obwohl das ein Paradox ist, weil die Körperhaltung beim Fahren keineswegs nackenfreundlich ist. Dorothea braucht das Luftholen auf dem Gipfel eines Berges und schon ziehen sich ihre Unterleibsschmerzen zurück. Holger muss nur die Idee vom Urlaub im Kopf haben, damit er sich besser fühlt, und Claudia reist so oft wie möglich ans Mittelmeer, weil sie dort frei von entzündlichen Gelenkbeschwerden ist.
Falls Sie solche Effekte kennen, liegt es tatsächlich nahe, dass Sie diese für das Schmerzprogramm nutzen. Unter Umständen kann das veränderte Umfeld zusammen mit den Impulsen der Übungspraxis sogar schon der Startschuss für eine dauerhafte Schmerzlösung sein. Ein großer Teil der Vorarbeit entfällt hier, weil Sie das Gehirn auf organische Weise in einen anderen „Arbeitsmodus“ hineinführen.
Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass eine Auszeit von vier Wochen nicht für jeden machbar ist. Sehen Sie hier, wie einige meiner Klienten dieses private „Sabbatical“ geregelt haben. Werden Sie ein wenig erfinderisch, wenn Sie an Optionen für das Schaffen von Freiräumen basteln!
Schmerzlösung live
Olivia
wusste sehr genau, dass sie die Schmerzkur niemals zu Hause machen konnte. Die Kinder würden sie abhalten, ihr Mann würde an dem Aufwand zweifeln und das Telefon unentwegt klingeln. Deshalb quartierte sich Olivia in das Wochenendhaus ihrer Freundin ein. Während der Woche teilten sich ihre Mutter und ihr Mann die Versorgung der Kinder, am Wochenende fuhr sie nach Hause und brachte alles spielend, weil ausgeruht, unter einen Hut. Olivia genoss ihre persönliche „Retreatzeit“ so sehr, dass sie sich schwor, sich solche Freiräume öfter zu organisieren.
Tommy
fürchtete, zu Hause zu vielen Ablenkungen ausgesetzt zu sein. Der Fernseher ziehe ihn magisch an und am Computer vergesse er sich definitiv, wenn er sich bei Facebook einlogge und in die „News Feed“ vertiefte. Deshalb folgte er seinem Empfinden und zog sich nach der Arbeit auf sein Segelboot zurück. Er genoss seine Zeit allein so sehr, dass er dies noch viele Male wiederholte und das Beobachten des Sonnenuntergangs am See auch nach Abschluss des Programms in seinen Tagesausklang einbezog.
Jutta
hatte als Leiterin eines vierzigköpfigen Werbeteams viele Verpflichtungen. Am liebsten wäre sie nach Timbuktu gereist, um ausschließlich für sich selbst da zu sein und ihrem Spannungskopfschmerz endlich „ade!“ zu sagen. Doch sie wusste, wie unrealistisch das war. Sie sprach aber im Vorfeld des Programms mit ihrem Chef ab, dass sie während dieses Monates keine Überstunden machen und auch nicht für zusätzliche Außentermine zur Verfügung stehen würde. Jutta musste sich zu diesem Schritt regelrecht überwinden, profitierte von diesem aber weit über das Schmerzprogramm hinaus.
An diesen Beispielen sehen Sie nicht nur, dass es verschiedene Wege und Lösungen gibt, um das richtige Klima für das Schmerzprogramm zu kreieren, sondern auch, dass Sie mit einer durchdachten Vorbereitung bereits die Segel für das Danach setzen.
Intervention mit Heimvorteil
Doch es gibt auch Effekte, die gegen einen Ortswechsel sprechen. Falls Sie Lust zum Verreisen bekommen haben, vergewissern Sie sich im Voraus, dass Ihre Reise nicht denselben Kurzzeiteffekt hat, der bei zahlreichen Urlauben, Retreats und Kuraufenthalten greift: Während der Reise ist alles bestens, Sie erholen sich und fühlen sich wohl. Doch sobald Sie Ihren Fuß wieder auf heimischen Boden setzen, bewegt sich der Erholungseffekt innerhalb weniger Tage in Richtung null. So schnell, wie Sie es gar nicht nachvollziehen können, stecken Sie in den alten Gewohnheiten wieder drin.
Falls Sie diesen Effekt kennen und von sich wissen, dass die Nachhaltigkeit Ihrer Reisen ein kurzfristiges Enddatum hat, spricht das definitiv für das Absolvieren des Schmerzprogramms in Ihrem gewohnten Umfeld. Anstatt sich aus diesem herauszuziehen, machen Sie Ihre Erfahrungen bewusst mittendrin in Ihrem realen Alltag. Dann werden die letzten Programmtage auch nicht von der Voraussicht überschattet, dass bald, wenn das normale Leben einsetzt, doch wieder alles beim Alten ist.
