Jork Steffen Negelen

Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7)


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Felsbrocken schlich.

      Der Kobold folgte ihr und so kamen sie nach einer Stunde zu einem großen Stein, der keinem der Felsen ähnelte, die hier in der Gegend herumlagen. Auf ihm hatte vor langer Zeit jemand einige Zeichen hineingeschlagen. Aella strich mit beiden Händen über sie und flüsterte dann dem Kobold zu, was sie auf dem Stein lesen konnte. »Wanderer, gehst du nach Norden, so kommst du zum Heiligtum unserer Ahnen. Gehst du nach Süden, so kommst du zu unserer Stadt und zum großen Wasser, dass die Insel umgibt. Gehst du nach Westen, so führt dich dein Weg zu der Höhle des Wächters und gehst du nach Osten, so wirst du den Tod in die Augen schauen.«

      »Na dann ist ja alles klar«, flüsterte Snobby. »Wir gehen selbstverständlich nach Süden. Alle anderen Richtungen wären wohl Quatsch für uns.«

      Aella sah zu dem kleinen Kobold mit dem großen Zylinder und sie streckte ihre Armen aus, so als wollte sie in alle Richtungen gleichzeitig zeigen. »Du hast absolut recht, mein kleiner Freund. Doch eine Frage habe ich an dich. Wo ist Süden und wo ist der Weg, der uns zu der Stadt bringt?«

      Snobby wollte etwas entgegnen, doch nun fiel ihm auf, dass der Himmel mit düsteren Wolken verhangen war und kein Sonnenstrahl die Insel erreichte. Er sah sich um, doch so weit er auch schaute, ein Weg oder etwas Ähnliches war nicht zu entdecken. Ratlos sah er zu Aella. Er rieb sich mit der linken Hand sein Kinn und schob seinen Zylinder auf seinem Kopf ein wenig nach hinten. »Vielleicht sollten wir es mit fliegen probieren?«, fragte er vorsichtig.

      Aella schüttelte heftig den Kopf. Sie hockte sich wieder neben dem Kobold hin und tippte ihn sanft an seiner Nase an. »Damit sollten wir es probieren«, erklärte sie. »Der Himmel ist mit Absicht verdunkelt worden. Man kann am Tage ein gutes Stück von der Insel sehen, doch die Sonne sieht man nicht. Straßen und Wege wurden mit Absicht nicht angelegt, damit sich jeder verirrt, der nicht auf diese verdammte Insel gehört. Doch einen Wegweiser konnte niemand von diesen Inselkreaturen ausschalten. Es sind unsere Nasen, die uns führen werden. Ich kann das Meer riechen, und wenn du dir ein wenig Mühe gibst, dann kannst du es auch.«

      Snobby war erstaunt, doch er hielt seine Nase in den Wind, der leicht über die staubige Sandebene strich. Ein feiner Geruch von Salzwasser lag in der Luft und der Wind zeigte ihm die Richtung an. Mit einem breiten Grinsen sah er zu Aella. Seine rechte Hand zielte nach Osten, denn von dort kam der Wind.

      »Meine liebe weiße Fee«, sprach er leise zu ihr. »Du hast absolut den richtigen Riecher, wenn ich das so sagen darf.«

      Die Fee lächelte und sie zwinkerte dem Kobold zu. »Lass uns keine Zeit verlieren. Wir holen uns das Orakel und verschwinden wieder.«

      »Ja«, antwortete Snobby. »Das machen wir.«

      Doch so leicht, wie sich das die beiden ungleichen Gefährten dachten, war die Aufgabe nicht zu schaffen. Ein Geräusch schreckte sie auf und sie duckten sich hinter dem Stein mit der Inschrift. Aus der Ferne drang das Rumpeln eines Karrens in die Ohren der Fee und des Koboldes. Dieser Karren kam schnell näher und das Knallen einer Peitsche ließ die Gefährten zusammenzucken. Sie warteten, bis der Karren dicht neben dem großen Stein war.

      Eine Stimme wurde laut und die Peitsche knallte wieder. »Zieh, du faules Miststück!«, rief der Kutscher. Ein Knacken war darauf hinzuhören und ein fürchterlicher Fluch folgte. Dem Gefährt war ein Rad von der Achse gesprungen. Der Karren kippte zur rechten Seite weg und der Kutscher flog mit seinem Begleiter in den Dreck. Die Gefährten sahen vorsichtig hinter dem Stein hervor und der Kobold konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

      Der Karren hatte nur zwei Räder und ein bedauernswerter kleiner Esel musste ihn ziehen. Der Kutscher war ohne jeden Zweifel ein Dragolianer und sein Begleiter ein Obinarer. Waffen hatten sie nicht bei sich. Wegen der Wärme waren sie nur spärlich bekleidet. Der Dragolianer hob den Karren an und der Obinarer steckte das Rad auf die Achse. Dann gönnten sie sich einen Schluck Wasser aus einer Kürbisflasche.

      »Das tut gut«, schnaufte der Obinarer. Auf seiner gelben Schuppenhaut war deutlich der Staub zu sehen, den der Karren aufgewirbelt hatte.

