Entzugserscheinungen führt. Insofern ist darauf zu achten, Benzodiazepine nur nach strenger Indikationsstellung, so kurz wie möglich und so niedrig dosiert wie unbedingt notwendig einzunehmen [112]. Vor der Einnahme eines Beruhigungs- oder Schlafmittels sollte man sich bei der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt vergewissern, ob ein Abhängigkeitspotenzial der verordneten Substanzen besteht. Ist dies der Fall, ist es ratsam – nach einer genauen Kosten-Nutzen-Abwägung durch die Ärztin oder den Arzt –, darauf zu achten, diese Medikamente, wenn möglich, nicht dauerhaft einzunehmen beziehungsweise nach einer Zeit eine Alternative zu suchen. Nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums sind in Österreich etwa 140.000 Menschen von Beruhigungs- und Schlafmitteln abhängig, wovon vorwiegend Frauen und ältere Menschen betroffen sind. Die Dunkelziffer könnte jedoch noch deutlich höher liegen [112]. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Unauffälligkeit wird die Medikamentenabhängigkeit häufig auch als „stille Sucht“ bezeichnet.
Auch Opioide finden eine breite Anwendung in der Medizin, sie gelten als die effektivsten Schmerzmittel. Im Rahmen des missbräuchlichen Konsums wird vorwiegend das halbsynthetische Opioid Heroin konsumiert, das angst- und schmerzlösend sowie beruhigend wirkt. Im Rausch löst es ein Gefühl der Geborgenheit und Zufriedenheit aus, das psychische sowie physische Abhängigkeitspotenzial ist hoch. Ein Problem im Rahmen des abhängigen Konsums ist eine Eigenschaft dieser Substanzklasse, die auch bei Operationen zutage tritt: Sie wirken atemdepressiv, das heißt sie reduzieren den körpereigenen Atemantrieb. Atemdepressionen im Rahmen von Überdosierungen sind für die meisten Todesfälle im Zusammenhang mit dieser Substanzklasse verantwortlich.
Stimulantien erzeugen das Gegenteil, sie wirken anregend und aufputschend. Wie auch viele andere Drogen wurden Stimulantien früher zu medizinischen Zwecken verwendet. In den 1920er-Jahren wurde etwa das milde Stimulantium Ephedrin als Medikament gegen Atemnot bei Asthmatikern eingesetzt. Damals wurde die Substanz aus der eher seltenen Pflanze der Gattung Meerträubel (Ephedra) gewonnen, später wurde Ephedrin synthetisch hergestellt und unter dem Namen Amphetamin bekannt. Bis Ende der 1930er-Jahre waren Amphetamine als Arzneimittel verbreitet, etwa bei Depressionen, als wirksames Mittel gegen Schwangerschaftserbrechen oder Erkältungen. Im Zweiten Weltkrieg wurden Amphetaminderivate eingesetzt, um Soldaten wacher und furchtloser zu machen. Diese Derivate waren unter dem Namen „Pervitin“ oder „Nazi-Speed“ bekannt und sind im Grunde dasselbe wie das heute bekannte Crystal Meth, wenn es auch damals in einer geringeren Dosierung eingesetzt wurde. Aufgrund des hohen Missbrauchspotenzials und der anfangs nicht bekannten Nebenwirkungen wurde die Zulassung von Amphetaminen in Arzneimitteln stark eingeschränkt, wenngleich sie heute noch in einigen Medikamenten gegen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) oder plötzliche Schlafanfälle während des Tages (Narkolepsie) eingesetzt werden. Zu den Stimulantien – umgangssprachlich auch als „Upper“ bezeichnet – zählen neben den Amphetaminen auch Kokain, Crack, synthetische Cathinone, Nikotin oder, in der Subgruppe der Entaktogene, auch Substanzen mit einer stimulierenden und gleichzeitig bewusstseinsverändernden Wirkung wie MDMA (Ecstasy).
