und unzweckmäßiges Handeln. Ich bitte meine Klienten, diese Arbeitsblätter nach bestem Vermögen auszufüllen und zur ersten Sitzung mitzubringen. Ich erkläre ihnen, dass es auch dann sehr hilfreich ist, wenn sie nur ein paar Worte schreiben. Sie können diese Arbeitsblätter aber auch gemeinsam in der ersten Sitzung ausfüllen oder sie Ihren Klienten als »Hausaufgabe« mitgeben.
Wie viel von der Vorgeschichte erfassen wir?
Eine Anamnese kann wenige Minuten dauern, sie kann aber auch eine ganze Stunde in Anspruch nehmen, abhängig von der Situation. In dem Buch ACT in Practice (Bach & Moran, 2008) wird zum Beispiel empfohlen, sich eine ganze Sitzung Zeit zu nehmen, um die Vorgeschichte einer Klientin detailliert zu erheben und ihre Themen sorgfältig herauszuarbeiten. Andererseits muss in der Grundversorgung, bei der dem Therapeuten möglicherweise lediglich zwei bis drei Sitzungen zu je 15 oder 30 Minuten zur Verfügung stehen, die Anamnese sehr kurz sein (Robinson, 2008).
Die Botschaft lautet also auch hier wieder: Passen Sie die ACT Ihrer eigenen Arbeitsweise, Ihrem Stil und Ihrer Klientel an. Für die Anamnese können Sie jedes beliebige standardisierte Anamneseverfahren einsetzen. Dennoch ist Vorsicht geboten: Viele gängige Fragebögen messen Veränderungen bezüglich der Zahl und der Schwere von Symptomen, also die Form des Symptoms, aber keine Veränderungen bezüglich der psychischen Auswirkungen oder Einflüsse, also der Funktion des Symptoms. In der ACT gilt unser Interesse jedoch der Veränderung der Funktion und nicht der Form. Es ist also zwar nicht unbedingt notwendig, dass Sie ACTspezifische Beurteilungsverfahren wie den AAQ-II, den Akzeptanz- und Handlungs-Fragebogen (Acceptance and ACTion Questionnaire-II; Bond et al., 2011) einsetzen, sie können jedoch sehr hilfreich sein. In diesem Buch werde ich nicht weiter auf solche Messinstrumente eingehen. Bei Bedarf finden Sie eine breite Palette von Fragebögen in englischer Sprache unter www.contextualscience.org zum Download.
Ich gehe jetzt davon aus, dass Sie schon ein Verfahren für die Anamneseerhebung haben, daher gebe ich Ihnen im Folgenden ein paar Tipps, wie Sie das, was Sie schon tun, an die ACT anpassen können.
Acht Schlüsselbereiche der Anamnese
Wenn Sie zur Vorbereitung auf die Arbeit mit der ACT eine Anamnese erheben, gibt es acht Schlüsselbereiche, die zu berücksichtigen sind:
1. das oder die präsentierten Anliegen
2. erste Klärung von Werten
3. aktueller Lebenskontext
4. relevante Vorgeschichte
5. psychische Rigidität
6. motivierende Faktoren
7. psychische Flexibilität
8. Ressourcen des Klienten.
Kurze Anmerkungen zu jedem dieser Punkte.
1. Das präsentierte Anliegen
Sie sollten hier im Grunde die Informationen sammeln, die beim Punkt der Entscheidung unten und links stehen: die schwierige Situation oder die schwierigen Situationen, mit der oder mit denen die Klientin konfrontiert ist, die Gedanken und Gefühle, die sie im Griff haben, und ihre selbstzerstörerischen Verhaltensweisen, wenn sie so mit ihnen identifiziert ist. (Und beachten Sie: Sie müssen den Punkt der Entscheidung nicht verwenden; er ist nur ein Hilfsmittel, der der Erleichterung Ihrer Arbeit dient und den Sie nur verwenden, wenn Sie möchten.)
2. Erste Klärung von Werten
Als Teil unserer Geschichte sollten wir ein Gefühl für die Werte des Klienten bekommen. Manchmal ist es fast unmöglich, diese Informationen direkt zu bekommen, daher schauen wir in den Kapiteln 19 und 20 an, wie man das machen kann. Ein guter Anfangspunkt ist jedoch die Zielscheibe.
