»Gemeinnützige Obstbau-Siedlung Eden«, 1893 gegründet und ausgerichtet auf naturnahes und gesundes Leben.
Eine möglichst nachhaltige Genesung mit der Option auf ein gesundes Leben versuchte auch die Lungenheilstätte am Grabowsee zu gewährleisten, an welche ich als Lungenkranker sofort denken muss. An ihren Zäunen haben wir nach der Wiedervereinigung bei unseren Ausflügen von Frohnau aus oft gestanden. Bis 1995 war sie noch russisches Lazarett, dann begann sie langsam zu zerfallen. Heute wird die Anlage gern als Filmkulisse genutzt.
Auch Friedrichsthal sollte man besuchen und sich den Malzer Kanal mit seinen Schleusen ansehen. In der Friedrichsthaler Kirche wirkte der spätere evangelische Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Kurt Scharf von 1933 bis 1945 als Pfarrer.
KW und O-Burg – diese DDR-Kürzel haben sich in meinem Gedächtnis derart festgesetzt, dass ich zu raten beginne, als mein Cousin Curt mir sagt, seine Tochter sei in SPO. »Sperenberg-Ost oder Spremberg-Ost?«
»Nein, Sankt Peter-Ording.«
Bad Belzig und Wiesenburg
»Treffpunkt Bad Belzig. Wir gehen am Sonnabend durch die Rummel«, verkündet unser Wanderführer.
»Über den Rummel!«, schreien da reflexartig die Kenner der deutschen Hochsprache, den Rummelplatz meinend.
Doch der Mann hat recht, obwohl das Wort nicht einmal im Duden zu finden ist. Die Rummel ist eine im Hohen Fläming gebräuchliche Bezeichnung für die hier anzutreffenden periglazialen Trockentäler wie beispielsweise die Rummel »Steile Kieten« zwischen Preußnitz und Bad Belzig und die »Brautrummel« bei Grubo.
Neben Freienwalde, Liebenwerder, Saarow und Wilsnack wurde im Bundesland Brandenburg auch Belzig mit dem Beinamen Bad geadelt. Das Städtchen liegt inmitten des Naturparks Hoher Fläming und verfügt mit dem Hagelberg über eine der höchsten Erhebungen im Norddeutschen Tiefland. Zudem findet man in seiner Nähe eines der letzten Refugien der Großtrappe in Deutschland. Interessant ist auch, dass der geografische Mittelpunkt der DDR zwischen Weitzgrund und Verlorenwasser – heute Teile des Stadtgebiets – gelegen hat. Verlorenwasser heißt aber nicht nur ein Ortsteil von Bad Belzig, sondern auch ein Flüsschen, das in Richtung Havel fließt.
Was ist an Bad Belzig besonders erwähnenswert? Erstens, dass Martin Luther hier 1530 in der Marienkirche gepredigt hat, zweitens, dass es 1547 im Schmalkaldischen Krieg von spanischen und 1636 im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Truppen zerstört worden ist, und drittens, dass sich hier die Burg Eisenhardt befindet. Die ist das Highlight der Stadt. Die slawischen Heveller hatten an ihrem Standort einen Burgwall errichtet, den Albrecht der Bär 1157 für die Askanier eroberte. Später ließ der Graf Siegfried von Belzig dann die massiv gebaute romanische Steinburg errichten. Den imposanten Bergfried, den »Butterturm«, im Innenhof der Burg kann man erklimmen, es sei denn, man leidet wie ich unter Höhenangst und hat nicht mehr genügend Kraft in den Oberschenkeln. Die Ringmauer und das Heimatmuseum sind einen Rundgang wert, ein wahres Erlebnis ist es aber, im Innenhof der Burg Eisenhardt zu sitzen, zu speisen und zu trinken und den Panoramablick zu genießen. Voller Glück können wir dann singen:
O Täler weit, o Höhen,
O schöner grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt.
Nicht nur der Butterturm, auch der zweihundert Meter hohe Hagelberg will erklommen sein. Auf dem haben sich in den Befreiungskriegen im Vorfeld der Völkerschlacht bei Leipzig am 27. August 1813 die Preußen und die Franzosen in der sogenannten Kolbenschlacht bekriegt. Deren Name rührt daher, dass die Soldaten überwiegend mit Bajonetten und Gewehrkolben kämpfen mussten, weil wegen Dauerregens die Pulver und Gewehre feucht geworden waren. Als es schon so aussah, als würden die Preußen verlieren, erschienen die Russen auf dem Hagelberg und retteten ihnen den Sieg. Es gab Tausende von Toten und Verwundeten.
Auch ich erlitt eine Verwundung, nachdem ich den Hagelberg mit meiner Wandergruppe bestiegen hatte, jedoch nicht durch den Stich eines Bajonetts, sondern durch die Klinge meines Taschenmessers. Ich hatte mir einen Apfel mundgerecht zerteilen wollen, schrie auf wie ein preußischer Landsturmmann und wälzte mich filmreif im Grase. Zum Glück hatten wir einen Arzt in unserer Mitte, der meine Wunde kunstgerecht verbinden konnte.
