Snobby und das Geheimnis der weißen Fee: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 7)
Dann schleichen wir uns zur Stadt und erkunden die Mauer, die diesen unheimlichen Ort umgibt. Wenn alle Bewohner schlafen, haben wir es bestimmt viel leichter.«
Snobby sah Aella in die Augen, in denen sich das Licht des Mondes widerspiegelte. »So werden wir es machen«, stimmte er den Worten der Fee zu und er drehte sich zur Stadt um. Wie ein einziger schwarzer Schatten lag sie im Lichtschein des Mondes und ein mulmiges Gefühl machte sich im Bauch des Koboldes breit.
Nur wenige Minuten später schlichen sie zur Stadtmauer. Schon von Weitem konnten sie die Wachen erkennen, die mit Fackeln ihren Weg auf dem Wehrgang erhellten. Immer wieder sah einer dieser Wachen über die Mauer. Für den Kobold war das ständige Kommen und Gehen der bewaffneten Männer beunruhigend. Sein mulmiges Gefühl verstärkte sich in seinem Bauch.
Als es nur noch wenige Schritte waren, ergriff Snobby die rechte Hand der Fee. Er zog sie hinter eines der wenigen Gebüsche, die nahe der Stadtmauer wuchsen.
»Was ist denn?«, zischte die Fee leise zu dem Kobold, als sie sich neben ihm hinhockte.
»Nicht so laut«, flüsterte Snobby. »Die Wachen sind sehr aufmerksam. Wir müssen noch ein wenig warten.«
Eine Stunde verging und die beiden Gefährten bemerkten, dass die Aufmerksamkeit der Wachen nachließ. Irgendetwas musste sie ablenken, denn sie kamen nicht mehr auf den Wehrgang. Snobby packte seine Flugschale aus und vergrößerte sie mit einer Beschwörung. Er setzte sich auf sie und schwebte vor der Fee.
Aella brauchte keine Schale zum Fliegen. Mit Leichtigkeit erhob sie sich in die Luft und flog neben dem Kobold. Gemeinsam erreichten sie den Wehrgang, der auf der Mauer vom Stadttor zum nächsten Wachturm verlief. Das bleiche Mondlicht erhellte die Dächer der Häuser. Dazwischen gab es dunkle Schatten, die Schutz boten und die Gefährten vor unerwünschten Blicken schützten. Sie landeten zwischen den Häusern und duckten sich in die Schatten. Dann sahen sie sich vorsichtig um.
Die Wachen gingen gerade wieder mit ihren Fackeln auf der Mauer entlang. Ihre Waffen klapperten und einer von ihnen fluchte laut vor sich hin. »Die Suppe war früher besser gewesen.«
»Und das Brot war nicht so hart«, stimmte ihm ein anderer Wachmann zu.
»Wir sollten uns mal bei den Köchen in der Küche beschweren«, meinte der Nächste. »Dieses faule Pack strengt sich schon lange nicht mehr an. Nicht einmal Fleisch war in der Suppe drin. Und da soll man seinen Dienst die ganze Nacht verrichten. Anstatt zu schlafen, laufen wir auf dieser öden Mauer herum. Ich habe dazu keine Lust mehr.«
»Ich auch nicht«, stimmte der erste Wachmann zu. »Die Kerle, die den Tempel bewachen, haben es viel besser. Die werden von der Tempelküche versorgt. Die haben fast jeden Tag und jede Nacht Fleisch auf dem Teller.«
»Du hast recht«, fügte der Zweite hinzu. »Und morgen Nacht haben sie es noch viel besser. Da spricht das Orakel und ein Teil der Opfergaben geht an die Wachen des Tempels. Das war schon immer so. Und wir gehen wie immer leer aus.«
Die Wachen gingen schimpfend ihrer nächtlichen Arbeit nach und die beiden Gefährten hockten sich in einer schattigen Ecke zwischen zwei Häusern hin. »Nun wissen wir genug«, flüsterte die Fee.
»Wir brauchen ein sicheres Versteck«, flüsterte der Kobold zurück. »Es muss in der Nähe des Tempels sein und wir müssen unbemerkt hinein und hinauskommen.«
»Das weiß ich selbst«, antwortete Aella, nachdem sie sich noch einmal prüfend umgesehen hatte. »Wir müssen das Orakel aus dem Tempel bringen, bevor es mit seinen Voraussagungen beginnt. Es würde die Priester warnen und den Iht-Dag auf uns aufmerksam machen.«
»Ach ja«, flüsterte Snobby. »Da ist ja noch dieser Platos. Die beiden Dummköpfe, die mit dem Eselskarren zur Stadt wollten, haben sich ja laut genug über ihn unterhalten.«
Der Kobold sah aufmerksam zu Aella und ihm entging nicht, dass sie bei dem Namen des Iht-Dags zusammenzuckte. Ihm beschlich eine unbestimmte Ahnung und eine Frage kam ihn in den Sinn. Was wäre, wenn die Fee den Diener des Dämonicons kannte? Snobby wagte es nicht, die Frage offen auszusprechen. Er sah selbst noch einmal nach den Wachen. Von ihnen war nichts zu sehen oder zu hören.