3. Aktueller Lebenskontext
Der aktuelle Lebenskontext umfasst Gesundheit, Medikation, Arbeit, die finanzielle Situation, Beziehungen, die soziale Situation, Familie, Kultur, den Lebensstil (das heißt Ernährung, Sport, Rauchen, Drogen und Alkohol), rechtliche oder finanzielle Probleme und so weiter. Wenn wir den aktuellen Lebenskontext betrachten, identifizieren wir äußere Barrieren (im Gegensatz zu psychischen Barrieren), ein reiches und volles Leben aufzubauen, wie Arbeitslosigkeit, körperliche Krankheiten und Armut. Diese machen wertebasiertes Problemlösen und Handlungsplanung erforderlich.
4. Relevante Vorgeschichte
ACT ist sehr auf die Gegenwart fokussiert, aber es ist wichtig, die Vorgeschichte zu erfassen, wo sie für aktuelle Probleme unmittelbar relevant ist. Insbesondere sollten wir von wichtigen Beziehungen (vergangenen und gegenwärtigen) wissen, und wie Klientinnen von ihnen beeinflusst wurden. So eine Geschichte kann besonders hilfreich für die Entwicklung von Selbstakzeptanz und positiver Selbstzuwendung sein.
5. Psychische Rigidität
Halten Sie nach den sechs Kernprozessen psychischer Rigidität Ausschau, die wir in Kapitel 2 beschrieben haben. Noch einmal: Dies sind Fusion (mit Gründen, Regeln, Wertungen, Vergangenheit und Zukunft), Erlebnisvermeidung, Werteferne, unzweckmäßiges Handeln, unflexible Aufmerksamkeit und Fusion mit den Selbstkonzepten. Verlassen Sie sich nicht allein auf Berichte von Klienten, achten Sie auf Verhalten dieser Art, wenn es spontan während der Sitzung erkennbar wird.
6. Motivierende Faktoren
Fangen Sie an, positive motivationale Faktoren zu identifizieren, zum Beispiel Ziele, Träume, Wünsche, Visionen und Werte. Und identifizieren Sie auch negative motivationale Faktoren, zum Beispiel Fusion mit Ratlosigkeit oder die verstärkenden Folgen problematischer Verhaltensweisen.
7. Psychische Flexibilität
Achten Sie auf Hinweise auf die sechs Kernprozesse psychischer Flexibilität: Werte, engagiertes Handeln, Defusion, Akzeptanz, flexible Aufmerksamkeit (Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment) und Selbst als Kontext. Verlassen Sie sich auch hier nicht allein auf Berichte der Klientinnen. Achten Sie auf so ein Verhalten, wenn es spontan während der Sitzung auftaucht.
8. Ressourcen des Klienten
Welche Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen und andere persönlichen Ressourcen hat die Klientin, die genutzt werden könnten? Welche äußeren Ressourcen könnte der Klient nutzen? An wen kann sich die Klientin wenden, um Hilfe, Unterstützung und Ermutigung zu bekommen?
In späteren Kapiteln werden Sie viele nützliche Fragen finden, die Sie stellen können, um diese Schlüsselbereiche der Anamnese noch differenzierter zu erfassen. Jetzt aber möchte ich zu einem äußerst wichtigen Thema kommen.
FESTLEGEN VON VERHALTENSZIELEN FÜR DIE THERAPIE
Was immer Sie tun, übergehen Sie nicht diesen Teil des Kapitels. Er ist enorm wichtig. Zahlreiche Themen, denen ich in der Supervision begegne, gehen auf einen Hauptirrtum zurück: Der Coach oder die Therapeutin hat es versäumt, Verhaltensziele für die Therapie zu formulieren. Verhaltensziele sind Ziele, bei denen es um »Tun« geht: Sie beschreiben, was Sie tun wollen. (Kurz zur Erinnerung: Verdecktes Verhalten ist psychisches Handeln: was wir in unserer inneren privaten Welt tun. Offenes Verhalten ist physisches Handeln: alles, was wir mit unserem physischen Körper tun.)
Um Verhaltensziele zu beschreiben, können wir fragen:
Wenn die Arbeit, die wir hier machen, erfolgreich ist:
• Was werden Sie anders machen?
• Was würden Sie dann anfangen zu tun? Womit würden Sie aufhören?
• Was werden Sie mehr und was werden Sie weniger tun?
• Inwiefern werden Sie sich selbst, andere, die Welt anders behandeln?
• Auf welche Menschen, Orte, Aktivitäten, Herausforderungen werden Sie zugehen? Womit werden Sie beginnen, was wieder aufnehmen? Womit werden Sie Kontakt aufnehmen, was werden Sie nicht mehr vermeiden? Wovor werden Sie sich nicht mehr zurückzuziehen? Was nicht mehr beenden? Wovon nicht mehr fernhalten?
Diese Fragen tendieren dazu, offene