Ist man schon einmal in Bad Belzig, lohnt es sich, auch das nahegelegene Wiesenburg zu besichtigen. Nach rund zweieinhalb Stunden Fußmarsch ist man vor Ort und kann das im Stil der Neorenaissance erbaute Schloss bewundern und im Schlosspark flanieren. Vom Bahnhof Wiesenburg ist man mit einem Zug der Linie RE7 in etwas mehr als einer Stunde wieder am Berliner Bahnhof Zoo.
Bad Freienwalde und Falkenberg / Mark
Der Name Bad Freienwalde (Oder) ist etwas irreführend, denn die Stadt liegt nicht, wie man annehmen könnte, an der bekannten großen Oder, sondern an der vergleichsweise kümmerlichen Alten Oder am Nordwestrand des Oderbruchs. Da hier das Barnimplateau beginnt, finden wir im Stadtgebiet Höhenunterschiede von bis zu 150 Metern.
Als wir Bad Freienwalde um das Jahr 2005 zum ersten Mal erwandern wollten, trafen wir uns auf dem Marktplatz mit der Stadtpfarrkirche St. Nicolai und dem Rathaus. Von dort gingen wir die leicht ansteigende Uchtenhagenstraße entlang. Die Uchtenhagens sind ein altes Adelsgeschlecht, und ihr Name ist ab 1250 in alten Urkunden zu finden. Beim Wegweiser Fontane-Wanderweg bogen wir nach rechts ab und stiegen zwischen mehreren Grundstücken einige Stufen hinauf. Wir erklommen einem Hang mit Buchen- und Eichenwäldern, und ich habe schnell die Orientierung verloren. Meistens versperrte dichtes Gebüsch den Blick auf die Stadt. Angesteuert haben wir vier Aussichtstürme, und wer mit einem Turm-Ticket alle bestieg, dem wurde ein Turm-Diplom verliehen. Darauf verzichtete ich mit der Begründung, schon ein Diplom zu haben, wenn auch nur das 1968 an der Freien Universität Berlin erworbene für Soziologen.
Den Aussichtsturm auf dem Galgenberg bestieg ich aber doch, und das hinterließ bei mir einen solchen Eindruck, dass ich einen der Protagonisten der Krimi-Reihe Es geschah in Berlin nach ihm benannt habe, nämlich den Assistenten des Kriminalkommissars Hermann Kappe: Gustav Galgenberg. Det is een richtija Berliner, der tut lupenrein berlinern und hat ooch alle Sprüche druff wie etwa: »Wer Jott vatraut und Bretta klaut, der hat ’ne billje Laube.«
Dann entdeckte ich etwas, das mir aus Bayern, Österreich und Holmenkollen gut bekannt ist, das ich aber nie und nimmer im Landkreis Märkisch-Oderland vermutet hätte: Skisprungschanzen. Drei davon gibt es hier im Papengrund, und auf der ältesten Schanze ist Birger Ruud, der Olympiasieger von 1936, den Rekord von sage und schreibe 40,5 Metern gesprungen.
Bad Freienwalde liegt mir auch deshalb am Herzen, weil mein Freund Volker Panecke dort aufgewachsen ist und er mich ins Redaktionskollegium des Jahrbuchs Viadrus geholt hat, das den Untertitel Heimatbuch für Bad Freienwalde (Oder) und Umgebung et Terra Transoderana trägt. Zum siebenhundertsten Stadtjubiläum (1316–2016) wurde das Sonderheft Freyenwaldia herausgegeben, in dem alles Wissenswerte über Bad Freienwalde nachzulesen ist. Spiritus Rector des Ganzen war der Ortschronist und Augenarzt Dr. Ernst-Otto Denk, und ein jeder Besuch in seiner Stadt ist damit ein denkwürdiger.
Zu Bad Freienwalde gehört auch die Ansiedlung Schiffmühle. Dort verweile ich gern, da mich dieser Ort ganz besonders an meinen Lieblingsdichter Theodor Fontane erinnert. Immer wieder lese ich Fontanes autobiografischen Roman Meine Kinderjahre und werde im Folgenden auch mehrfach aus dem 16. Kapitel (Vierzig Jahre später) zitieren. Aber recht eigentlich höre ich Fontane-Texte viel lieber – vorausgesetzt, sie werden so vollendet vorgetragen wie von Gert Westphal –, beispielsweise diese Sätze über Fontanes Vater:
Er wohnte damals, schon zehn oder zwölf Jahre lang, in Nähe von Freienwalde, und zwar in einer an der alten Oder gelegenen Schifferkolonie, die den Namen »Schiffmühle« führte und ein Anhängsel des Dorfes Neu-Tornow war. Vereinzelte Häuser lagen da, in großen Abständen