»Wir sollten hier verschwinden«, flüsterte der Kobold der Fee zu. »In der Nähe der Stadtmauer sind wir nicht sicher.«
Im Schatten der Häuser huschten die beiden Gefährten durch die Nacht. Sie waren schnell und leise, so als wären sie Diebe, die einen großen Beutezug durchführen wollten. Doch in der Nähe des Tempels mussten sie halten. Die Wachen, die diesen Ort beschützten, waren überaus aufmerksam und keiner von ihnen fluchte über das Essen.
Im Schatten eines Hauses sahen sich die Gefährten den Ort an, in dem die Obinarer und die Dragolianer das Orakel wie einen gewaltigen Schatz hüteten. Nach und nach schlichen die Fee und der Kobold von Haus zu Haus. Sie waren auf der Suche nach einem Versteck. Es war schon weit nach Mitternacht, als sie sich für den Dachboden eines Hauses entschieden. Ein kleines Fenster, das einen Spaltbreit offen stand, wirkte auf die Gefährten wie eine Einladung. Sie konnten ihr nicht widerstehen.
Die Krone der Schattenalp
Die Schluchten von Hardion verbargen die Überreste von vielen Kriegern. Vagho war froh, dass er in dem Gewirr dieser Schluchten das Grab von Assgho gefunden hatte. Er war nicht dabei gewesen, als vor langer Zeit der Mann beerdigt wurde, den er zum General machte und der sein Heer in die Schlachten führte, als er noch selbst der König von Villbass war. Der Schattenalp hasste noch immer den toten Assgho, der ihm die Königswürde stahl und ihn aus seiner Heimat vertrieb.
Die Krone, die Assgho mit in sein Grab nahm, stammte vermutlich von einem Zwerg. Wahrscheinlich war dieser Zwerg ein Fürst oder sogar ein König gewesen. Für gewöhnlich hatte Assgho den Besitzer eines wertvollen Dinges getötet, wenn er ihm etwas raubte. In den Ohren des Schattenalps klangen noch immer die Worte seines einstigen Generals. »Wenn du keine Rache fürchten willst, so töte den Feind, denn beim Sterben sind alle gleich.«
Dämonicon stand neben dem König der Schattenalps, als der sich die Krone genauer ansah. Orapius und Monga betrachteten sie ebenfalls. Zwei Krieger von Vagho schaufelten das Grab wieder zu. Sie unterbrachen für einen Moment ihre Arbeit und sahen zu ihrem Herrn, als der sich den goldenen Reif mit den fünf dornartigen Zacken und den funkelnden Edelsteinen auf seinen kahlen Schädel stülpte. Die Krone passte, als wäre sie extra für Vagho von einem Meister der Goldschmiede hergestellt worden. Der König der Schattenalps sah zu den beiden Kriegern, die sich sofort wieder an ihre Arbeit machten.
»Sie steht dir ausgezeichnet, mein Freund«, sprach Dämonicon leise zu Vagho. Seine Stimme ließ die Wände der Schlucht erzittern. Staub und kleine Steine fielen herab und die Krieger sahen sich furchtsam um.
»Was nun geschehen soll, ist etwas komplizierter«, sprach Monga und sie betrachtete noch immer die Krone auf dem Kopf des Schattenalps.
Orapius zog aus einem kleinen Ledersack ein altes Türschloss heraus. Er streckte seine Hände mit dem Schloss Vagho entgegen und seine Stimme erbebte vor Ehrfurcht, als er zu ihm sprach. »Mein Herr und Meister. Spreche die Beschwörung aus, sodass die Krone ihr Werk verrichten kann. Das Schloss wird sich öffnen, so wie es auf dem alten Pergament stand, das ich im Bluthort gefunden habe.«
Vagho betrachtete das Schloss, in dem ein abgebrochener Schlüssel steckte und die verrostete Verriegelung herausschaute. Er bezweifelte, dass dieses Ding noch funktionierte, doch er sprach die Beschwörung aus. Sofort drehte sich der Rest des Schlüssels im Schloss einmal um sich selbst und der Riegel fuhr zurück. Hätte das Schloss eine Tür verschlossen, so wäre sie für jeden Eindringling offen. Erleichtert sah Vagho zu Dämonicon.
»Damit ist es also entschieden«, sprach der schwarze Prinz und Monga stimmte ihrem Sohn zu.
»Wir werden uns die drei Elflinge holen und so Theodora mitten in ihr Herz treffen. Sie wird sich nach ihnen so sehr sehnen, dass sie ihre Kräfte verbraucht und ihre Aura zusammenbricht. Wenn das geschehen ist, werden wir Bochea überrennen und die Stadt dem Erdboden gleichmachen.«