sich mit ihren vertrauten Zofen Iras und Charmion ein und beging mit ihnen Selbstmord. Als Octavian in ihrem Brief den Wunsch las, sie neben Antonius zu bestatten, wusste er Bescheid und schickte schnell Boten, die aber Kleopatra schon tot in königlichem Gewand auf einem goldenen Bett liegend fanden, während ihre beiden Zofen im Sterben lagen. Auch Psylli genannte Schlangenbeschwörer, die ihr das Gift aussaugen sollten, konnten sie nicht mehr erwecken.“7
Nicht nur die Autoren der Antike (Plutarch, Cassius Dio), auch die Historiker von heute verweisen zumindest die Selbsttötung der letzten Königin vom Nil durch einen Schlangenbiss ins Reich der Legenden. Warum Kleopatra ihr Leben bis zum letzten Atemzug in dieser Art inszenierte, lässt sich aus der Perspektive der damaligen Zeit so erklären:
„Augustus zeigte bei seinem Triumphzug in Rom im Jahr 29 v. Chr. ein Bild Kleopatras, das sie mit zwei Schlangen darstellte. Damit erkannte er die in der Antike vorherrschende Version – Tod durch den Biss einer Schlange („aspis“) – offiziell an. Der Terminus „aspis“ bezieht sich auf die ägyptische Uräusschlange. Sie hatte symbolischen Charakter als Zeichen pharaonischer Herrschaft: Sie bedrohte die Feinde des Königs und stellte den Herrscher gleichzeitig unter den Schutz des Sonnengottes Re, dem sie ein heiliges Tier war. Dementsprechend trug die ägyptische Königskrone das Bild eines Doppeluräus. Der Biss einer solchen Schlange hätte nach ägyptischer Vorstellung nicht dem Erlangen von Unsterblichkeit gedient – denn die Ptolemäer8 galten schon zu Lebzeiten als Götter –, sondern er wäre für Kleopatra ein würdiger Tod gewesen.“9
Wie unwahrscheinlich diese Art der Selbsttötung ist, machen folgende Argumente schnell deutlich:
„Gegen einen Schlangenbiss spricht allerdings, dass man kein solches Reptil in Kleopatras Gemach fand, dass es schwierig ist, drei Menschen (Kleopatra und ihre beiden Zofen) durch eine Schlange beißen zu lassen, sowie dass ein Kobrabiss durchaus nicht schmerzlos ist und erst nach Stunden oder Tagen zum Tod führen kann. Am wahrscheinlichsten erscheint, dass Kleopatra Gift einnahm oder es sich injizierte, dass aber ihre engsten Vertrauten, darunter wohl ihr Arzt Olympos, auf ihren Wunsch die Schlangenbissversion verbreiteten, weil diese von religiösen Ägyptern als würdevollster und Legenden Vorschub leistender Tod ihrer Königin gesehen würde.“10
Welche Motive haben Kleopatra bei ihrer letzten Tat geleitet?
Ihr Geliebter Marcus Antonius hatte sich wenige Tage zuvor mit dem eigenen Schwert umgebracht. War ihr Herz gebrochen?
Wollte sie der Schande entgehen, als Gefangene im Triumphzug durch Rom geführt zu werden?
Hatte sie den Kampf um die Macht verloren?
Eine Niederlage im Kampf um die Macht sollte in den kommenden 2.000 Jahren für viele Krieger, Herrscher und Despoten immer wieder Grund genug sein, sich selbst umzubringen.
Das Leben und der Tod der letzten Pharaonin Ägyptens fasziniert bis heute Historiker genauso wie Schriftsteller, Maler, Musiker und Regisseure. Kleopatra hat es geschafft, nicht nur für ihre Zeitgenossen, sondern bis in die Gegenwart hinein als Mythos weiterzuexistieren. Durch ihren selbstbestimmten Tod wurde sie am Ende unsterblich.
Das Thema der „Unsterblichkeit“, die verschiedenen Bedeutungsinhalte und sehr unterschiedlichen, konträren Verständnisarten werden an anderer Stelle dieses Buches ausgeführt werden.
Der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio schließt seine Geschichte über Kleopatra mit den Worten:
„Sie gewann die beiden größten Römer ihrer Zeit für sich und wegen des dritten nahm sie sich das Leben.“11
Das antike Griechenland und Rom
Das antike Griechenland ist die Wiege der abendländischen Kultur. Im Schatten der Akropolis wurde der Samen des modernen Denkens gesät. Die Philosophen und Denker der hellenistischen Welt zeichneten die Koordinaten für Körper, Geist, Seele und Kosmos, die bis heute unser Weltbild bestimmen. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen über Leben, Tod und die Welt, an dem Punkt, an dem alle Koordinaten zusammenlaufen, steht der Mensch.
