Praktisch bedeutet das, dass Lehrer*innen beim Verdacht auf Drogengebrauch einer Schülerin oder eines Schülers zuerst die Direktion zu verständigen haben, die beim begründeten Verdacht auf Suchtmittelmissbrauch wiederum verpflichtet ist, eine schulärztliche beziehungsweise schulpsychologische Untersuchung zu veranlassen und die Eltern zu verständigen. Wenn der oder die Schüler*in die Untersuchung verweigert, muss die Schulleitung die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde verständigen, es darf aber keine andere Behörde, also auch nicht die Polizei, verständigt werden. Vor dem Hintergrund der Leitlinie „Helfen statt strafen“ ist dies durchaus sinnvoll. Von den involvierten Vertreter*innen des Gesundheitswesens wird nun in weiterer Folge entschieden, ob und welche gesundheitsbezogenen Maßnahmen notwendig sind. Mit dieser Vorgehensweise versucht der Gesetzgeber, einen möglichst unaufgeregten und nicht stigmatisierenden Umgang mit dem Thema Drogen bei Kindern und Jugendlichen an den Schulen zu verfolgen. Ein Ansatz, der weit sinnvoller ist, als mit Strafen, Schulverweisen oder anderen disziplinierenden Maßnahmen ohnehin schon gefährdete Jugendliche auszugrenzen, ihnen Bildungschancen zu nehmen und damit den Weg in den weiteren Drogenmissbrauch zu fördern.
WIE DROGEN WIRKEN
Wovon sprechen wir eigentlich, wenn wir von Drogen sprechen, was ist der Unterschied zwischen harten und weichen Drogen und wozu zählt der Alkohol? Um diese Fragen zu beantworten, muss man zuerst den Begriff „Droge“ näher beleuchten. Fragt man hundert verschiedene Personen, welche Drogen sie kennen, werden wahrscheinlich Substanzen wie Heroin, Kokain, eventuell noch Cannabis oder LSD genannt. Zu einem hohen Prozentsatz vermutlich jene Substanzen, die gesellschaftlich weniger anerkannt und darüber hinaus verboten sind. Erweitert man diese Befragung hinsichtlich der Gefährlichkeit unterschiedlicher Drogen, stehen ebenfalls schnell die illegalisierten Substanzen ganz weit oben auf der Liste. An den Ergebnissen derartiger Untersuchungen wird auch deutlich, wie wenig Wissen tatsächlich über Drogen und deren Gefahrenpotenzial vorhanden ist. In einer österreichischen Bevölkerungsbefragung schätzten beispielsweise knappe 95 Prozent Drogen wie Heroin oder Kokain als gefährlich ein, aber auch LSD – das ein vergleichsweise niedriges Schadens- und Abhängigkeitspotenzial hat – halten 94 Prozent der Befragten für gefährlich, gleich an zweiter Stelle der risikobehaftetsten Substanzen nach Heroin. Sekt hält gerade einmal jeder Fünfte, Bier jeder Vierte für gefährlich. Drei Viertel glauben, auf Cannabis wird man leicht süchtig, nur ein gutes Drittel glaubt dies hingegen bei Wein oder Bier [100]. Einschätzungen, die in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Schadens- und Suchtpotenzial dieser Substanzen stehen.
Die meisten Menschen haben also ein Bild davon, was Drogen sind, oder zumindest eine vage Vorstellung. Hört man das Wort „Droge“ denkt man an Abhängigkeit, Gefährlichkeit, Risiko, eventuell sogar an Gefängnis oder Tod. Bilder von verwahrlosten Menschen, die in U-Bahn-Stationen oder auf öffentlichen Plätzen herumlungern, machen sich breit, vielleicht auch von Stars oder Mitgliedern der sogenannten High Society, die auf Partys Kokain sniefen. Drogen haben für viele Menschen etwas Abschreckendes, Gefährliches und Fremdes, auf andere wieder üben sie eine Faszination aus. So viele Bilder und Vorstellungen mit dem Begriff der Droge transportiert werden, so ungenau ist die Beschreibung, was er beinhaltet, eine wissenschaftlich exakte Definition des Begriffes gibt es nicht.
Auch die Herkunft des Wortes an sich hilft nicht wesentlich weiter. Der Begriff „Droge“ kommt vom althochdeutschen Wort drög, was so viel wie „trocken“ bedeutet und sich auf getrocknete Pflanzen oder Pflanzenteile zur Herstellung von Gewürzen oder pharmazeutisch wirksamen Arzneimittel bezieht. Folgt man der Begrifflichkeit, wären damit chemische Substanzen wie LSD oder Kokain keine Drogen, da sie nicht aus getrockneten Pflanzen bestehen. Auch im Englischen hat der Begriff drugs eine andere Bedeutung als im Deutschen, in den allseits verbreiteten drug stores kann man in den USA nämlich nicht Heroin und Kokain kaufen, sondern Arzneimittel, es handelt sich um Drogerien.
