Petra Wagner

Der mondhelle Pfad


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würde noch nicht mal in unsere Umfriedung passen! Das muss man sich mal vorstellen.“

      Hanibu antwortete mit einem Keuchen, denn ihr brach der Angstschweiß aus, als Königin Elsbeth sich erhob. Sicherheitshalber verbeugte sie sich gleich noch einmal.

      Die Königin kam die Treppe herunter, umfasste Vivianes Hände und schenkte sogar Hanibu ein freundliches Lächeln, als diese endlich wieder aufsah. Würdevoll geleitete sie die beiden die Treppe hinauf, und Elektra winkte ihnen grinsend zu.

      Hanibu verneigte sich noch einmal vor allen Anwesenden, doch der Barde machte sich nicht die Mühe, von ihr Notiz zu nehmen. Viviane schenkte er umso mehr Beachtung und konnte gar nicht aufhören, sie zu drücken und zu tätscheln, bis er endlich seine Leier weiter zupfte. Fea, die Frau von Afal, und Madite, die Seherin, hatte Hanibu schon zu Beltaine kennengelernt. Mit einer gewissen Genugtuung stellte sie fest, dass beide ihr freundlich zunickten.

      In diesem Augenblick stand ihre Meinung über den Barden fest und beim nächsten Wimpernschlag hatte sie ihr eigenes Schmählied im Kopf, was sie aber sofort wieder vergaß, weil der Besuch beim König nun einen Hergang annahm, mit dem nicht einmal Viviane gerechnet hatte.

      ***

      „Was? Du hast mit dem König an einem Tisch zu Mittag gegessen?“

      „Er hat nur einen Tisch, Noeira. Allerdings einen ziemlich großen.“

      Noeira lehnte sich kraftlos gegen die Wand vom Langhaus, wo sie gerade eben noch gestanden und gesponnen hatte. Höchst angestrengt richtete sie ihren Blick auf den Uhsineberga, um dort den großen Tisch von König Gort eventuell zu erkennen.

      „Was isst denn ein König so zum Mittag?“

      „Eigentlich das Gleiche wie wir, Noeira. Es gab Brot, frische Butter, kalten Braten, Käse, Zwiebeln, junge Erbsen und Möhren …“

      Noeira zog die Nase kraus und lugte jetzt sichtlich enttäuscht den Berg hinauf.

      „Und ich dachte immer, die essen da oben …“

      „Was? Den ganzen Tag nur Hirschschinken und Lammkeulen und Weißbrot mit einem Berg Butter obendrauf?“

      Noeira zuckte die Schultern.

      „Ja, so ähnlich.“

      „Ha! Dann gäbe es bald kein Wild mehr in den Wäldern und kein Vieh mehr auf den Weiden! Aber ich hätte nicht mal im Traum daran gedacht, dass uns Königin Elsbeth dazu einlädt!“

      „Uns? Hanibu saß auch mit …?“

      „Nein! Nicht ganz! Eine alte Sklavin hat sie in den Raum mitgenommen, wo die Sklaven essen. Aber da hat es ihr auch gefallen. Beim Essen hat übrigens kein Sklave bedient. Sie haben nur den Tisch gedeckt und sind gegangen. Das ist praktisch für König Gort, so erhält er sich einen großen Teil seiner Privatsphäre. Man konnte sich ungestört unterhalten.“

      „Was unterhält man sich denn so mit dem König, wenn man nicht gerade den Mund voll hat?“

      „Königin Elsbeth und Elektra wollten viel wissen. Ich musste ihnen von Großmutter Dana erzählen, von Königin Birgie und natürlich von Lothaar, von unserem Lagerplatz, dem Spähtrupp und dann noch von den Vorkämpfen und der Schlacht …“

      „Da wundert es mich aber, dass sie dich nicht gleich zum Abendbrot dabehalten haben – dem morgigen, versteht sich.“

      „Da ist doch Mittsommer. Bis dahin sind ihnen sicher noch ein paar Fragen eingefallen.“

      „Und was hat Hanibu die ganze Zeit gemacht?“

      „Das Selbe wie du, Noeira. Sie hat mit den anderen Weibern draußen auf dem Vorbau gesponnen. Königin Elsbeth war ganz begeistert.“ Viviane drehte sich zu Hanibu und nickte ihr zu. „Hanibu! Zeig Noeira mal dein Geschenk!“

      Hanibu hielt Noeira strahlend einen Stoffbeutel hin.

