fragen, ob das, was wir tun, mit dem im Einklang steht, was wir wirklich wollen. Helfen meine alltäglichen Erziehungsmethoden wohl meinem Kind, zu dem Menschen heranzuwachsen, den ich mir wünschen würde? Trägt das, was ich gerade im Supermarkt zu meinem Kind gesagt habe, wenigstens ein bisschen dazu bei, dass es ein glücklicher, ausgeglichener, selbstständiger, ausgefüllter und so weiter Mensch werden kann – oder ist es möglich (schluck), dass die Art, wie ich mit solchen Situationen umgehe, ein solches Ergebnis weniger wahrscheinlich macht? Falls ja, was sollte ich stattdessen tun?
Wenn Sie es zu entmutigend finden, sich vorzustellen, was für Menschen Ihre Kinder in vielen Jahren vielleicht sind, denken Sie darüber nach, was Ihnen heute wirklich wichtig ist. Stellen Sie sich vor, Sie wären bei einer Geburtstagsfeier oder im Flur der Schule Ihres Kindes. Hinter einer Ecke stehen zwei andere Eltern, die nicht wissen, dass Sie da sind. Sie hören, wie die beiden über… Ihr Kind reden! Von all dem, was sie sagen könnten – worüber würden Sie sich am meisten freuen?1 Denken Sie einen Moment darüber nach, welches Wort oder welchen Satz Sie besonders gerne hören würden. Ich vermute – und hoffe –, dass es nicht der Satz wäre: „Mensch, dieses Kind tut alles, was man ihm sagt, und macht nie einen Mucks.“ Die entscheidende Frage ist, ob wir uns nicht manchmal so verhalten, als wäre es das, was uns am wichtigsten ist.
Vor fast fünfundzwanzig Jahren rezensierte eine Sozialpsychologin namens Elizabeth Cagan eine Reihe zeitgenössischer Erziehungsratgeber und kam zu dem Schluss, dass sie größtenteils eine pauschale Akzeptanz „elterlicher Vorrechte“ mit „kaum ernsthafter Berücksichtigung der Bedürfnisse, Gefühle oder der Entwicklung eines Kindes“ widerspiegelten. Die vorherrschende Grundannahme, fügte sie hinzu, sei offenbar die, dass die Wünsche der Eltern „automatisch legitim“ seien und man daher nur über die Frage diskutieren müsse, wie man Kinder dazu bewegen könne, all das zu tun, was man ihnen sage.2
Leider hat sich seitdem nicht viel geändert. Jedes Jahr werden in den Vereinigten Staaten mehr als hundert Erziehungsbücher veröffentlicht,3 außerdem zahllose Artikel in Elternzeitschriften, und die meisten sind voller Ratschläge, wie man Kinder dazu bringen kann, unsere Erwartungen zu erfüllen, wie man ihr Verhalten steuern kann, wie man sie dressieren kann, als ob es Haustiere wären. Viele dieser Ratgeber enthalten auch aufmunternde Worte über die Notwendigkeit, Kindern Paroli zu bieten und unsere Macht durchzusetzen – und in manchen Fällen werden jegliche Zweifel, die wir angesichts dessen haben mögen, explizit für unnötig erklärt. Diese Tendenz spiegelt sich sogar in den Titeln jüngst erschienener Bücher wider: Keine Angst vor Disziplin; Eltern haben die Zügel in der Hand; Eltern an der Macht; Die Macht in die Hand nehmen; Zurück an der Macht; Disziplin für Ihr Vorschulkind – ohne schlechtes Gewissen; Weil ich die Mama bin – darum; Das Steuer in die Hand nehmen; Erziehung ohne Schuldgefühle; „Die Antwort lautet Nein“ und so weiter.
Einige dieser Bücher verteidigen altmodische Werte und Methoden („Dir wird der Hintern ganz schön wehtun, wenn dein Vater nach Hause kommt“), während sich andere für neumodische Verfahren einsetzen („Gut gemacht! Du hast Pipi ins Töpfchen gemacht, Schatz! Jetzt kannst du deinen Aufkleber haben!“). Doch in keinem Fall fordern sie uns auf, uns zu vergewissern, ob das, was wir von unseren Kindern verlangen, auch vernünftig – oder in ihrem Interesse – ist.
Wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, enthalten viele dieser Bücher Vorschläge, die sich als, sagen wir mal, nicht sonderlich hilfreich erweisen, auch wenn sie bisweilen mit Hilfe absurd unrealistischer Eltern-Kind-Dialoge, die zeigen sollen, wie gut sie funktionieren, veranschaulicht werden.4 Zwar kann es frustrierend sein, über Methoden zu lesen, die sich als unwirksam erweisen, doch es ist viel gefährlicher, wenn in Büchern überhaupt nicht die Frage gestellt wird, was wir eigentlich unter „wirksam“ verstehen. Wenn wir uns keine Gedanken über unsere Ziele machen, haben wir nichts weiter als Praktiken, die nur dazu dienen sollen, Kinder dazu zu bewegen, zu tun, was man ihnen sagt. Das heißt, wir konzentrieren uns nur darauf, was für uns am bequemsten ist, nicht darauf, was sie brauchen.
