dem Festspielhaus, der Eremitage und dem Neuen Schloss im Stadtzentrum sonst noch Sehenswertes in Bayreuth? Oder in der näheren Umgebung?“
„Nun ja, das Markgräfliche Opernhaus ist ja leider gerade geschlossen. Aber außerhalb der Stadt haben wir noch das Fichtelgebirge und die Fränkische Schweiz, zwei beeindruckende Naturlandschaften, die quasi direkt vor unserer Haustür liegen.“
„Fichtelgebirge sagt mir etwas, aber Fränkische Schweiz?“
„Oh, da gibt es Pottenstein mit der Teufelshöhle, die Basilika in Gößweinstein, das Felsendorf Tüchersfeld, die historische Dampfbahn von Ebermannstadt nach Behringersmühle“, zählte Laila auf, „um nur einige wenige Ausflugsziele zu nennen. Alles sehr malerisch.“
„Du machst mich neugierig“, forderte Heiko sie heraus. „Aber ob es so viel Spaß macht, da überall allein hinzufahren? Wahrscheinlich finde ich erst gar nicht hin.“
„Ein paar der schönsten Ecken kann ich dir gerne zeigen“, ging Laila auf das Spiel ein.
„Wann?“
„Wann hast du denn Zeit?“
„Na, heute habe ich Karten für Rheingold und morgen gibt es Die Walküre, aber dann habe ich zwei Tage Pause, bevor es mit Wagner weitergeht.“
„Rheingold und Der Ring des Nibelungen“, warf Laila ein. „Ein ganz schöner Kraftakt, sich gleich alle vier Teile in einem Jahr anzusehen.“
„Du sagst es. Da tun die zwei Pausentage sicher gut. Und wenn du es noch einrichten könntest …“
„Also, wenn es da bei dir gut passt … übermorgen könnte ich schon“, schlug Laila vor. „Eigentlich hätte ich Dienst im Hotel, aber da müssen meine Brüder dann durch. Sie werden schon eine andere Aushilfe finden. Also, wenn du willst?“
„Perfekt!“ Heiko strahlte. „Und was schauen wir uns an?“
Laila legte den Kopf schief und zeigte ihre Grübchen. „Ich überleg mir etwas Schönes. Sportlich bist du ja, oder?“
„Auf jeden Fall.“
„Gut. Wann möchtest du losfahren?“
„Was meinst du? Gleich nach dem Frühstück? Wir könnten uns so gegen halb neun am Parkplatz treffen?“
„Das passt. Dann sag ich nur noch Günther Bescheid, dass er sich für übermorgen eine andere Küchenhilfe besorgen muss.“
„Ich freue mich.“
„Ich mich auch.“
*
Annalena kam erst am frühen Nachmittag von ihrem Ausflug in die Bayreuther Innenstadt zurück. Sie hatte kaum ein Geschäft in der Maximilianstraße und auf dem Hohenzollernring ausgelassen. Es machte ihr Spaß, allein zwischen den alten Bürgerhäusern und den vielen Bratwurstbuden herum zu flanieren, ab und zu auf einer Bank zu verweilen, die Architektur aus dem 16. und 17. Jahrhundert zu bewundern und dem lokalen Volkssport, dem Rudel-Glotzen, zu frönen. Im „Kochlöffel“ hatte sie sich zur Mittagszeit einen Burger gegönnt.
Zeit genug, um ihr derzeitiges Verhältnis zu Heiko gedanklich unter die Lupe zu nehmen, genau wie das offensichtliche Werben von Manfred um sie. Der Hotelmanager passte rein äußerlich gut zu ihr. Er hatte zwar nicht die athletische Figur, mit der Heiko gesegnet war, aber ansonsten … Heiko und diese Blondine. Alles hing davon ab, wie sich die Situation an dieser Front entwickeln würde. Sie kannte ihren Partner. Er würde nicht lockerlassen. Und diese Laila schien auch nicht abgeneigt zu sein. Wie erbärmlich Heikos Reaktion ausgefallen war, als sie ihn zur Rede gestellt hatte! Typisch für ihn. Erst mal alles abstreiten.