Die letzte große Substanzklasse sind Halluzinogene, die stark bewusstseins- und sinnesverändernd wirken, typisch ist ein stark verändertes Erleben von Raum und Zeit. Zu den Halluzinogenen zählen in der Natur vorkommende Substanzen wie Meskalin oder Psilocybin („Magic Mushrooms“) sowie künstlich hergestellte Phenyläthylamine wie 2-CB. Das wohl bekannteste – und auch eines der potentesten Halluzinogene – ist das im Jahr 1938 erstmals von Albert Hofmann hergestellte LSD, der sich davon vorerst eine kreislaufstimulierende Wirkung versprach. Hofmann war Chemiker und experimentierte vorwiegend mit Naturstoffen, so auch mit einem Getreideparasiten namens Mutterkornpilz. Die darin enthaltene Lysergsäure ist die Grundform der Substanz Lysergsäurediethylamid, von der LSD seinen Namen hat. Die ersten Tests mit LSD ergaben jedoch nicht die erhoffte Wirkung, weswegen auch erst Jahre später weiter geforscht wurde. Im Jahr 1943 experimentierte Hofmann neuerlich mit der Substanz LSD-25 und testete diese im Selbstversuch, wobei er die hochpotente halluzinogene Wirkung erkannte und sich daraus einen Nutzen für die Psychiatrie erhoffte. LSD war, wie viele psychoaktive Substanzen, ursprünglich nämlich nicht für die Berauschung bestimmt, sondern für psychotherapeutische Anwendungen. Es wurde als Medikament unter dem Namen „Delysid“ verkauft und sollte in der Psychotherapie der Entspannung und „Freisetzung verdrängten Materials“ dienen, so war es im Beipackzettel angegeben. Auch für experimentelle Studien von Psychiater*innen selbst war es gedacht, durch die halluzinogene Wirkung sollten Fachkräfte einen Einblick in die Welt der Wahrnehmung psychotischer Patient*innen bekommen. Auch heute wird noch am therapeutischen Effekt der entspannenden und wahrnehmungsverändernden Wirkung von LSD geforscht, vorwiegend bei Patient*innen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung oder starker Angst bei körperlich schwer erkrankten Menschen. Doch bei dieser therapeutischen Anwendung blieb es nicht, auch weil sich die therapeutischen Hoffnungen nicht erfüllten. In den Sechziger- und Siebzigerjahren entdeckte die Hippie- und Partyszene die sinnesanreichernde Wirkung der Substanz, weswegen diese auch nach und nach verboten wurde.
Halluzinogene wirken auf alle Sinnesempfindungen, die äußere Realität vermischt sich mit der inneren Wahrnehmung. Dinge, die normalerweise starr sind, bewegen sich plötzlich, nehmen die buntesten Farben an, fangen vielleicht sogar an zu sprechen. Die Konsument*innen erleben sich selbst mittendrin in dieser plötzlich veränderten Welt. Aber nicht nur Raum und Zeit werden verändert wahrgenommen, oft auch die eigene Person. In der Psychologie wird dieser Zustand „Ich-Auflösung“ genannt, die Grenzen zwischen der eigenen Person und der Welt verschwimmen und zerfließen, die Kontrolle über sich und die Realität geht verloren. Während dies manchmal als sehr positiv wahrgenommen, als spirituelle Erfahrung und als „eins sein mit der Welt“ beschrieben wird, kann dies auch zum Gegenteil führen – zu dem, was in der Umgangssprache als „Horrortrip“ bezeichnet wird. Man fühlt sich durch den extremen Ausnahmezustand und damit einhergehenden Kontrollverlust bedroht und hat Angst „abzustürzen“, die Überwältigung durch die Substanzwirkung kann zu paranoiden oder psychoseähnlichen Zuständen führen. Der Verlauf des Rausches ist damit sehr von der Person, den Erwartungen und der Situation abhängig, diese Faktoren bestimmen, ob es zu einem positiven, von Euphorie getragenen Erlebnis oder zu einem Horrortrip kommt.
Obgleich diese Einteilung in drei Hauptwirkungsklassen sehr anschaulich ist, lassen sich Substanzen nicht immer ganz eindeutig zuordnen. Die meisten von ihnen haben nicht nur eine eindeutige Wirkung, sondern auch Bestandteile anderer Wirkungsklassen. Cannabis beispielsweise wirkt beruhigend, kann aber durchaus auch Halluzinationen verursachen. Alkohol wirkt – vor allem bei den ersten Gläsern – anregend und stimulierend, hat aber ab einer gewissen Dosis eher eine beruhigende Wirkung. Etwas, das sich im Übrigen auch im Alltag ganz gut beobachten lässt. Nach den ersten Gläsern werden Menschen oft kommunikativer und „lustiger“, ab einem gewissen Alkoholpegel jedoch immer ruhiger, bis irgendwann von der anfänglichen Angetriebenheit nichts mehr zu merken ist und die Betroffenen einschlafen. Insofern kann eine derartige Einteilung nie grenzgenau sein, sie gibt jedoch einen Überblick über die vorwiegend auftretende Wirkung.
Substanzklassen
Eine detaillierte Beschreibung anhand ihrer Wirkungsweise, Verbreitung, Konsumform und der damit einhergehenden Gefahren und Risiken der wichtigsten am Markt verfügbaren und häufig missbräuchlich verwendeten psychoaktiven Substanzen findet sich in Kapitel „Kleine Substanzkunde“.
FREIZEITDROGENKONSUM
Nicht jeder, der Drogen konsumiert, wird auch davon abhängig, ganz im Gegenteil. Die meisten Menschen, die illegalisierte Substanzen zu sich nehmen, fallen unter die Gruppe der sogenannten Freizeit- oder Partydrogenkonsument*innen beziehungsweise der Probierkonsument*innen. Der Begriff ist im Deutschen etwas irreführend, nicht nur, weil er eine gewisse Harmlosigkeit suggeriert, sondern auch, weil er einen direkten Zusammenhang mit dem Konsumsetting und -anlass herstellt. Gemeint ist aber etwas, das im Englischen als recreational drug use bekannt ist: die Verwendung einer psychoaktiven Substanz, um eine Veränderung des Bewusstseinszustands zum Vergnügen herbeizuführen [106]. Es geht darum abzuschalten, zu entspannen, um Bewusstseinserweiterung,