      „Oooh! Der ist aber schön gewebt, mit Ornamenten und einer feinen Kordel“, seufzte Noeira und drehte den Beutel hin und her. Ach, ein Bär und ein Hirsch sind auch noch eingewebt! Hast ihn wohl von Elektra bekommen?“

      Hanibu nickte begeistert und erklärte langsam: „Von Königin Elsbeth habe ich das geschenkt bekommen, was drinnen ist.“

      Noeira zog an der Kordel und lugte hinein.

      „Beim Geweih von Cernunnos! Das nächste Mal nimmst du mich auch mit, Viviane, wenn du wieder zum König musst! Eine geschnitzte Spule aus Lindenholz und auch noch bis zum Geht-nicht-mehr mit feinstem roten Lein voll!“

      Viviane lachte auf.

      „Das Garn hat Hanibu selbst gesponnen, als sie bei den Weibern draußen saß. Königin Elsbeth wollte ihr etwas zu tun geben, solange sie auf mich warten musste. Als sie dann Hanibu beobachtet hat, war sie so zufrieden mit ihr, dass sie ihr die Spule geschenkt hat. Und damit sie die nicht den ganzen Heimweg in der Hand tragen muss, hat ihr Elektra noch ein Täschchen geschenkt.“

      Das dünne Garn ging von Hand zu Hand, wurde gebührend gelobt und natürlich wollte jeder wissen, wie es Hanibu bei Königin Elsbeth ergangen war.

      Hanibu redete in der Mundart der Hermunduren, Griechisch, Äthiopisch und mit Gebärden. Flora und Taberia hörten aufmerksam zu, Noeira saugte förmlich jedes ihrer Worte und Gesten in sich ein – so wie sie dastand: nach vorne gebeugt, mit offenem Mund.

      Großmutter Mara nahm derweil Viviane am Arm und zog sie Richtung Backofen.

      „Und?“

      Viviane feixte.

      „Es hat besser funktioniert, als ich erhoffen konnte. Ich habe ihm erklärt, wie wichtig das Baby für Tinne ist und dass ich von diesem Glücksfall viel lernen kann. Er hat auch eingesehen, dass man mit so einem Winzling weit vorsichtiger umgehen muss, als mit einem normalen Baby. Wir haben einen Kompromiss geschlossen. König Gort will Tinne selbst das Essen vorbeibringen. Stell dir vor, was für eine Ehre! Dann nimmt er Tinne mit zum Göttertanz und ihre Sklavin bleibt so lange bei Germania. Für den Segen haben wir auch eine Lösung gefunden. Afal kommt extra für die Kleine mit geweihtem Wasser zu Tinne ins Haus. Aber er wird nur ihre Stirn benetzen und im nächsten Jahr bekommt sie ihre richtige Lebensweihe.“

      Großmutter Mara nickte anerkennend.

      „Und was hat er zu deinem Geschenk gesagt?“

      Viviane prustete los.

      „Gesagt?! Er hat in den Krug hineingeschaut, tief eingeatmet und dann hat er gefragt, ob Großmutter Mara noch mehr so extravagante Muster auf ihren Krügen hätte. Dieses hier wäre ganz vortrefflich gelungen. Er hat den Krug auf das höchste Regal gestellt, wahrscheinlich, damit niemand außer ihm ran kommt, und immer mal einen bewundernden Blick darauf geworfen, wenn er gedacht hat, ich sehe es nicht.“

      Großmutter Mara gluckste und sah verträumt vor sich hin.

      „Er hat als Kind schon so gerne Himbeersaft getrunken. Kaum war sein Horn leer, stand er wieder am Fass, gemeinsam mit Arminius. Die beiden haben oft zusammen gespielt … und gestritten … und sich geprügelt. Ach ja, die wundervolle Zeit der Kindheit …“

      Viviane nickte schelmisch und wackelte mit ihrem Zeigefinger. „ … jetzt verstehe ich.“

      Sie gingen wieder zurück zu den anderen, wo Noeira schon aufgeregt winkte.

      „Viviane! Elektra will sich auch mal anhören, wie ihr auf der Tin Whistle spielen könnt. Lew hat ihr davon erzählt und sie hat Hanibu gefragt, ob ihr noch übt.“

      Viviane lachte und schaute zur Sonne.

      „Wenn unsere kleinen Schafhirten heimkommen, kann es gleich losgehen. Wo bleiben die beiden eigentlich?“

      Flora winkte ab.

      „Die baden auf dem Heimweg mit den Männern zusammen. Ihre Weide ist gleich oberhalb der Festwiese und weil die Männer ohnehin dort sind, wollten sie die große Badestelle ausnutzen. Wie du siehst …“

      „Ja,