Jagdhunde inzwischen einen hohen Stellenwert erlangt. Jeder Jäger, der die Möglichkeit zur Haltung eines Jagdhundes hatte, wurde dazu angeregt, sich Gedanken über den Erwerb eines Hundes zu machen. Meine Eltern holten sich aus dem renommierten Rauhaarteckelzwinger „vom Eichhof“ einen Rüden und später dann noch eine Hündin. Bei vielen Gelegenheiten konnte ich mich von den jagdlichen Leistungen der Teckel überzeugen. Meine sehr tierliebe Frau brauchte ich nicht zu überreden und so kam es, dass ich mir bei einem längeren Bildungsaufenthalt in Beeskow, wo der Zwinger beheimatet war, bei vielen Besuchen einen Welpen aussuchen konnte.
„Die Kleinen sind die Feinen“ sagte mir die Züchterin Lieselotte Eichhoff und ich wählte einen dunkelsaufarbenen zierlichen, aber putzmunteren Rüden aus. Einen Namen durften wir selbst auswählen und da er im „U“-Wurf gewölft worden war, nannten wir unseren ersten zukünftigen Jagdhund „Utz“ oder richtiger „Utz vom Eichhof“.
Lieselotte Eichoff, von allen liebevoll Tante Lotte genannt
Nach Abschluss meiner Weiterbildung brachte ich den Welpen stolz mit nach Hause. Da wir zur Miete wohnten und keine Möglichkeiten für den Bau eines Zwingers bestanden, bekam er seine Wohnung unter einer Truheneckbank in unserer Küche. Dieses spartanische, aber praktische Möbel der 1960-er Jahre hatte unter beiden Sitzflächen jeweils ein Fach, das nach dem Hochklappen der Sitzfläche zugänglich war. Den Boden eines Faches nahm ich heraus und baute aus Hartfaserplatten und Leisten eine Kiste, die genau unter die Eckbank passte. So hatte der Hund durch eine Öffnung in der Stirnseite den ganzen Raum unter Kontrolle und wir konnten, ohne selbst auf dem Bauch zu liegen, seine Schlafdecke und mancherlei Kinderspielzeug aus seiner Hütte herausholen. Diese Hütte diente uns später als Krankenkiste; sie wird noch eine Rolle in einem weiteren interessanten Erlebnis mit Utz spielen.
Von unserer Jagdgesellschaft bekam ich einen zinslosen Kredit in Höhe von 100,00 DDR-Mark, das waren 50 % des Kaufpreises, für drei Jahre unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass ich den Hund ordentlich führen, ausbilden und zu den erforderlichen Prüfungen führen würde. Innerhalb von drei Jahren musste der Hund auf einer Prüfung das Prädikat „Leistungsgeprüfter Jagdgebrauchshund“ erworben haben, andernfalls hätte der Kredit zurück gezahlt werden müssen.
Der Rüde gedieh prächtig und zeigte bereits früh seine Anlagen. Den ersten Hasen fand er mit kaum neun Monaten und war sofort spurlaut. Die Schärfeprüfung bestand er mit 15 Monaten und die Vollgebrauchsprüfung mit 18 Monaten jeweils im II. Preis. Die Bewertung mit 365 Punkten bei der GP brachte ihm die damals noch übliche Auszeichnung „Gebrauchssieger“ ein. Auch die Unerfahrenheit seines Führers konnte an der guten Bewertung, z.B. beim Spurlaut, nichts ändern. Das Fach „Hasenspur“ wurde in der Spreeniederung geprüft. Hasen gab es dort genug, aber eine weiträumige Arbeit konnten die Richter aufgrund der Geländebedingungen nicht beurteilen. Sie mussten sich auf den Laut verlassen, denn die Hasen waren meist kurz nach dem Ansetzen des Hundes hinter einer Biegung des Flusses verschwunden. Zwischen mir und meinem Nachbarn ging plötzlich ein Hase nach hinten los und ich rief aufgeregt „Hase“. Hasen, die sich rückwärts verabschieden, sind für den Hund meist nicht ganz unproblematisch und man tut als Führer am besten so, als ob man den Meister Lampe nicht bemerkt hätte. Natürlich bekam Utz diesen Hasen und ich setzte ihn auf der Spur an. Sofort ertönte sein heller Laut und bald war er hinter einer größeren Gebüschgruppe verschwunden, tauchte gleich darauf aber wieder auf und wurde von einem Kiebitzschwarm regelrecht attackiert. Die Vögel hatten ihren Spaß mit ihm. Das hielt ihn aber nicht davon ab, den Hasen weiter mit anhaltendem Laut zu verfolgen, worauf er mit der Höchstnote bewertet wurde. Gute Noten für einen Rauhaarteckel in unserer Region zu bekommen, war damals nicht ganz leicht, da das Prüfungsgeschehen derzeit durch eine Familie dominiert wurde, die Langhaarteckel züchtete. Doch noch während der Prüfung legten mir die Richter nahe, mit „Utz“ nach Möglichkeit zu züchten.
Mit dem Entschluss, im eigenen Zwinger zu züchten, ließen wir uns aber noch drei Jahre Zeit. An unserem damaligen Wohnort hatten wir nicht die Bedingungen, die für die Zucht und eine sachgerechte Haltung von mehreren Hunden erforderlich waren.
