einem Kupferdach in Form eines Napfkuchens.
Der größte Mehrzwecksaal der Stadt entwickelte sich zum neuen kulturellen Zentrum. Hier fanden Konzerte der Dresdner Philharmonie und der Sächsischen Staatskapelle statt, der Kreuzchor und das Moskauer Bolschoi-Theater gastierten, die „Brückenmännchen“-Musicals hatten Kultstatus und bei Dixieland-Festivals wippte ganz Dresden mit. Der Saal mit 2000 Plätzen, das höhenverstellbare Parkett, die drehbare Bühne und Luxusmaterialien wie Marmor und Granit zeigten den Dresdnern, dass es vorwärtsging im Sozialismus.
Nach langer Diskussion in den 1990ern entschlossen sich die Dresdner, zu ihrer jüngeren Geschichte zu stehen. Sie stellten den Kulturpalast unter Denkmalschutz und renovierten ihn gründlich. 2017 wurde er wiedereröffnet und feierte 2019 sein 50-jähriges Jubiläum.Und die Menschen waren begeistert. Der Kulturpalast ist als Heimat der Dresdner Philharmonie, des Kabaretts „Die Herkuleskeule“ und der Zentralbibliothek ein echtes Kulturzentrum und gleichzeitig ein architektonischer Gegensatz zum benachbarten Neobarockviertel. Er beherbergt einen der akustisch besten Konzertsäle der Welt, der auch architektonisch beeindruckt und von einer speziell entworfenen Orgel gekrönt wird.
Das 30 Meter lange Wandbild „Der Weg der Roten Fahne“ durfte nach langer Diskussion über seinen künstlerischen Wert an der Westfassade bleiben. Das detaillierte Bild auf 466 Betonkacheln (der rote Stern besteht dagegen aus Glas) zeigt die Geschichte der Menschheit im Verständnis des Marxismus. Die fahnenschwingende Frau in der Bildmitte erinnert an die Dame, die das französische Volk zur Revolution führen sollte – mit Absicht!
Spannend sind auch die drei Eingangstüren des Kulturpalasts. Ähnlich wie Kirchenportale bestehen sie aus Bronzereliefs, die die Geschichte der Stadt zeigen. Der Künstler Gerd Jaeger hat sich bei den Türen nicht an den Kalender gehalten, weshalb man beim Betrachten etwas verwirrt ist: Die erste Tür zeigt das Mittelalter und beginnt ganz links unten, als Dresden 1206 erstmals urkundlich erwähnt wurde, bis zum Dreißigjährigen Krieg, als 1632 die Pest kam. Die zweite Tür von links zeigt die Geschichte Dresdens im 19. und frühen 20. Jahrhundert, während die mittlere Tür den Sozialismus zeigt. Auf der rechten Seite geht es wieder rückwärts, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und das Barockzeitalter. Eine Tür für das 21. Jahrhundert fehlt noch.
Erstrahlt neu in alter Optik: der Kulturpalast
Nun wird es aber Zeit, hineinzugehen; auch ohne Ticket für eine der vielen Veranstaltungen. Das beste am Kulturpalast ist nämlich der Blick hinaus auf den Altmarkt, Dresdens ältesten Platz. Besucher der Zentralbibliothek genießen ihn aus einem der kugelrunden „Sonic Chairs“ an den Fensterfronten des Lesesaals. Diese Kuschelsessel sind gleichzeitig akustische Inseln, die man ans Smartphone anschließen und zum Musikhören nutzen kann.
Aber auch im Foyer kann man bei einem Kaffee oder einem Glas Sekt aus dem Bistro den Blick durch die Glasfront auf den Altmarkt richten. Tagsüber herrscht dort buntes Treiben – bei einem der Frühlings- oder Herbstmärkte, beim jährlichen Striezelmarkt (der seit 1434 hier stattfindet) oder einer anderen Großveranstaltung.
Sollte das Pflaster einmal leer sein, wirkt der Altmarkt, hinter dem der 92 Meter hohe Turm der Kreuzkirche und der Rathausturm aufragen, noch eindrucksvoller. Schwer vorstellbar, dass hier 1945, nach dem Bombardement der Alliierten am 13. Februar, zwischen den Trümmern Tausende geborgene Leichen lagen. Eine in der ursprünglichen Pflasterung erhaltene Stelle markiert den Punkt, wo die Opfer der Bombennacht in den darauffolgenden Tagen verbrannt wurden. Das Mahnmal ist so unauffällig, dass die meisten Besucher achtlos darüber hinweglaufen – Ergebnis einer hitzigen Debatte darüber, wie groß eine Gedenkstätte an die Kriegsopfer in Dresden sein darf, das sich seit Jahren mit Vereinnahmungsversuchen von rechts herumschlägt.