      »Wir haben den Weg bald geschafft«, erklärte der Dragolianer. Das Orakel wird morgen Nacht sprechen und einer der Priester hat mir versichert, dass es uns sagen wird, wer uns bedroht. Außerdem soll unser Herr bald zurückkommen. Er ist schon längst auferstanden, so wie es der erste Priester vorhergesagte.«

      »Da erzählst du mir nichts Neues«, meinte der Obinarer. »Ich war dabei, als er im Frühjahr die Auferstehung Dämonicons vorausgesagt hatte. Niemand kennt das Schicksal so gut, wie der erste Priester. Doch der Iht-Dag meint, dass Orakel wäre noch viel besser. Lass uns die Opfergaben zum Felsen bringen. Dann sind wir rechtzeitig wieder in der Stadt. Platos wird dieses Mal auch im Tempel sein.«

      Der Kutscher setzte er sich wieder auf seinen Platz und der Obinarer schob ihn ein Stück an. Danach sprang auch er auf und sie setzten ihre Fahrt fort.

      Als die Karre nicht mehr zu hören war, sah Snobby zu Aella. Sie schien über die Worte des Obinarers erschrocken zu sein. »Stimmt etwas nicht?«, fragte der Kobold.

      »Nein nein, es ist alles in Ordnung«, antwortete die Fee. »Lass uns der Spur des Karrens folgen. Sie wird uns zur Stadt bringen. Doch wir müssen verdammt vorsichtig sein.«

      »Das wollte ich auch vorschlagen«, entgegnete der Kobold. Er sah sich die weiße Fee noch einmal prüfend an. Sie schaute in die Umgebung und deutete zu der Karrenspur, die im Sand gut zu sehen war. Snobby nickte ihr zu und sie schlichen weiter von Felsbrocken zu Felsbrocken.

      Nach ungefähr zwei Stunden legten die Gefährten eine Rast ein. Sie hockten sich hinter einem Felsen und teilten sich den Inhalt einer Flasche Wasser. Es schmeckte köstlich und die Hitze des späten Nachmittags verstärkte diesen Eindruck noch. Als sie aufbrechen wollten, hörten sie wieder den Knall einer Peitsche. Der Eselskarren mit dem Dragolianer und dem Obinarer kam vom Felsen der Alten zurück. Sie hatten sich mit der Auslieferung ihrer Opfergaben nicht viel Zeit gelassen und der Esel zog den Karren, so schnell er konnte, zur Stadt zurück.

      Als der Karren nicht mehr zu hören und zu sehen war, gingen Aella und Snobby den frischen Spuren nach. Sie führten tatsächlich zu einer Stadt, die an der südlichen Küste der Insel lag. Doch was war das für ein Ort, zu dem die Fee und der Kobold gingen? Das letzte Licht des Tages versuchte noch einmal, die dichten Wolken zu durchdringen, bevor die Sonne im Westen unterging.

      Im Schein dieses Lichtes bot die Stadt einen unheimlichen Anblick. Ihre Erbauer hatten sich gründlich auf einen Angriff vorbereitet. Die Mauer, die die Stadt umschloss, war mit großen eisernen Dornen gespickt und ihre Höhe zeigte den beiden Reisenden, welche Furcht ihre Bewohner vor einem Krieg hatten. Es gab wohl für jede Himmelsrichtung ein Stadttor. Jedes Tor wurde von einem Dutzend Kriegern bewacht. Sie kontrollierten jeden Bewohner, der hinaus oder hinein wollte.

      Fremde Reisende kamen wohl nie zu diesem Ort. Die Häuser, die hinter der Stadtmauer standen, wirkten dunkel und kein einziges Licht schien durch ihre wenigen Fenster.

      Als die Nacht hereinbrach, kamen Snobby und Aella in der Nähe der Stadt zu einer Fischerhütte. Sie war halb verfallen und bot nur wenig Schutz vor dem Wind, der immer stärker wehte. Dieser Wind vertrieb offenbar die Wolken, denn Snobby entdeckte am nächtlichen Horizont einige Sterne. Er machte Aella darauf aufmerksam. Als der Wind nachließ, war das Rauschen des Meers zu hören. Gleichmäßig schlugen seine Wellen gegen das Ufer. Es musste in der Nähe sein, denn die Luft roch angenehm salzig.

      Die Fee nahm den Kobold an die Hand und sie zog ihn zum Wasser mit. Das Rauschen wurde lauter und sie sahen, wie sich die Sterne und der Mond in den Wellen spiegelten. In der Nähe war eine Hafenmauer mit einigen Fischerbooten. »Morgen Nacht ist Vollmond«, flüsterte Aella. »Wir sollten uns heute Nacht ein Versteck in der Stadt suchen und uns dann auf die Lauer legen. Wenn wir das Orakel stehlen, haben wir nur einen Versuch. Sicherlich wird es gut bewacht, sodass wir schnell handeln müssen.«

      »Da stimme ich dir zu«, antwortete Snobby ebenso leise. »Die beste Gelegenheit haben wir bestimmt im Tempel. Wenn wir da ein sicheres Versteck finden, könnten wir noch vor dem nächsten Abend Erfolg haben.«

      Aellas Augen wanderten zu dem