Ist dies die erste innerhalb von fünf Jahren, gibt es seitens der Strafverfolgungsbehörden neben einem Eintrag ins Suchtmittelregister keine weiteren straf- oder suchtmittelrechtlichen Konsequenzen. Eine eher milde Reaktion im Vergleich zu den angedrohten Konsequenzen [10]. Bei Wiederholung kann es zu einer Anordnung von Therapie beziehungsweise auch zu Geld- und Haftstrafen kommen.
Eine wesentliche Zielrichtung des SMG ist damit die Differenzierung zwischen Konsument*innen und Händler*innen. Abhängige Personen sollen in geeignete Unterstützungssysteme vermittelt, Händler*innen durch Strafen abgeschreckt werden. Das SMG berücksichtigt die Tatsache, dass bei Drogenabhängigen neben medizinischen, häufig psychische und soziale Probleme im Vordergrund stehen. Unter dem zusammenfassenden Begriff der „gesundheitsbezogenen Maßnahmen“ steht drogenabhängigen Straftäter*innen ein differenzierteres Behandlungsspektrum als Alternative zur Strafverfolgung zur Verfügung. Neben der schon im alten, bis zum Jahr 1998 gültigen Suchgiftgesetz (SGG) verankerten Möglichkeit der ärztlichen Überwachung und Behandlung des Gesundheitszustandes, zählen nunmehr klinisch-psychologische Behandlung, Psychotherapie und psychosoziale Betreuung zu den gesundheitsbezogenen Maßnahmen.
Grundsätzlich sieht das österreichische Rechtssystem eine Art „Stufenleiter“ vor, mit der Drogenkonsument*innen motiviert, genötigt oder gezwungen werden sollen, behandelnde oder betreuende Angebote anzunehmen. Am unteren Ende steht dabei die Intervention der Gesundheitsbehörde, also der regionalen Administration, bei der festgeschrieben wird, dass jeder, der als süchtig und behandlungsbedürftig definiert ist, verpflichtet ist, sich einer Behandlung zu unterziehen. Wenn die Betroffenen den Behandlungsmaßnahmen nachkommen, gibt es keine strafrechtlichen Sanktionen. In der Praxis bedeutet das, dass unter bestimmten Bedingungen kein Gerichtsverfahren eingeleitet (§ 35 SMG) oder ein bereits laufendes Verfahren eingestellt wird (§ 37 SMG). Voraussetzungen hierfür sind der Eigengebrauch, das Unterschreiten der Grenzmenge und eine Begutachtung der Gesundheitsbehörde, bei der festgestellt wird, ob eine gesundheitsbezogene Maßnahme notwendig ist oder nicht. Wird diese als notwendig erachtet und erklärt sich die betroffene Person bereit, die Unterstützungsmaßnahmen anzunehmen, erfolgen keine weiteren straf- oder suchtmittelrechtlichen Maßnahmen. Für Cannabiskonsument*innen gibt es zusätzlich die weiter oben beschriebene Sonderregelung. Diese Bestimmungen führen dazu, dass eine Vielzahl von Fällen diversionell erledigt werden kann. Im Jahr 2016 endeten insgesamt 23.809 Fälle mit einem vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung nach § 35 SMG und 1857 Fälle, in denen das Verfahren vom Gericht vorläufig eingestellt wurde (§ 37 SMG) [129]. Damit wird eine Vielzahl von Konsument*innen illegalisierter Substanzen eher dem Gesundheitssystem als dem Strafsystem zugeführt, was durchaus eine sehr sinnvolle Vorgangsweise ist.
Treffen die Voraussetzungen für eine vorläufige Anzeigenzurücklegung oder Verfahrenseinstellung jedoch nicht zu, droht eine unbedingte Haftstrafe. Doch auch hier greift wieder das Prinzip „Therapie statt Strafe“, bei dem die Strafe unter bestimmten Bedingungen bis zu zwei Jahre aufgeschoben werden kann, um dem Verurteilten die Gelegenheit zu geben, sich einer Behandlung der Drogenabhängigkeit zu unterziehen. Wurde diese Behandlung erfolgreich absolviert, wird die unbedingte in eine bedingte Freiheitsstrafe umgewandelt, die Strafe muss unter der Verhängung einer Probezeit nicht im Gefängnis verbüßt werden. Dieser Strafaufschub nach § 39 SMG steht verurteilten Drogenabhängigen bei Strafen, die einen bestimmten Rahmen nicht überschreiten, zur Verfügung, wenn der Betroffene von Suchtmitteln abhängig ist. Darüber hinaus muss sich die Person einverstanden erklären, sich einer notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Es handelt sich also nicht um eine Zwangsbehandlung, sondern um eine Möglichkeit, die die Betroffenen in Anspruch nehmen können oder auch nicht, wenngleich die Alternative Gefängnis nicht sonderlich attraktiv ist. Demzufolge spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer „Quasi-Zwangsbehandlung“, da trotz des Zwangscharakters noch immer eine Wahlfreiheit für die Betroffenen besteht.