Info
Lage:
Schlossstraße 2, 01067 Dresden, Besuchereingang Wilsdruffer Straße (Front)
Anfahrt: Parken in der Tiefgarage unter dem Altmarkt, im Haus am Zwinger, im Contipark an der Semperoper oder im Q-Park Frauenkirche; Straßenbahnlinie 1/2/4, Haltestelle Altmarkt
Eintritt: tagsüber und abends ins Gebäude und in die Zentralbibliothek frei
Aktivitäten:
•Ticketservice: Tel.: 0351 4866-866,
•Bistro: im 1. Stock, geöffnet tagsüber und bei Veranstaltungen
•Zentralbibliothek: im 1. und 2. Stock, Montag bis Samstag 10 bis 19 Uhr, bibo-dresden.de
Website: kulturpalast-dresden.de
6 Die Weiße Flotte
AUF DER ELBE WOLL‘N WIR FAHREN …
Erst mit den weißen Raddampfern, die tutend vom Terrassenufer in Richtung Pillnitz oder Bad Schandau ziehen, ist Dresdens Stadtbild komplett. Spaziergänger winken den Kaffeefahrt-Gästen auf den Promenadendecks zu und ziehen dann kreischend ihre Picknickdecken ins Trockene, wenn die Bugwellen die Elbe zur Wallung bringen und echte Brecher ans Ufer schicken.
In den vergangenen Sommern floss die Elbe, die uns Dresdner gern mit Hochwassern schreckt, leider immer niedriger dahin. Beherzte konnten sie zu Fuß durchwaten – dabei wird der Fluss von den Städtern eigentlich gern zum Schwimmen genutzt, sommers wie winters. Für die Weiße Flotte bedeutete das dasselbe wie für die Lastkähne aus Tschechien: Schifffahrtsstopp.
Wird die älteste und größte Raddampfer-Flotte der Welt das nächste prominente Opfer des Klimawandels? Insolvenz wurde bereits Anfang 2020 angemeldet, als das Corona-Virus für einen zusätzlichen Einbruch der Einnahmen sorgte.
Dabei fahren die „Gräfin Cosel“, die „Pillnitz“ und ihre Kolleginnen schon seit 1836 elbauf und elbab, gegründet von geschäftstüchtigen Dresdner Bürgern, zuerst nur mit zögerlicher Erlaubnis des Königs, der sich gegen die Modernisierung sperrte: Warum sollte man die Treidelschiffe, die man vom Ufer aus an Seilen flussaufwärts zerrte, durch Dampfschiffe ersetzen? Die arbeitslosen Treidler haben ihm sicher zugestimmt – an sie erinnern nur noch einige gemauerte Treidelpfade am Ufer.
Dampfschiffe eroberten in den nächsten Jahren die Welt, auch in Sachsen. Hier ertüftelte Mathematikprofessor Johann Andreas Schubert das erste Dresdner Dampfschiff, die „Königin Maria“. Nach der ersten Publikumsfahrt von der Marienbrücke bis nach Meißen war der Damm gebrochen: Passagiere fuhren elbabwärts bis nach Dessau und elbaufwärts bis nach Melnik, wo die Moldau in die Elbe mündet.
1901 fuhren 3,4 Millionen Fahrgäste auf den 37 Schiffen der Flotte. Ihren Namen erhielt sie erst 1928, als alle Schiffe weiß gestrichen wurden: nach dem Vorbild der „Great White Fleet“ von US-Präsident Roosevelt. Der Zweite Weltkrieg war der Dampfschifffahrt nicht förderlich; die wenigen Schiffe, die in Dresden heil geblieben waren, wurden als Reparationsleistungen von der Sowjetunion einkassiert.
Von vier einsatzfähigen Raddampfern, die die DDR-Zeit überstanden hatten, schafften es zwei in die neue Zeit: Aus „Ernst Thälmann“ wurde „August der Starke“, die „Wilhelm Pieck“ fährt heute als „Gräfin Cosel“. Die anderen beiden liegen als schwimmende Jugendherbergen im Neustädter Hafen.
Durch Restaurierungen und Neukäufe wuchs die Flotte wieder langsam bis auf neun Schiffe. Schmuck sehen sie alle aus: von den glasverkleideten, stromlinienförmigen Salonschiffen „Gräfin Cosel“ und „August der Starke“ bis zur „Diesbar“, deren Dampfmaschine seit 1841 stampft und die damit den Rekord als weltweit dienstältester Flussdampfer hält. Die Weiße Flotte ist aber auch in Sachen Digitalisierung voll dabei: Fahrgäste genießen eine automatische, GPS-gesteuerte Streckenerklärung in mehreren Sprachen, Tickets werden online verkauft.
Die Dresdner lieben Kaffeefahrten auf ihren