Annalenas Gedanken wanderten wieder zu Manfred zurück. War er wirklich eine Alternative? Der neue Mann an ihrer Seite? So ganz übergangslos? Abgeneigt war sie nicht. Natürlich würde sie sich etwas einschränken müssen, was das Finanzielle anging. Wahrscheinlich. Kaum jemand spielte mit Mitte 30 schon in Heikos Liga. Aber … neben ihm hier in Bayreuth, quasi als Hotelmanagerfrau? Sie verwarf den Gedanken. Zu verfrüht. Und dann stelle man sich nur mal vor: Sie mit Manfred und daneben Heiko mit Laila – alle gemeinsam im Hotel. Komplett absurde Situation. Sie musste lachen. Aber was, wenn … Wie sollte das gut gehen, wenn Heiko und Laila tatsächlich …? So querbeet in einer Familie? Nein, das würde nur ständigen Streit geben. Fehlte nur noch, dass sich die Zwillingsbrüder auch einmischten … Andererseits, wer sagte denn, dass Heiko diese Blondine nach ein paar Nächten nicht wieder loswerden würde? Und dann hatte sie mit Manfred das Feld für sich allein. Sie selbst war nun in einem Alter, das durchaus Stabilität vertragen konnte. Ob Manfred auch so dachte? Sie musste sich Klarheit verschaffen.
Ihr Taxi bog gerade in die Hotelauffahrt ein.
„Wir sind da“, verkündete der Taxifahrer von vorne.
Annalena öffnete den hinteren Wagenschlag und stieg aus.
„Vergessen Sie Ihre Einkaufstüten nicht“, rief ihr der Taxler nach, „es wäre doch schade!“ Er öffnete den Kofferraum von innen.
Da war die große Tüte von „Landhausmode Charivari“ mit dem neuen Dirndl. Dazu passten die Trachtenschuhe von „Schuh Mücke“. Die elegante Damenunterwäsche und die vier T-Shirts, die sie in einer der kleinen Boutiquen erstanden hatte, nahmen weniger Platz ein. Außerdem waren da noch Einkäufe von „Noa Noa“ und „Bonita“. Annalena sah sich hilfesuchend um.
Manfred war es, der aus der Hotelhalle stürzte. „Kann ich Ihnen helfen?“, bot er sich atemlos an.
Annalena lächelte und ließ die Wimpern klimpern.
„Zufällig war ich gerade in der Eingangshalle“, schwindelte er, „und da sehe ich Sie.“ Tatsächlich hatte er sich seit zwei Stunden hier herumgetrieben und auf die Rückkehr seiner Angebeteten gewartet. Günther hatte seinem älteren Bruder gesteckt, dass Heiko Springer wiederum ihm verraten habe, dass seine Partnerin heute zum Shoppen in die Stadt fahren würde. „Ich nehme Ihnen das alles gern ab. Möchten Sie erst mal eine Tasse Kaffee zu sich nehmen? Sie müssen doch erschöpft sein, bei der Hitze. Kommen Sie, ich lade Sie ein. Ein kleines Pläuschchen in Ehren kann niemand verwehren“, setzte er hinzu. Und ohne eine Antwort abzuwarten, lief er, beladen wie ein Packesel, bereits auf den Eingang und schnurstracks auf das Restaurant zu.
Annalena folgte mit schwingenden Hüften.
„Cappuccino, Espresso oder vielleicht lieber einen Tee – auch geeist?“, rief Manfred, nachdem er die Einkäufe in einer Ecke abgesetzt hatte. „Das lasse ich auf Ihre Suite bringen.“ Er winkte einen Kellner heran.
„Dann doch einen Cappuccino“, antwortete Annalena und war gespannt, wie sich der Nachmittag nun entwickeln würde.
Es dauerte kaum fünf Minuten, bis das Gespräch auf sie und ihren Suite-Mitbewohner kam. Sie erzählte ihm, was er hören wollte: dass sie geschäftlich mit Heiko liiert war und sich daraus auch gewisse persönliche Interessen ergeben hätten. Nein, von einem Verhältnis könne man da nicht sprechen, schon gar nicht von einem intimen. Man hätte sich mit der Zeit in einer lockeren Verbindung eingependelt, sei eben eng befreundet, wenn man tagtäglich zusammenarbeite. Dass man sich eine Suite teile, hätte mehr mit Kommunikation zu tun, mit dem vollkommen ungezwungenen Umgang miteinander und damit, dass man die Wagner-Festspiele gemeinsam besuche. Aber das läge rein am beidseitigen Interesse an dem Künstler und seinen monumentalen Werken.
„Ich möchte da keinen Verdacht aufkommen lassen, dass … Also ich möchte sichergehen“, erklärte Manfred, „keinen Keil in egal welche Beziehung meiner Gäste zu treiben.“ Deshalb habe er lieber vorher gefragt.
Dann schoss ihm die Röte ins Gesicht und er fing an, über die Zusammenstellung der Tageskarte zu philosophieren.
Annalena war klar, was er mit „vorher“ meinte, äußerte sich aber dazu nicht. Sie wollte den Dingen ihren Lauf lassen.
Als sie ihre Cappuccino-Tassen zum dritten Mal geleert hatten, waren sie per Du und Manfred konnte es sich nicht