Clemens von Lengsfeld

Adolf Hitler mit Hörbuch


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diesen Worten rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstages am 9. November 1918 die Weimarer Republik aus. Er hatte eigenmächtig gehandelt.

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      Novemberrevolution 1918: Scheidemann hält eine Ansprache von einem Fenster der Reichskanzlei. Friedrich Ebert wird Reichskanzler, nach dem Rücktritt Max von Badens, am 9. 11. 1918. (Zusammentreffen Eberts, Scheidemanns u. a. mit Max von Baden in der Reichskanzlei, ca. 13 Uhr).

      Die erste deutsche Republik war ein Produkt der Unentschiedenheit und des Scheiterns in Form des verlorenen Kriegs und einer Revolution, die zunächst von kriegsmüden Soldaten ausgegangen war. Aus diesem Grund hatte mit ihr niemand gerechnet, geschweige denn sie geplant. Selbst ihrer eigenen Regierung wollte es nicht gelingen, diese Form einer „improvisierten Demokratie37 mit ihren neuen Verfassungsrechten und nie zuvor zugestandenen Freiheiten im autoritätshörigen Volk zu verankern. Zudem befürchtete man, dass Demokratie grundsätzlich auch „eine bolschewistische Gefahr“ in sich barg. Diese Gefahr wurde jedoch maßlos überschätzt, da die Massenbewegung vornehmlich aus Arbeiter– und Soldatenräten bestand. So war der Protest gegen die herrschenden Missstände von eher diffusen politischen Veränderungs– oder Gestaltungswünschen getragen. In ihm sammelten sich die unterschiedlichsten Strömungen von extrem links bis extrem rechts. Zudem wurde der Protest von Massenarbeitslosigkeit, Kriegsschäden und Zukunftsängsten genährt. Im Taumel der Ereignisse 1919 würden diese unterschiedlichen Strömungen bald wieder auseinanderbrechen. Wer gehofft hatte, dass nach dem Krieg und den umwälzenden Ereignissen mit der Gründung der ersten demokratischen Republik auch eine geistige Veränderung in den Köpfen der Menschen stattfinden würde, wurde herb enttäuscht. Denn es war die alte Elite des Militärs, die auch schon im Kaiserreich die Strippen gezogen hatte, die weiterhin das Sagen hatte und nun auch die Geschicke der jungen Republik bestimmte. So war die alte Führungsspitze die neue. Ihre Gallionsfiguren hießen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, die Helden von der 1914 siegreich geschlagenen „Schlacht von Tannenberg“, die propagandistisch so ausgeschlachtet wurde, dass man ihr sogar noch das Kriegsende mit dem durch eine Revolution geschüttelten Russland ans Revers heftete.

      „Soldaten der 8. Armee! Die vieltägigen heißen Kämpfe auf den weiten Gefilden zwischen Allenstein und Neidenburg sind beendet. Ihr habt einen vernichtenden Sieg über 5 Armeekorps und 3 Kavalleriedivisionen errungen. Mehr als 90.000 Gefangene, ungezählte Geschütze und Maschinengewehre, mehrere Fahnen und viele sonstige Kriegsbeute sind in unseren Händen. […] Ich hoffe, Euch jetzt einige Tage wohlverdienter Ruhe lassen zu können. Dann aber geht es mit frischen Kräften wieder vorwärts mit Gott für Kaiser, König und Vaterland bis der letzte Russe unsere teure, schwergeprüfte Heimatprovinz verlassen hat und wir unsere sieggewohnten Fahnen ins Feindesland hineingetragen haben. Es lebe seine Majestät, der Kaiser und König. Hurra!"38 hatte Paul von Hindenburg damals nach der Schlacht von Tannenberg seinen Soldaten eingetrichtert.

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      Kaiser Wilhelm II (Mitte) während einer Lagebesprechung mit Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (links) und Erster Generalquartiermeister Erich Ludendorff am 8. Januar 1917.

      In der Manier des Goethe’schen Zauberlehrlings hätte es sinngemäß lauten können: Die Geister, die wir riefen ... die wurden wir nicht mehr los. Diese bekamen nun Unterstützung aus den Reihen konservativ gesinnter Redakteure und Wirtschaftsführer, rechter Freikorpsmannschaften und geistig heimatlos gewordener Frontsoldaten, die sich nicht mehr in der zivilen Welt zurechtfanden. Es zog sich durch nahezu alle Schichten der deutschen Bevölkerung: Das tiefe Misstrauen gegenüber der Demokratie. Nicht wenige wünschten sich den Kaiser zurück, weil sie einem längst vergangenen autoritären Führerbild anhingen und eine klare hierarchische Ordnung vermissten, in der jeder seinen festgefügten Platz hatte. Dagegen ließen sich Freiheit und Demokratie nicht verordnen. Eine jahrzehntelange Prägung mit ihren tradierten Überzeugungen legte man nicht einfach ab wie einen alten Mantel.

