gewisse Zeit nutzbares Wiesenland, für dessen Herstellung der Grundherr dann auch regelmäßig staatliche Zuschüsse kassierte. Es ist leicht vorstellbar, dass sich die so entstandenen Wiesenflächen nach kurzer Zeit setzten, versumpften und dadurch nicht mehr zu bewirtschaften waren. Sie wuchsen mit Bäumen, Sträuchern und Schilf bald zu und die Natur holte sich, begünstigt durch eine mangelhafte Bewirtschaftung in den Nachkriegsjahren, die Flächen binnen weniger Jahre wieder zurück. Auf diese Weise entstand eine fast undurchdringliche Wildnis, die vor allem Rot - und Schwarzwild einen hervorragenden Einstand bietet.
Diese verlandeten und zugewachsenen Torfstiche beiderseits der Bahnlinie liegen in einem Wiesengelände, an das sich ein bis zu 30 Meter hoher und mehrere hundert Meter breiter baum- und strauchbewachsener Hang anschließt, der in eine ausgedehnte Feldmark auf dem Barnim-Plateau übergeht. Der ebenfalls baum- und strauchbewachsene Bahndamm mit den beiden Halden dient als Biotopverbund zwischen den ausgedehnten Waldungen auf der Ostseite des Roten Luchs und der Feldmark auf seiner Westseite. Vor allem das Schwarzwild, aber während der Brunft auch hin und wieder das Rotwild, wechseln gern aus dem Wald durch die Wiesen zur Feldmark – und manchmal bei Büchsenlicht morgens auch zurück. Vor allem in trockenen Sommern, in denen das Getreide notreif wird und der Mais noch keine Deckung bietet, sucht das Wild die Torfstiche auch gern als Tageseinstand auf. Viele Abend- und Morgenansitze habe ich dort verbracht und hin und wieder auch Weidmannsheil gehabt.
Sonnenaufgang im Roten Luch
Bauhund wider meinen Willen
Die ersten jagdlichen Leistungen meines Rüden lernte ich nicht auf der Schweißfährte, sondern im Naturbau kennen. Ich hatte nun einen voll ausgebildeten Hund, mit dem ich auch gern und häufig zur Jagd ging. Er begleitete mich auf allen meinen Jagdgängen, selbstverständlich angeleint, so, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte. Nur gegen Ende eines Pirschganges schnallte ich ihn hin und wieder in offenem Gelände und sobald meine Aufmerksamkeit nachließ - war er verschwunden. Nicht allzu weit entfernt befand sich ein alter, weitverzweigter Mutterbau, der meist vom Fuchs, manchmal aber auch vom Dachs, bewohnt wurde. Ich hätte es wissen müssen! Utz hatte zwar bei der Arbeit am Fuchs keine Höchstnote erreicht, die Füchse beeindruckten ihn jedoch anscheinend sehr. Bei einem Besuch einer langjährigen Freundin der Familie in Berlin lieferte er einige Wochen vorher einen ersten Beweis seiner starken Prägung auf den roten Freibeuter ab. Im Gespräch erwähnten wir stolz seine Prüfungsergebnisse und meine Frau kam auf die geniale Idee, sich im Nebenzimmer die alte, aber noch gut erhaltene Fuchspelzjacke ihrer Freundin anzuziehen. Als sie in das Wohnzimmer zurückkam und die Tür noch nicht richtig geschlossen hatte, fand sie sich auch schon auf einem Sessel und dann auf dem Tisch wieder. Der Rüde attackierte sofort den Fuchspelz, an dem er ja wohl nur die Farbe erkannt hatte. Er sprang immer wieder an meiner Frau hoch und wir hatten alle Mühe, die Jacke vor ihm in Sicherheit zu bringen.
Hier seien einige Bemerkungen zur Ausbildung und Prüfung von Erdhunden am lebenden Raubwild zum besseren Verständnis für meine Leser aus der nichtjagenden Bevölkerung eingefügt.
Die Raubwildschärfe von Erdhunden (Teckel, Terrier) wird bei der Anlagenprüfung am künstlichen Fuchsbau beurteilt. Diese Überprüfung ist notwendig, um das Verhalten eines Hundes am Raubwild zu beurteilen. Eine forsche Arbeit am Fuchs oder Dachs lässt meist auf eine gute Schärfe an gesundem oder auch krankem Wild schließen. Ein Hund, der am Raubwild großen Schneid zeigt, hat zumindest beste Voraussetzungen dafür, diese Schärfe auch zu vererben. Wir haben das während der 30 Jahre, in denen wir Teckel gezüchtet haben, immer wieder feststellen können. Dabei soll darauf hingewiesen werden, dass kein Jagdhund, auch kein großer, wehrhaftes Wild fassen und halten muss oder soll. Es genügt vollauf, wenn er Wild so stellt und beschäftigt, dass der Jäger unbemerkt an das Stück herankommen kann, um es weidgerecht zu erlegen. Andererseits ist ein Hund, der hinter seinem Herrn Schutz vor wehrhaftem Wild sucht, für die Jagd nicht zu gebrauchen.
