…«
»Das interessiert sie alle.«
»Und welche Anzeichen sprechen dafür, außer Paranoia?«
»Ich denke wirklich, wir sollten das Thema wechseln.«
»Gut«, sagte Gwen. »Dann lass uns über dich sprechen.«
Ihre Schutzschilde gingen in Position. »Warum?«
»Weil es tausend Dinge über dich gibt, von denen du mir noch nichts erzählt hast.«
»Als da wären?«
»Der Name deines Hundes?«
»Scruffy.«
»Die Namen deiner Eltern?«
»Walter und Dotty.«
Gwen verschluckte sich an ihrem Drink. »Walter und Dotty?«
»Walter und Dotty.«
»Niemand heißt Walter und Dotty.«
»Deine Mutter hieß Daphne. Denk mal darüber nach.«
»Das unterlass ich tunlichst. Walter und Dotty. Jesses.« Sie lehnte sich zurück. »Wann hast du aufgehört, an den Weihnachtsmann zu glauben?«
»Ich hab überhaupt nie an den Weihnachtsmann geglaubt. Meine Eltern sind Realisten.«
»Und du Romantikerin. Wie kommt’s?«
»Ich bin keine Romantikerin.«
Gwen lächelte betont.
»Bin ich nicht.«
»Gut, also nicht.« Sie spielte mit ihrem Besteck. »Ich wette, du hattest in der Schule immer ziemlich gute Noten.«
»Klar, das war leicht. Ich hab ja nicht meine ganze Zeit damit verbracht, über Jungs nachzudenken.« Sie lachte. »Dafür verbrachte ich meine ganze Zeit damit, darüber nachzudenken, warum ich nicht über Jungs nachdachte.«
»Hat dich das beunruhigt?«
»Es hat mich tief erschüttert.«
»Tut es das immer noch?«
»Nein. Gwen, willst du auf irgendetwas Bestimmtes hinaus?«
»Ich nicht. Du hast damit angefangen.«
»Es ist manchmal furchtbar peinlich«, sagte Stoner. »Besonders, wenn ich neue Leute kennenlerne. Ich weiß doch nie, wie sie reagieren werden.« Sie trank einen Schluck. »Und dann die Frage, wann sag ich’s ihnen. Sag ich: ›Hallo, wie geht’s? Ich bin Stoner McTavish, Lesbe‹? Oder lass ich es irgendwie dezent in die Unterhaltung einfließen? Oder warte ich, bis irgendwer eine naserümpfende Bemerkung über ›die vom falschen Ufer‹ macht, und gehe wutentbrannt an die Decke?«
»Wenn ich mich recht erinnere, hast du es bei mir einfach ins Gespräch einfließen lassen. Bist du schon mal wutentbrannt an die Decke gegangen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es wäre nicht sehr höflich.« Sie blickte sich im Raum um. Der graue Mann las eine Zeitung.
»Wie war das mit deiner ersten großen Liebe?«
»Wir waren in derselben Vorlesung für Journalismus an der Bostoner Uni. Na ja, wir waren nicht wirklich ein Paar. Es war mehr eine romantische Schwärmerei. Du weißt schon, lange persönliche Gespräche, Mondscheinspaziergänge am Ufer des Charles. Nach dem Abschluss ging Laurie nach Texas an die Fach-Uni für Jura, brach bereits im ersten Jahr ab und heiratete. Hat jetzt vermutlich sechs Kinder und gelegentlich Rückenschmerzen. Texas kann dir übel mitspielen.«
»Romantische Schwärmerei«, sagte Gwen und ließ ihren Drink im Glas herumschwenken. »Ich mag das.« Sie sah hoch. »Haben wir das auch? Eine romantische Schwärmerei?«
Stoner umfasste ihr Glas fester. »Ich schätze schon.«
»Allerhand, eingedenk der Tatsache, dass du keine Romantikerin bist.«
»Ich seh’s ein, Gwen.«
Gwen griff über dem Tisch nach Stoners Hand. »Ich hoffe, wir werden immer Freundinnen sein, Stoner.«
Immer? Ich wage zu zweifeln. Eines schönen Tages wirst du einen von diesen ›reizenden jungen Männern‹ kennenlernen, die es deiner Großmutter so angetan haben. Sechs Monate nachdem du ihn geheiratet hast, beschließt er, nach Oklahoma City umzuziehen, und du folgst ihm, ohne auch nur eine Frage zu stellen. Ich besuche dich fortan einmal pro Jahr in seinem Haus, esse sein Essen, von ihm zubereitet auf seinem Grill auf seiner Veranda. Nach dem Essen sitzen wir herum, wir drei, und ›klönen‹ in seinem Wohnzimmer, bis es Zeit ist, ins Bett zu gehen – du mit ihm und ich ins Gästezimmer. Mit etwas Glück bleiben uns ein paar Stunden allein zusammen im Waschsalon, wo wir mit dem Baby spielen. Es dauert nicht lange und wir wissen nicht mehr, worüber wir miteinander reden sollen.