Noch ein Wort über Erziehungsratgeber: Der Rat, den die meisten von ihnen geben, beruht nur auf der willkürlichen Meinung des Autors, illustriert durch sorgfältig ausgesuchte Anekdoten, die seine Sichtweise stützen. Selten wird überhaupt erwähnt, was Forschungen über die betreffenden Themen zu sagen haben. Ja, es ist möglich, das Erziehungsregal in Ihrer örtlichen Buchhandlung Titel für Titel durchzugehen, ohne überhaupt zu merken, dass es eine bedeutende Menge wissenschaftlicher Studien über verschiedene Erziehungsmethoden gibt.
Ich weiß, manche Leser sind skeptisch, wenn behauptet wird, „Studien zeigten“, dies und das sei wahr, und das ist auch verständlich. Erstens sagen Menschen, die mit solchen Sätzen um sich werfen, oft nicht, von welchen Studien sie eigentlich reden, geschweige denn, wie sie durchgeführt wurden oder wie signifikant ihre Ergebnisse waren. Und zweitens stellt sich wieder diese vertrackte Frage: Wenn ein Forscher behauptet, er habe bewiesen, es sei wirksamer, seinem Kind gegenüber x zu tun als y, möchten wir ihn sofort fragen: „Was genau verstehen Sie unter wirksam? Meinen Sie, dass es Kindern in psychischer Hinsicht besser geht, wenn man x tut? Führt x dazu, dass sich die Kinder mehr Gedanken darüber machen, welche Auswirkungen ihr Handeln auf andere Menschen hat? Oder ist bei Anwendung von x einfach nur die Wahrscheinlichkeit, blinden Gehorsam zu erreichen, größer?“
Manche Experten und auch manche Eltern scheinen sich nur für diese letzte Frage zu interessieren. Eine erfolgreiche Strategie ist nach ihrer Definition alles, was Kinder dazu bringt, Anweisungen zu befolgen. Ihre Sicht beschränkt sich mit anderen Worten darauf, wie Kinder sich verhalten, ohne zu berücksichtigen, was sie empfinden, wenn sie einer bestimmten Aufforderung nachkommen sollen, oder was sie über denjenigen denken, dem es gelungen ist, sie zum Befolgen der Anweisung zu bewegen. Dies ist eine recht zweifelhafte Weise, den Wert elterlichen Eingreifens zu beurteilen. Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich selbst Erziehungsmethoden, die zu „wirken“ scheinen, oft als sehr viel weniger erfolgreich herausstellen, wenn man sinnvollere Kriterien anlegt. Die Festlegung des Kindes auf ein bestimmtes Verhalten ist oft nur oberflächlich, und das Verhalten ist daher von kurzer Dauer.5
Doch das ist noch nicht alles. Das Problem liegt nicht nur darin, dass uns viel entgeht, wenn wir unsere Strategien nur danach beurteilen, ob sie Kinder dazu bringen, uns zu gehorchen, sondern auch darin, dass Gehorsam selbst nicht immer wünschenswert ist. Es gibt so etwas wie zu gutes Benehmen. In einer Studie etwa wurden Kleinkinder in Washington, D.C., beobachtet, bis sie fünf Jahre alt waren, und es wurde festgestellt, dass „häufige Fügsamkeit manchmal mit Verhaltensstörungen assoziiert“ war. Umgekehrt könne ein gewisses Maß an Widerstand gegen die elterliche Autorität ein „positives Zeichen“ sein. Andere Psychologen schildern im Journal of Abnormal Child Psychology ein beunruhigendes Phänomen, das sie als „zwanghafte Fügsamkeit“ bezeichneten und bei dem Kinder aus Angst vor ihren Eltern alles tun, was man ihnen sagt – sofort und ohne nachzudenken. Auch viele Therapeuten haben sich zu den emotionalen Folgen eines exzessiven Bedürfnisses, Erwachsenen zu gefallen und zu gehorchen, geäußert. Sie weisen darauf hin, dass Kinder mit auffallend gutem Benehmen tun, was ihre Eltern von ihnen wollen, und das werden, was sich ihre Eltern von ihnen wünschen – jedoch oft um den Preis, dass sie ein Gefühl für sich selbst verlieren.6
Man könnte sagen, dass Disziplin Kindern nicht immer hilft, Selbstdisziplin zu entwickeln. Doch selbst dieses zweite Ziel ist nicht immer so ausschließlich positiv, wie man denkt. Es ist nicht unbedingt besser, Kinder dazu zu bewegen, unsere Wünsche und Werte zu verinnerlichen, so dass sie auch dann, wenn wir nicht in der Nähe sind, tun, was wir wollen. Verinnerlichung – oder Selbstdisziplin – fördern zu wollen, kann auf den Versuch hinauslaufen, das Verhalten von Kindern per Fernsteuerung zu lenken. Das ist nur eine stärkere Form von Gehorsam. Schließlich ist es ein großer Unterschied, ob ein Kind etwas tut, weil es glaubt, es sei richtig, dies zu tun, oder ob ein Kind etwas nur aus Pflichtgefühl tut. Dafür zu sorgen, dass Kinder unsere Werte verinnerlichen, ist nicht dasselbe wie ihnen zu helfen, eigene Werte zu entwickeln.7 Und es ist genau das Gegenteil von dem Ziel, dass Kinder selbstständig denken sollen.
Die meisten von uns, davon bin ich überzeugt, wünschen sich tatsächlich, dass unsere Kinder