Der Kunstbau besteht aus einer nach oben offenen ebenerdig eingebauten Betonröhre, die mit Holzbohlen abgedeckt ist. Diese Röhre ist in Form eines „U“ mit etwa 10 Meter langen Röhren auf jeder der drei Seiten ausgeführt. Der ganze Kunstbau ist also rund 30 Meter lang. Am Ende der Röhre befindet sich der sogenannte Kessel, in die sich der Fuchs oder auch der Dachs, die in einer Schliefanlage gehalten werden, bei Annäherung des Hundes zurückziehen kann. Als wir Mitte der 1970-er Jahre mit der Haltung eines Jagdhundes begannen, konnte der Hund, wenn er denn scharf genug war, in den Kessel einschliefen und den Fuchs fassen oder sprengen5. Nach einem kurzen Gerangel im Kessel verließ der Fuchs vor dem Hund den Bau, sprang in einen hinter dem Kessel befindlichen Käfig und der Hund wurde durch einen schnell geschlossenen Schieber an der weiteren Verfolgung des Fuchses gehindert. Oder der Hund fasste den Fuchs im Bau, manchmal auch der Fuchs den Hund und dann begann der Stress um beide Tiere. Wenn sie nicht selbst voneinander abließen, wurden die beiden Kämpen aus dem Kunstbau herausgehoben und in eine bereitstehende Wassertonne getaucht. Das Fassen war für die Tiere eine meist sehr unschöne und sicher auch schmerzhafte Angelegenheit. Eine tierschutzgerechtere Gestaltung des Kunstbaues war daher nur eine Frage der Zeit.
Heute verfügt der Endkessel über einen Drehschieber. Dieser Schieber kann über einen Hebel von außen so eingestellt und arretiert werden, dass der Hund nur dem sichtigen Fuchs oder Dachs vorliegen und ihn verbellen kann, ohne ihn fassen zu können. Dabei haben die Füchse keinen Stress. Durch ihre jahrelange Erfahrung, dass der Hund ihnen nichts mehr tun kann, sind sie dem jungen Hund, und nur mit dem wird am Kunstbau gearbeitet, erfahrungsgemäß weit überlegen. Im Verlaufe des Kunstbaues gibt es den sogenannten Kamin, eine für den Hund steil ansteigende Strecke von 30 Zentimetern Höhe. Kommt ein scharfer Hund in den Bau, hinter dem die Holzbohlen auf den Röhren nur so poltern, weiß der Fuchs, jetzt wird’s ernst, läuft dem Hund entgegen und bringt sich oberhalb des Kamins an der für ihn günstigsten Stelle in Position. Hier muss der Hund von unten angreifen, während der Fuchs seinen Platz von oben verteidigen kann. Nur ausreichend scharfe Hunde schaffen es, den Fuchs von dieser Stelle aus in den Endkessel zu drücken. Schlieft hingegen ein Hund langsam und vorsichtig, an jeder Ecke ängstlich verhoffend, in den Bau ein, verzieht sich der Fuchs alsbald in den Endkessel, wo er sich hinter dem Drehschieber festsetzen lässt. Beobachtet man die Füchse bei der Arbeit im Kunstbau, ist man fast geneigt anzunehmen, dass sie sich auf die Abwechslung freuen. Ähnlich ist es bei der Arbeit mit dem Hund im Schwarzwildgatter. An einem solchen Gatter mit meinem Hund stehend konnte ich beobachten, dass eine Sau innerhalb des Zaunes auf uns zukam und freudig den Pürzel schwenkte. Das „Pürzeln“ ist auch in der Natur zu beobachten und ist immer ein Zeichen dafür, dass Sauen sich wohl und unbedroht fühlen.
Doch zurück zur ersten ungewollten Arbeit von Utz im Naturbau. Ich pirsche morgens in der sogenannten Bergschäferei am Rande des Roten Luchs entlang und Utz, den ich frei bei Fuß führe, macht sich auf einmal selbstständig. Wie oft habe ich mir vorgenommen, den Hund erst auf den letzten Metern vor dem Auto zu schnallen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich unter meiner Kontrolle noch einmal auszulaufen. Aber der Hund geht ja so sicher frei bei Fuß! Das tut er im Allgemeinen auch, aber bei jeder Unaufmerksamkeit von mir „sucht er das Loch im Zaun“. So auch jetzt, als er einem alten Mutterbau zustrebt, an dem ich einige Male bei Schneelage zur Ranzzeit des Fuchses auf dem Abendansitz Beute gemacht habe. Ich ahne Böses und laufe, so schnell es geht, zu dem Bau. Natürlich ist er schon darin verschwunden und gibt unter mir wütend Laut. Ich rufe in die Röhre hinein, aber Utz denkt gar nicht daran, herauszukommen. Nach einer Stunde Wartezeit und mehreren vergeblichen Versuchen, den Hund aus dem Bau herauszulocken, gebe ich zunächst auf und fahre nach Hause, um Hilfe zu holen. Die Hilfe besteht aus meiner Frau, den beiden Söhnen und einem Weidgenossen, den wir unterwegs treffen. Wir haben Spaten, Schaufeln und eine Spitzhacke mitgenommen, um erforderlichenfalls nach dem Hund zu graben. Aber wir haben noch nie einen Hund oder Fuchs gegraben!
Meine Frau verschwindet kopfüber fast völlig in der Einfahrt des Baues, um wieder und wieder nach dem Hund zu rufen. Ohne Erfolg. Wir versuchen, die Einfahrt zu erweitern, um dichter an den Hund zu kommen, der immer noch wütend Laut gibt. Inzwischen sind fast drei Stunden vergangen, seit er eingeschlieft ist. In einer Pause, die wir notwendigerweise einlegen, kommt mir der erlösende Gedanke: