Natur. Vielmehr fürchtete er eine Destabilisierung des Staatswesens. Arbeiter und Sklaven, die sich selbst in den Tod stürzten, waren schließlich für keinen mehr von Nutzen. Der volkswirtschaftliche Schaden war immens.
Über den Tod von Hegesias von Kyrene, über die Art und Weise, wie er aus dem Leben schied, ist nichts bekannt.
• Epikur
„Lebt wohl und erinnert euch an meine Lehren.“
Nach diesen letzten Worten an seine Schüler nahm der Philosoph Epikur (341 v. Chr.–270 v. Chr.) noch ein warmes Bad und trank dann den Kelch mit dem Gift.
Epikur lebte vor den Toren Athens in einem kleinen Haus mit Garten. Seine Schüler, die er hier unterrichtete, hießen im Volksmund „die Philosophen aus dem Garten“. Am Eingang zu Epikurs Garten war eine Inschrift angebracht:
„Freund, das ist ein guter Ort. Hier wird nichts mehr verehrt als das Glück.“
Das oberste Ziel von Epikurs Ethiklehre war das Erreichen und die Verstetigung des Glücks durch den Genuss jedes einzelnen Tages, jeden Augenblicks.
Ein bedeutender Unterschied zu den Hedonisten ist, dass die Lustmaximierung nach Epikur mit einer weisen Bedürfnisregulierung zu erreichen war. Eines der berühmtesten Zitate von Epikur in diesem Zusammenhang lautet:
„Nichts ist für den genug, dem das Genügende zu wenig ist.“20
Ein lustvolles Leben ist gleichzeitig ein Leben voller Einsicht. Aber ein einsichtiges Leben lässt sich gleichzeitig nur durch ein lustvolles Leben erreichen.
Um dieses Ideal, die vollendete Seelenruhe, die Ataraxie21, zu Lebzeiten zu erreichen, galt es, alle Gefährdungen des Seelenfriedens zu meiden oder zu überwinden. Als die drei Hauptgefahren sah Epikur die Begierde, den Schmerz und die Furcht. Bei der Furcht unterschied er vor allem die Furcht vor den Göttern und die Furcht vor dem Tod.
In seinen Briefen an Menoikeus heißt es dazu:
„Gewöhne dich daran zu glauben, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat. Denn alles, was gut, und alles, was schlecht ist, ist Sache der Wahrnehmung. Der Verlust der Wahrnehmung aber ist der Tod. Daher macht die richtige Erkenntnis, dass der Tod keine Bedeutung für uns hat, die Vergänglichkeit des Lebens zu einer Quelle der Lust, indem sie uns keine unbegrenzte Zeit in Aussicht stellt, sondern das Verlangen nach Unsterblichkeit aufhebt. (…) Das schauerlichste aller Übel, der Tod, hat also keine Bedeutung für uns; denn solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht da.“22
Epikur vertrat eine absolute Diesseitigkeit. Nach seiner Lehre löst sich mit dem Tod auch die Seele auf. Ebenso wie gegen die Furcht vor dem Tod sprach er sich deutlich gegen eine Gottesfürchtigkeit aus. Das Schicksal, das Leben gehört dem Menschen allein. Der Mensch lebt nicht für einen Gott, nicht für einen Staat, nicht für eine Kultur, sondern einzig und allein, um sein einmaliges Leben mit Glück zu erfüllen.
Trotz dieser obrigkeitsfeindlichen Lehren wurde Epikur nicht wie Sokrates von den Mächtigen seiner Zeit verfolgt, sondern nur verhöhnt und verachtet.
Epikur und Sokrates. Beide begehen Selbsttötung, beide in bester Stimmung, im Kreis ihrer Freunde. Sokrates war zum Tod verurteilt, Epikur litt an einer schweren Krankheit.
Aber Sokrates wie Epikur gestanden dem Menschen die Selbsttötung nur unter bestimmten Umständen und in bestimmten Situationen zu. Ähnlich war auch die Sicht der Stoiker.
• Zenon von Kition
Zenon von Kition (333 v. Chr.–264 v. Chr.) gilt als Begründer der Stoa. Er lebte und lehrte zur gleichen Zeit wie Epikur.
Seine Lehre, die Stoa, ist benannt nach einer alten Säulenhalle, die im antiken Athen auf der Agora (Markt) unterhalb der Akropolis stand. Hier versammelte Zenon sein Schüler um sich.
Seine Lehre sah den Mensch als Teil einer vom „göttlichen Logos“, von der „göttlichen Urkraft und Vernunft“ durchwebten und bestimmten Natur.
Sein Geist und sein Verstand geben dem Mensch die Möglichkeit, an diesem göttlichen Logos teilzuhaben und die „eudaimonia“, das seelische Glück, zu erreichen.
Dafür notwendige Voraussetzung ist, ein tugendhaftes, vernünftiges Leben zu führen, sich nicht von Begierden verleiten zu lassen. Den Schicksalsschlägen des Lebens solle man mit „stoischer Gelassenheit“ begegnen.
Ein Ideal in diesem Zusammenhang war das Erreichen der „Apatheia“, der „Abwesenheit von Affekten“. Durch die Kontrolle von Schmerz und Lust, durch die emotionale Selbstbeherrschung (Kontrolle der Affekte), werde der Stoiker die Apatheia und damit die Weisheit erlangen. Apatheia ist keinesfalls mit dem heutigen Begriff und Verständnis von Apathie gleichzusetzen.
Die Stoa lehrte aber auch, dass ein Mensch, der unheilbar krank oder schwer verletzt ist, kein vernunftmäßiges Leben mehr führen könne. Dann gebiete es der Logos, das Leben freiwillig zu beenden.
Zenon von Kition ging mit bestem Beispiel voran. Laut Überlieferung soll er sich selbst stranguliert haben, nachdem er gestürzt war und sich ein Bein gebrochen hatte.
• Lucius Annaeus Seneca
Die altstoische Schule des antiken Griechenlands hatte noch 300 Jahre später im kaiserlichen Rom zahlreiche Anhänger, die die philosophischen Gedanken der Stoa weiterentwickelten.
Einer der großen Meister der jüngeren Stoa war der Philosoph, Dramatiker und Staatsmann Lucius Annaeus Seneca (1 n. Chr.– 65 n. Chr.). Schon zu seinen Lebzeiten war er ein Superstar, einer der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Bekannt ist er bis heute auch als Lehrer und Erzieher von Kaiser Nero. Ein Wirken, das wohl nicht von Erfolg gekrönt war. Der Tyrann Nero bezichtigte seinen alten Lehrer, an einem gescheiterten Mordkomplott gegen ihn beteiligt gewesen zu sein, und befahl ihm, sich selbst zu töten. Mit stoischer Gelassenheit und ohne zu zögern kam Seneca dem Befehl nach.
Seine Sicht auf das Leben und die Selbsttötung beschreibt er sehr deutlich und ausführlich in seinem 70. Brief an seinen Freund Lucilius.
„Über den freiwilligen Tod
Nach langer Zeit habe ich dein Pompeji wiedergesehen. Ich fühle mich zurückversetzt in die Zeit meiner Jugend. Sie stand mir wieder vor Augen. Alles, was ich als Jüngling getan, es kam mir vor, als könnte ich es jetzt noch tun und als hätte ich’s erst eben getan. Wir sind am Leben vorübergeschifft, mein Lucilius, und wie bei einer Meeresfahrt unserem Vergil zufolge so haben wir im Verlauf der rastlos eilenden Zeit zuerst unsere Kindheit dahinschwinden sehen, sodann unsere Jünglingszeit, sodann die zwischen Jugendund Greisenalter liegende Zeit, die an beide grenzte, sodann die besten Jahre des Greisenalters selbst, und nun nähern wir uns der Grenze, die allen Menschen gesetzt ist. Wir halten sie für eine Klippe. Wir Toren! Ein Hafen ist sie, zuweilen erstrebenswert, niemals zu verschmähen. Wer in den ersten Lebensjahren dahin verschlagen wird, darf sich ebenso wenig beklagen wie der, welcher in schneller Fahrt dahin gelangte. Denn den einen hält, wie du weißt, das launenhafte Spiel der Winde zurück, ihn durch ihre ausgesuchte Trägheit bis zu völligem Überdruss ermüdend, während einen anderen eine immer frische Brise schnellstens ans Ziel bringt. Ebenso ergeht es uns: Die einen führt das Leben in raschem Verlaufe dahin, wohin sie auch bei zögerndem Schritte gelangen müssten, andere macht es mürbe und gar. Du weißt: Das Leben ist nicht wert, immer festgehalten zu werden; denn nicht das Leben an sich ist ein Gut, sondern nur das sittlich reine Leben. Daher lebt der Weise nicht, so lange er kann, sondern so lange die Pflicht es fordert. Er wird Umschau halten, mit wem und wie er leben wird und was er vornehmen wird, sein Sinnen und Denken geht nicht auf die Länge des Lebens sondern auf dessen Beschaffenheit. Tritt ihm viel Belästigendes und seine Gemütsruhe Störendes entgegen, dann wirft er die Fessel von sich, und er tut das nicht bloß in der äußersten Not, sondern sobald das Schicksal anfängt ihm verdächtig zu werden, geht er gewissenhaft mit sich zu Rate, ob er sofort ein Ende machen soll. Ihm kommt es nicht darauf an, ob er oder eine anderer sein Ende herbeiführe, ob es früher oder später eintrete. Er ist nicht in Furcht, als handle es sich um einen großen Verlust: an der Dachtraufe ist für