Damit gibt es für süchtige und behandlungsbedürftige Täter gewissermaßen eine „rechtliche Privilegierung“ im Sinn von Therapie statt Strafe, die unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit bekommen, anstelle einer Haftstrafe einer Behandlung ihrer Abhängigkeit nachzugehen. Dies stellt selbstverständlich die nachhaltigere Methode im Umgang mit kriminell gewordenen Drogenabhängigen dar, als sie lediglich für einen bestimmten Zeitraum wegzusperren.
Neben dieser Quasi-Zwangsbehandlung gibt es aber noch eine weitere Stufe auf der Leiter der rechtlichen Möglichkeiten, Süchtige in Behandlung zu bringen, nämlich die Einweisung in die vorbeugende Maßnahme nach § 22 StGB. Bei dieser ist eine vom Gericht angeordnete Zwangsbehandlung vorgesehen, die über die Strafzeit hinausgehen kann. In Österreich werden die Behandlungen nach § 22 StGB in der Justizanstalt Favoriten und in Abteilungen anderer Justizanstalten angeboten, dies betrifft aber nur einen verschwindend kleinen Teil der inhaftierten Süchtigen.
Obwohl die Möglichkeiten, straffällig gewordene Abhängige in Behandlung zu bringen, damit im österreichischen SMG ganz gut geregelt sind, gibt es dennoch bei der Umsetzung Probleme. Dies hat auch damit zu tun, dass der Begriff „Therapie statt Strafe“ etwas irreführend ist. Der Gesetzgeber hat bewusst einen sehr offenen Ansatz gewählt und spricht in § 11 SMG von gesundheitsbezogenen Maßnahmen, womit die Behandlung nicht nur auf psychotherapeutische Maßnahmen beschränkt ist, sondern auch medizinische, psychologische sowie psychosoziale Interventionen vorgesehen sind. Die Anwendung methodenvielfältiger Angebote ist nicht nur im Umgang mit straffällig gewordenen Abhängigen mittlerweile State of the Art in der Suchtbehandlung. Diesem Umstand wird jedoch häufig bei der Begutachtung zu einem § 39 SMG zu wenig Beachtung geschenkt. Die vor allem bei einigen psychotherapeutischen Gutachter*innen gängige Methode, lediglich auf die Anwendbarkeit psychotherapeutischer Maßnahmen abzustellen, ist nicht im Sinne des Gesetzgebers und führt dazu, dass eine Reihe von Personen von den Behandlungsmaßnahmen ausgeschlossen ist. Dass nämlich beispielsweise jemandem, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, von vornherein eine Therapie versagt bleibt, macht wenig Sinn, denn um regelmäßig ärztlich verordnete Medikamente einzunehmen, benötigt man noch keine Deutschkenntnisse. Auch Personen, die schon mehrere Therapieversuche hinter sich haben, wird die Therapiefähigkeit häufig aufgrund einer von Gutachter*innen attestierten Aussichtslosigkeit abgesprochen. Wenn man jedoch in Betracht zieht, dass es gerade bei einer chronischen Erkrankung wie der Sucht häufig mehrere Therapieanläufe benötigt, damit diese in einer langfristigen Stabilisierung resultieren, sind derartige Entscheidungen kontraproduktiv. Diese Fehleinschätzungen führen zu einer manchmal recht restriktiven Handhabung des § 39 SMG, was zur Folge hat, dass oftmals die Kränkesten und am schwersten Betroffenen dort bleiben, wo sicher am wenigsten Besserung zu erwarten ist – im Strafvollzug.
Neben diesen Bestimmungen, die straffällig gewordene Abhängige betreffen, gibt es noch eine weitere Ebene, die vorwiegend den sekundärpräventiven Aspekten dienen soll, also jenen Personen Angebote macht, die bereits in Kontakt mit illegalisierten Substanzen gekommen sind. Spezielle Regelungen gibt es in Schulen und beim Bundesheer, die mit einer Art internem Krisenmanagementsystem sicherstellen, dass erstauffällige Konsument*innen möglichst rasch dem Gesundheitssystem zugeführt werden, ohne die Justiz einzuschalten. Fällt in diesen Institutionen jemand bezüglich Drogenmissbrauchs auf, wird der schul- beziehungsweise heeresinterne ärztliche sowie psychologische Dienst verständigt, der abklärt, ob weitere gesundheitsbezogene Maßnahmen notwendig sind. Damit ist sichergestellt, dass erstauffällige Betroffene möglichst rasch und diskret Hilfestellung erhalten.
Die Regelungen bezüglich des Konsums illegalisierter Drogen in Schulen ist in Österreich in § 13 des Suchtmittelgesetzes geregelt, dort heißt es in Absatz 1:
„Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, daß ein Schüler Suchtgift mißbraucht, so hat ihn der Leiter der Schule einer schulärztlichen Untersuchung zuzuführen. Der schulpsychologische Dienst ist erforderlichenfalls beizuziehen. Ergibt die Untersuchung, daß eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist und ist diese nicht sichergestellt, oder wird vom Schüler, den Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten die schulärztliche Untersuchung oder die Konsultierung des schulpsychologischen Dienstes verweigert, so hat der Leiter der Schule anstelle einer Strafanzeige davon die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu verständigen. Schulen im Sinne dieser Bestimmungen sind die öffentlichen und privaten Schulen gemäß