• Pythagoras
Pythagoras von Samos (570 v. Chr.–510 v. Chr.), einer der Begründer der griechischen Mathematik und Philosophie, war von einer Seelenwanderung und der Unsterblichkeit der Seele überzeugt. Seine Anhänger sprachen sich deutlich gegen die Selbsttötung aus. Ihrem Glauben nach war die menschliche Seele wegen einer Ursünde im Körper gefangen, um dort Sühne zu tun. Durch seinen selbst gewählten Tod entziehe sich der Mensch dieser von den Göttern auferlegten Buße und begehe so eine Gotteslästerung.
Dass Pythagoras sein Leben dann doch durch eigene Hand beendet haben soll, weil seine Glaubensgemeinde angegriffen worden war, ist unter Historikern bis heute umstritten.
• Sokrates
Der griechische Philosoph Sokrates (469 v. Chr.–399 v. Chr.) war einer der bedeutenden Denker des Abendlandes. Er gilt als der Begründer einer autonomen philosophischen Ethik. Eine der großen Fragen seiner Erkenntnislehre war: Wie führen das „Gute“ und die „Tugend“ zur Glückseligkeit?
Im Alter von 70 Jahren wird Sokrates wegen Missachtung der griechischen Götter und angeblich verderblichen Einfluss auf die Jugend angeklagt:
„Sokrates frevelt und treibt Torheit, indem er unterirdische und himmlische Dinge untersucht und Unrecht zu Recht macht und dies auch andere lehrt.“12
Die Ideen des Sokrates waren den Mächtigen ein Dorn im Auge. Der Philosoph verteidigte sich selbst vor einer Jury aus 501 Geschworenen:
„Laßt uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. (…)
Ist aber der Tod wiederum wie eine Auswanderung von hinnen an einen andern Ort, und ist das wahr, was gesagt wird, daß dort alle Verstorbenen sind – was für ein größeres Gut könnte es wohl geben als dieses, ihr Richter? Denn wenn einer, in der Unterwelt angelangt, nun dieser sich so nennenden Richter entledigt dort die wahren Richter antrifft, von denen auch gesagt wird, daß sie dort Recht sprechen, den Minos und Rhadamanthys und Aiakos und Triptolemos, und welche Halbgötter sonst gerecht gewesen sind in ihrem Leben – wäre das wohl eine schlechte Umwanderung? Oder auch mit dem Orpheus umzugehen und mit Musaios und Hesiodos und Homeros – wie teuer möchtet ihr das wohl erkaufen? Ich wenigstens will gern oftmals sterben, wenn dies wahr ist.“13
Unbeugsam in seiner Haltung, zog er sich die Ablehnung und den Zorn den Geschworenen zu und wurde zum Tod verurteilt.
Er hatte mehrfach die Gelegenheit zur Flucht. Aber er hatte das gegen ihn ausgesprochene Todesurteil als gültiges Fehlurteil mit großer Gelassenheit hingenommen. Bis zu dem Moment, wo er den Schierlingsbecher trank, diskutierte er mit seinen im Gefängnis anwesenden Freunden und Schülern philosophische Fragen.
Auch die Frage nach dem Recht auf Selbsttötung wurde besprochen. In Platons „Phaidon“ heißt es dazu:
„Nur Gewalt wird er sich doch nicht selbst antun; denn dies, sagen sie, sei nicht recht.
Und als er dies sagte, ließ er seine Beine von dem Bett wieder herunter auf die Erde, und so sitzend sprach er das übrige.
Kebes fragte ihn nun: Wie meinst du das, o Sokrates, daß es nicht recht sei, sich selbst Leides zu tun, daß aber doch der Philosoph dem Sterbenden zu folgen wünsche?
Wie, Kebes? Habt ihr über diese Dinge nichts gehört, du und Simmias, als ihr mit dem Philolaos zusammenwaret?
Nichts Genaues wenigstens, Sokrates.
Auch ich kann freilich nur vom Hörensagen davon reden; was ich aber gehört, bin ich gar nicht abgeneigt, euch zu sagen. Auch ziemt es sich ja wohl am besten,