Sie lächelte traurig versunken und starrte auf Gwens Hand.
»Was ist los?«, fragte Gwen.
»Ich hoffe nur, du hast recht.«
Gwen spielte mit ihren Fingern. »Sag mir, was wäre das Entsetzlichste, was ich dir antun könnte? Das, was dich dazu brächte, mich für immer zu hassen?«
»Ich würde dich für immer hassen«, sagte Stoner sehr ernst, »wenn du mich bitten würdest, ein Kleid anzuziehen.«
Gwen lachte.
»Wie sieht’s bei dir aus?«
»Ich würde dich hassen«, sagte Gwen, »wenn du mich zwingen würdest, zu einer Marx-Brothers-Retrospektive mitzukommen.«
»Verflucht, genau das hatte ich für heute Abend geplant.«
Zwei Teller mit dampfenden Hummern schwebten an ihren Gesichtern vorbei.
Stoner zog ihre Hand ruckartig von Gwens zurück. »Prompte Bedienung.«
Sie warteten schweigend, während Steve-zu-Diensten eine Ewigkeit damit zubrachte, auf dem Tisch diverse Schälchen zu drapieren. Er betrachtete seine Kreation mit zutiefst befriedigtem Gesicht. »Noch einen Wunsch?«, fragte er Gwen.
»Nein, vielen Dank, Steve.«
Er entschwand ins Halbdunkel.
»Ehrlich«, sagte Gwen, »du bist furchtbar hektisch.«
»Tut mir leid. Es ist ein Reflex, den ich mir in King’s Grant angewöhnt habe.«
Gwen brach eine Schere von ihrem Hummer ab. »Wo ist King’s Grant?«
»Auf Rhode Island. Meine Heimatstadt.«
»Oh«, sagte Gwen. »Es klang nach Einkaufszentrum.« Sie schob ihren Krautsalat zur Seite. »Wie war es, dort aufzuwachsen?«
Stoner zuckte die Achseln und verwüstete ihr Essen. »Nicht so toll.«
»Bist du noch mal dort gewesen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Der Einzige, den ich hätte wiedersehen wollen, wäre Scruffy gewesen, aber sie haben ihn einschläfern lassen.«
»War er krank?«
»Sie haben’s gemacht, weil ich nicht wieder nach Hause kommen wollte.«
Gwen legte ihre Gabel hin. »Stoner, das ist das Gemeinste, was ich jemals gehört habe.«
»Es führte zu gewissen Spannungen zwischen uns.«
»Ich hoffe, du wirst niemals mehr etwas für sie tun – besonders nicht, wenn sie es sich wünschen.«
Stoner zuckte die Achseln. »Ich versuch’s.« Sie erstach ihre gebackene Kartoffel.
Gwen knackte den Hummerschwanz, zog das Fleisch heraus und begann es in kleine Stücke zu zerteilen. »Wann hattest du zum ersten Mal den Verdacht, dass du eine …«, sie senkte ihre