Jetzt wollte ich erst einmal den Lohn für die Mühen der Ausbildung ernten und freute mich auf das gemeinsame Jagen mit meinem Hund. Mit dem Umzug an meinen neuen Arbeitsort Müncheberg hatte ich dafür nun auch viel mehr Zeit und Möglichkeiten für die Jagd zur Verfügung.
Das Revier
Seit mehr als 40 Jahren jage ich überwiegend in einem kleinen Revierteil von kaum mehr als 80 Hektar in einem Niedermoor-Gebiet am Rande der Märkischen Schweiz. Es liegt in einem Urstromtal, das eine Breite von höchstens einem Kilometer hat und sich auf rund 15 Kilometer Länge in südwestlicher Richtung erstreckt. Es beginnt südlich meines Heimatortes Waldsieversdorf und endet an der Bundesstraße 1 bei der Ortschaft Heidekrug. Dieses „Rotes Luch“ genannte Urstromtal wird in der Mitte auf seiner gesamten Länge vom Stöbber durchflossen, der es in einen Ost- und einen Westteil trennt. Im Jahre 1867 wurde die Teilstrecke Berlin – Küstrin der Ostbahn von Berlin nach Königsberg fertiggestellt, die das Luch in west-östlicher Richtung überquert. Die Gleise verlaufen auf einem etwa zehn Meter hohen Damm, der das Niedermoorgebiet wiederum in einen Nord- und einen Südteil trennt. Vom Bahndamm beginnend fließt in der Mitte des Roten Luches der Stöbber in nördlicher Richtung der Oder zu und von dort in die Ostsee; in südlicher Richtung sucht er sich seinen Weg über Löcknitz, Spree, Havel und Elbe bis in die Nordsee. Er ist eines der wenigen Beispiele für eine Talwasserscheide, die dadurch entsteht, dass sich die Oberfläche des Geländes im Niedermoor nach beiden Himmelsrichtungen (nördlich und südlich) neigt. Somit wird das Einzugsgebiet für das Niederschlagswasser nicht durch umliegende „Berg“-Rücken wie im Normalfall, sondern durch das Tal selbst gebildet.
Im Ostteil des Luches wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf beiden Seiten des Bahndammes Halden angelegt. Südlich des Bahndammes schüttete man ab 1904 eine Deponie der Berliner Stadtreinigung mit Straßenkehricht und Gewerbeabfällen auf. Nördlich des Bahndammes entstand in den 1920-er Jahren eine Deponie der Deutschen Reichsbahn, auf der meist organischer Abraum aus der Gleisreinigung und wohl auch Lokomotivasche aus dem gesamten Deutschen Reich abgelagert wurden. Auf der Deponie der Berliner Stadtreinigung, die mit Pappeln und Holunderbüschen, Schilf und meist undurchdringlicher Staudenflur bewachsen ist, buddeln hin und wieder Mitbürger nach gläsernen und keramischen Schätzen, die auf dem Trödelmarkt manches Geld bringen. Mit einigen von ihnen habe ich inzwischen ein gutes Verhältnis: sie halten sich zumindest von Mitte August bis Mitte Oktober von der Halde fern, damit sie durch-wechselndes oder im Einstand befindliches Rotwild nicht stören. Die nördlich der Bahn vorhandene Halde wurde nach dem II. Weltkrieg mit Obstbäumen bepflanzt. An den Rändern dieser Halde befindet sich eine Kleingartenanlage. Auch ich habe dort einen Bungalow, meine Jagdhütte, von der man zu jeder Jahreszeit einen wunderschönen Blick auf die zehn Meter tiefer gelegene Wiese, zwei ehemalige Torfstiche und eine schmale Lichtung zwischen den Torfstichen hat. Von der Jagdhütte aus, die nicht in meinem Revier liegt, haben wir schon viele interessante Wildbeobachtungen machen können.
Im 19. Jahrhundert wurde hier ausgiebig Torf gestochen, vornehmlich für die Verwendung als Hausbrand. Der Abbau von Braunkohle im Untertagebau steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen. Auch waren Braun- und Steinkohle für den kleinen Mann zu dieser Zeit unerschwinglich und so wurde Torf als Brennmaterial geworben. Für die adligen Grundbesitzer der ausgedehnten Moorflächen im Roten Luch war der Verkauf des Brenntorfes ein willkommenes Zubrot. Die Reste zweier Torfstecher-Häuser am Rande der benachbarten Gemarkungen künden noch heute von der hohen Zeit des Torfabbaues. An beiden Wohnstellen findet man Ruinenreste und auch Fliederbüsche, die „Zeigerpflanzen“ für vor langer Zeit aufgelassene menschliche Siedlungen.
Die Torfstiche wurden nach ihrer Austorfung durch den Besitzer als Fischteiche genutzt. Sie lagen allerdings mehr als sechs Kilometer vom Herrensitz entfernt, wodurch eine Bewirtschaftung sicher erschwert und eine dauerhafte Sicherung der Teiche vor Fischwilderei kaum möglich war. So entschloss man sich in den 1930-er Jahren im Zuge der staatlich geförderten Meliorationen, die Fischteiche wieder in Grünland umzuwandeln. Die Teiche wurden mit Boden