? Arthur Trebitsch trat jedenfalls 1909 aus dem Judentum aus und wurde zum fanatischen Judenhasser. „Ich bin kein Jude, ich war nie einer und werde nie einer sein“, war nunmehr sein Standardsatz. Er gründete auf eigene Kosten einen Verlag, den er nach dem Riesen Antaios aus der griechischen Sagenwelt benannte. Gegen seinen Halbbruder und gegen den Kritiker Ferdinand Gregori, die eine seiner Novellen als „dilettantisch“ bzw. als „Schmarrn und Mist“ abqualifiziert hatten, reagierte Trebitsch 1912 nicht nur mit mehreren Duellforderungen, sondern auch mit einem Gerichtsverfahren, das er natürlich verlor. Mit seinem bedeutenden Einkommen gehörte er 1920 zu Hitlers ersten finanziellen Förderern.245

      Felix Salten wurde nie Millionär. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und strebte immer nach Reichtum: „Er möchte“, notierte Schnitzler in sein Tagebuch, „in zehn Jahren mit Operetten 800.000 Kronen haben, hofft es.“246 Er schaffte es nicht, trotz seiner Erfolge in vielen Genres, von Bambi bis zur Mutzenbacherin. Auch Hugo von Hofmannsthal wird seiner Herkunft wegen häufig den Millionären zugerechnet. Seine Familie war aber schon nach dem Börsenkrach von 1873 relativ verarmt. Wohl aber zählten die Väter von Stefan Zweig, von Hermann