Der Begriff Droge beschreibt in unserem Sprachgebrauch in der Regel illegalisierte Substanzen und ist mit Mythen, Ängsten und Fantasien behaftet. Die fehlende Neutralität ist gleichzeitig ein Teil des Problems. Der Begriff transportiert immer eine bestimmte Bedeutung, für die meisten Menschen eine negative. So gibt es auf der einen Seite die in der Gesellschaft zumeist geächteten Drogenkonsument*innen, auf der anderen Seite die gesellschaftlich weitgehend anerkannten Alkoholkonsument*innen. Mit einem unterschiedlichen Gefährlichkeitspotenzial hat diese Unterscheidung nichts zu tun, es gibt durchaus einige Substanzen, die gemeinhin unter den Begriff Droge fallen, jedoch gesundheitlich weniger bedenklich sind als der Konsum von Alkohol. Diese Unterteilung in legalisierte und illegalisierte Substanzen zur Gefährlichkeitseinschätzung macht demnach nur bedingt Sinn. Auch Alkohol und Nikotin sind Drogen, nur wesentlich weiter verbreitete als Heroin, Kokain oder Cannabis.
Die exaktere sowie weniger moralisierende Bezeichnung ist psychoaktive oder psychotrope Substanzen. Darunter versteht man Stoffe, die in der Lage sind, die Wahrnehmung, das Verhalten, die Befindlichkeit oder Denkprozesse zu beeinflussen. Sie wirken auf das zentrale Nervensystem und lösen dort etwas aus. Sie regen an, beruhigen, verursachen Halluzinationen, führen zu Enthemmung, mehr Selbstvertrauen und vielem anderen mehr.
Nicht jede psychoaktive Substanz wirkt gleich, man kann sie grob in drei verschiedene Gruppen einteilen: betäubende Substanzen, halluzinogene Substanzen und stimulierende, aufputschende Substanzen, wobei es bei vielen von ihnen Überlappungen betreffend die Wirkungsbereiche gibt. Zu den betäubenden Substanzen zählen neben Heroin und Schlafmitteln der Alkohol, zu den stimulierenden neben Kokain das Nikotin. Der Begriff der psychoaktiven Substanzen unterscheidet also nicht zwischen legalen, gesellschaftlich anerkannten Drogen und solchen, die kriminalisiert und weniger verbreitet sind, sondern umfasst alle Substanzen, die in der Lage sind, unser Erleben, Befinden und unsere Wahrnehmung zu beeinflussen.
Ein weiterer Begriff, der in den Sprachgebrauch eingezogen ist, aber aus wissenschaftlicher Sicht wenig Sinn macht, ist die Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Drogen. Diese Einteilung ist ein Versuch, Substanzen anhand ihres Gefährdungspotenzials zu differenzieren, und stammt ursprünglich aus der niederländischen Gesetzgebung. Der Besitz bestimmter „weicher“ Substanzen führt dort unter bestimmten Umständen nicht zur Strafverfolgung. Wo es in den „Coffee Shops“ einen toleranten Umgang mit Cannabis gibt, braucht es eine Abgrenzung zu anderen Substanzen, die als gefährlicher eingeschätzt werden und deren Besitz streng verboten ist. Zu den weichen Drogen zählen in der Regel Cannabis, zu den harten Kokain und Heroin. Doch der „Drogenmarkt“ ist noch viel größer und eine eindeutige treffgenaue Einteilung in eine der beiden Kategorien ist nicht möglich.
Manchmal verläuft die Trennlinie zwischen harten und weichen Drogen auch entlang der Art des Abhängigkeitspotenzials, bei weichen Drogen geht man landläufig davon aus, dass sie „nur“ psychisch abhängig machen, harte Drogen auch körperlich. Nichtsdestotrotz zählt Kokain zu den harten Drogen, obwohl es nur eine psychische und keine körperliche Abhängigkeit auslöst. Diese Trennung suggeriert, dass eine psychische Abhängigkeit weniger gravierend ist als eine körperliche. Die Realität ist aber, dass es sehr schwierig ist, eine rein psychische Abhängigkeit zu überwinden, eine körperliche ist zumindest mit medizinischer Unterstützung vergleichsweise einfacher zu lösen. Die meisten Betroffenen bekommen eine körperliche Abhängigkeit wesentlich schneller in den Griff als eine psychische. Die körperliche Abhängigkeit bei Opiaten wie etwa Heroin kann man mit einem Entzug, der in der Regel in ein paar Tagen vorbei ist, oder mit der Behandlung mit Drogenersatzstoffen bewältigen. Sie ist auf einer medizinischen Ebene relativ gut behandelbar, auf dem Weg der Genesung aber noch nicht einmal die halbe Miete. Die psychische Entwöhnung ist in der Regel wesentlich intensiver und langwieriger.
Dazu kommt, dass es eine Reihe von Substanzen gibt, die allgemein ein geringes Abhängigkeitspotenzial haben. Diese mit einer Klassifizierung als weiche Droge auf dieselbe Stufe zu stellen wie andere, vor allem neuere psychoaktive Substanzen, die zum Teil ein erhebliches psychisches Abhängigkeitspotenzial haben, wäre nicht gerechtfertigt. Aus diesen Gründen ist die Unterteilung in harte und weiche Drogen überholt und wird in der Wissenschaft nicht mehr verwendet, obwohl sie im Sprachgebrauch vieler Menschen noch vorhanden ist. Von der von ihr ausgehenden Dramatisierung oder Verharmlosung