      Einer, der ein Teil der einflussreichen Militärriege war und daraus reichlich Profit schlug, hieß Waldemar Pabst. Aus einem kunstsinnigen Elternhause stammend, hatte er als Absolvent der Preußischen Hauptkadettenanstalt in Berlin umstandslos und fraglos die militärische Karriere eingeschlagen und im Schlachthaus von Verdun gekämpft. Nach der Novemberrevolution machte er sich bei der Bekämpfung der kommunistischen Opposition nützlich und war nachgewiesenermaßen als Erster Generalstabsoffizier der Garde–Kavallerie–Schützen–Division, einem Freikorps, an der Niederschlagung des Spartakusaufstandes und der Ermordung dessen führender Köpfe, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, beteiligt.

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      Rosa Luxemburg (1871 – 1919, ermordet) während ihrer Rede auf dem Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart, August 1907.

      Es war Ernst Röhm, eines der späteren Gründungsmitglieder der NSDAP und ebenfalls Freikorpsmann, der Waldemar Pabst einen seiner Bekannten zwecks Unterstützung im Propagandabereich empfahl. Er sprach von diesem als „seinem besten Straßenredner“. Dass man einander Personal empfahl, war nicht ungewöhnlich, man kannte sich eben in bestimmten Kreisen. Der so Angepriesene machte auf den arroganten und kühlen Offizier, der nur die respektierte, die einen bestimmten Stallgeruch hatten oder einem bestimmten Klüngel angehörten, jedoch wenig Eindruck. Pabst wies dem Bittsteller mit den Worten die Tür: „So wie Sie aussehen und sprechen, lachen die Leute Sie aus.“39 Der als Lachnummer Geschmähte war Adolf Hitler. Und wenn sein schaustellerisches und schauspielerisches Talent diesmal noch nicht verfangen hatte, so würde seine Stunde schon bald kommen.

      Kapitel 10

       Der dumpfe Furor

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      Bis heute konnte in der historischen Forschung nicht eindeutig geklärt werden, wann Hitlers Feindschaft gegen die Juden angefangen hatte und auf Grund welcher Einwirkungen. Es gibt wie in der Rechtsprechung zwar eine erdrückende Beweislast, aber den endgültigen und schlüssigen Beweis gibt es nicht. Man weiß nur, wann der Antisemit fertig dastand. Weder wurde er es in seiner Wiener Zeit unter dem Einfluss des jüdischen Lebens in der österreichischen Hauptstadt – Wien zählte zu Beginn des 20. Jahrhunderts 150.000 Juden – noch war es das Ergebnis seiner Kriegserlebnisse, getragen von der diffamierenden und zunehmend grassierenden Vorstellung, dass das deutsche Kaiserreich den Krieg nur deshalb verloren habe, weil die Juden das Volk erst von innen vergiftet und dann verraten hätten. Sicher ist, dass Hitler, der spätere Spitzenfunktionär der NSDAP, bis 1918 noch kein ideologischer Antisemit und Rassist war. Was er allerdings tat, war unreflektiert die herrschenden Stammtischparolen der rechten Presse und deutschnationalen Politiker nachzuplappern. Das die öffentliche Meinung dominierende Militär hatte dieses Denken zusätzlich durch die vom ihm propagierte „Dolchstoßlegende“ unterfüttert. Diese wurde vor der drohenden Niederlage in die Welt gesetzt, um die Schuld von den Verantwortlichen abzuwälzen. Darin war die Rede von einem an der Front unbesiegten Heer, dem die Heimat durch Friedensinitiativen, linke politische Agitation, Streiks und Sabotagen in den Rücken gefallen sei.

      Hitler sah in München zuerst die Flugblätter deutschvölkischer Herausgeber, die die Kriegsniederlage den Juden anlasteten, da sie sich durch Geldgier, Kriegswucher, Klüngelwirtschaft und ihrer Drückebergerei vor der Front an den deutschen Soldaten und der Bevölkerung schadlos gehalten hätten.40 In diesen Pamphleten war natürlich keine Rede von den in Serie geleisteten diplomatischen Missgeschicken des deutschen Kaisers Wilhelm II, seinem unglückseligen Flottenwettrüsten mit Großbritannien und seinem von den führenden militärischen Köpfen unterstützten Hurrapatriotismus im Sinne eines „Deutschland,