Entscheidungsbedarf
Kommen wir zur Entscheidungsfindung. Schauen Sie sich Ihren Schmerz jetzt vor dem Hintergrund Ihrer persönlichen Lebenssituation an: Welches „Klima“, welche „Atmosphäre“ brauchen Sie, damit Ihr Programm die größtmögliche Aussicht auf Erfolg hat? Bleiben Sie zu Hause? Oder fahren Sie lieber weg? Wäre eine Zwischenlösung hilfreich, die beide Vorteile miteinander vereint?
Am besten ist es, wenn Sie gar nicht lange darüber nachgrübeln, sondern kurz in sich hineinhören und derjenigen Antwort folgen, die Ihnen spontan in den Sinn kommt. Was immer Sie entscheiden, im Mittelpunkt steht, dass Ihre Entscheidung auf Realitätsnähe basiert und sich gleichzeitig gut und richtig anfühlt.
Zeit für sich
Ihre „Me-time“ konkret
Hier ein kurzer Vorausblick zur Intensität des Programms: An jedem Programmtag planen Sie mindestens zwei halbe Stunden Extrazeit ein, von denen die zweite halbe Stunde am Abend liegen sollte, damit Sie den zurückliegenden Tag reflektieren können. Am Morgen brauchen Sie mindestens ein paar Minuten, um sich die Tagestheorie und die Tagesbeobachtung durchzulesen. Falls das für Sie völlig ausgeschlossen ist, weil Sie ein Morgenmuffel oder ein notorischer Zu-spät-Aufsteher sind, können Sie sich aber auch schon am vorherigen Abend auf den nächsten Tag einstimmen.
Darüber hinaus sollten Sie tagsüber etwas Spielraum für sich haben, damit sich ein achtsamer Umgang mit sich selbst auch im Alltag etabliert. Sie können Ihre Arbeit, Ihre Freizeitaktivitäten, Ihre Vorhaben und Hobbys genauso organisieren wie bisher, nur wäre währenddessen ein wenig mehr „Luft“ oder Spielraum gut, damit Sie neuen und aktualisierten Bedürfnissen auch folgen können.
Vielleicht wird Ihnen jetzt erst bewusst, dass das Schmerzprogramm etwas Besonderes, „Ihre“ persönliche Zeit, und wenn Sie so wollen, ein Investment in Sie selbst ist. Anstatt in Aktien, Autos, Häuser oder Grundstücke zu investieren, stecken Sie hier Ihre Energie in Ihr Leben, in Ihre Gesundheit und in sich selbst. Und dabei knausern Sie bitte nicht! Seien Sie großzügig und investitionshungrig. Ich bin mir sicher, dass diese Art Investition Ihnen sehr gut bekommen wird.
Investitionsmangel erkennen
Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass damit noch ganz andere Implikationen ins Spiel kommen können. Ich habe einige Klienten kennengelernt, die gezielte Schritte zur Schmerzlinderung nicht wahrnahmen, weil sie hinsichtlich ihrer Investitionen mit ihrer Zeit geizten oder sich nicht imstande fühlten, innerhalb ihres Alltags Extraraum für sich freizuschaufeln. Stattdessen widmeten sie ihre volle Aufmerksamkeit jemand anderem, den sie pflegten, beaufsichtigten, betreuten oder dem sie sich verpflichtet fühlten.
Während der Vorbereitung des Buches habe ich mir die Anamnesen Schmerzbetroffener unter diesem Aspekt noch einmal angesehen. Ich war selbst erstaunt, als ich sah, dass die Hälfte der Menschen, die sich aus Schmerzgründen bei mir vorgestellt hatten, die Bedürfnisse anderer ganz oder teilweise über die eigenen stellten. Fünfzig Prozent! Viele von ihnen gaben dies als Grund dafür an, dass sie bestimmte therapeutische Maßnahmen, Aufgaben oder Bewusstheitsübungen, die ich ihnen empfahl, vernachlässigten oder negierten. Während sie andere Menschen umsorgten, betreuten oder verwöhnten, fanden sie keine Viertelstunde für sich selbst.
Schmerzlösung live
Thea
litt unter schubweisen Rückenschmerzen. Doch diese standen nicht im Mittelpunkt ihrer Heilungsversuche. Hauptsächlich kümmerte sie sich um ihren depressiven Partner, der ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Sie habe deshalb keine Zeit für Eigenübungen. Auch kürzere Aufgaben im Alltag, die keine Extrazeit verlangten, seien ausgeschlossen. Selbst wenn sie unterwegs war, rief sie ihren Mann viele Male an und erkundigte sich nach seinem Befinden. Wenn er nicht ans Telefon ging, wurde sie sofort von schlechtem Gewissen geplagt, weil sie glaubte, nicht genügend für ihn da zu sein.
Nach einem Moment der inneren Einkehr wurde Thea bewusst, dass ihr Körper mit der Zeit immer schmerzempfindlicher geworden war und ihre Bandscheibenvorfälle nicht mehr alle zwei Jahre, sondern zweimal jährlich auftraten.