Ihre Schmerzen lösten sich erst, als ihr Partner eine Tagesbetreuung erhielt und sie sich täglich eine dreißigminütige Auszeit nahm.
Ilona
weigerte sich, während der Sitzungen das Handy auszuschalten, weil ihr Vater eventuell anrufen könnte. Wie häufig er das pro Tag tue, fragte ich sie. „Nicht so oft …“, Ilona überlegte: „So … einmal im halben Jahr.“ Doch ausschalten könne sie das Handy trotzdem nicht. Sie wolle nicht die Schuld tragen, wenn ihm etwas passiere. Ilona stand permanent unter Strom. Als sie ihr Handy erstmals auf „lautlos“ stellte, saß sie stocksteif vor mir und hielt den Atem an. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass sich ihr Schmerz wie ein Wahnsinniger benahm.
Ich habe dieses Thema des „Für-sich-Daseins“ nicht ohne Grund so ausführlich thematisiert. Es ist tatsächlich nicht für jeden Menschen selbstverständlich, sich selbst gegenüber aufmerksam zu sein und die eigenen Bedürfnisse zu stillen. Bei nicht wenigen Schmerzerfahrenen spielt dieses Geschehen eine maßgebliche Rolle. Sie rangieren in der Reihenfolge der Wertigkeiten ihres Lebens grundsätzlich auf Platz zwei, fünf oder zehn.
Auch wenn die von mir angegebenen Zahlen wissenschaftlichen Standards nicht genügen, sind es ernstzunehmende Beobachtungen, die im Vorfeld des Schmerzprogramms durchaus die Frage rechtfertigen, ob in Ihrem Alltagsleben genügend Zeit und Freiraum für das Schmerzprogramm vorhanden ist. Es wäre schade, wenn Sie das Programm beginnen würden, es aber entweder nur halbherzig durchführen könnten oder es sogar abbrechen müssten, weil Ihnen alles über den Kopf wächst.
Die Fallhöhe
Falls Ihnen diese Szenarien bekannt vorkommen, das Schmerzprogramm aber dennoch attraktiv für Sie ist, steht an dieser Stelle für Sie ein wenig Klärungsarbeit an. Vielleicht können Sie zeitweilige Hilfe organisieren oder andere Arrangements treffen. Möglicherweise ist es sowieso längst an der Zeit, umzudenken. Und ganz nebenbei: Es ist ja niemandem geholfen, wenn Sie als betreuende, therapierende, versorgende Person selbst unter Schmerzen leiden und am Ende Ihrer Kräfte sind. Aus der Nähe betrachtet, können Sie nicht wirklich hilfreich für einen anderen Menschen sein, wenn Ihre Anspannung hoch, Ihr Stresspegel bedenklich und Ihr Schmerz im Kriegszustand ist.
Die anstehende Entscheidungsfindung können Sie auch dazu nutzen, im Vorfeld zu prüfen, ob Ihr Schmerz sogar durch einschlägige Umstände ausgelöst, verstärkt oder sogar chronisch geworden ist. In einem solchen Fall scheint es ohnehin an der Zeit, dass Sie vor Beginn des Schmerzprogramms aktiv werden. Denn: Kein Schmerzprogramm der Welt und schon gar nicht das „Mittel Meditation” hat die Kraft, gegen Schmerzkatalysatoren wie diese anzutreten. Setzen Sie deshalb vor dem Programmbeginn unbedingt Prioritäten. Stellen Sie sicher, dass Sie mindestens für dreißig Tage im Mittelpunkt Ihrer Aufmerksamkeit stehen.
Erste Bilanz
Fassen Sie nun zusammen, wie weit Sie gekommen sind: Als Erstes setzen Sie den großen Rahmen für das Absolvieren des Programms und klopfen ab, ob es Ihnen möglich ist, mindestens einen Monat lang vorrangig für sich selbst da zu sein. Wenn Sie das bejahen, legen Sie fest, ob Sie Ihr Schmerzprogramm in Ihrer gewohnten Umgebung oder an einem anderen Ort absolvieren möchten. Hier wäre auch eine Kombination aus beidem möglich, indem Sie das Schmerzprogramm anderswo beginnen, um sich in die Abläufe einzuschleichen, den verbleibenden Teil aber zu Hause beenden. Ich bin mir sicher, dass Sie bereits beim Lesen bemerkt haben, zu welcher Variante Sie sich hingezogen fühlen.
Das richtige Timing
Leicht ist richtig
Sobald Sie die Rahmenbedingungen für das Programm geklärt haben, schließen Sie die konkrete Zeitplanung an. Werfen Sie zunächst einen Blick in Ihren Kalender. Vielleicht ergibt sich beim bloßen Hinsehen bereits das günstigste Zeitfenster. Das kann eine Phase sein, in der Sie nur wenige verbindliche Termine notiert haben oder Ihnen aufgrund bestimmter beruflicher Planungen eine lockere Zeiteinteilung gelingt. Spüren Sie Zeiträume auf, in denen Sie keine größeren Ereignisse, Verpflichtungen oder fordernde Events vorgesehen haben. Sehen Sie hier, was es alles zu bedenken geben kann.
Berufliches: Vergewissern Sie sich, dass Sie keine beruflichen Spitzenprojekte vor sich haben, bei denen Sie uneingeschränkt funktionieren müssen, weil extreme geistige oder körperliche Herausforderungen oder besondere energetische Strapazen auf Sie zukommen. Wenn Sie auf Dienstreisen sind, womöglich Langstreckenflüge zu bewältigen haben und von sich wissen, dass Ihnen der Jetlag jedes Mal zu schaffen macht, wäre diese Zeitspanne ebenso mit einem Fragezeichen zu versehen.
Stressiges: Wenn Sie wissen, dass Ihre „Rechte Hand“ im Büro im Urlaub ist und Sie erfahrungsgemäß mehr Arbeit übernehmen müssen, sodass Überstunden selbstverständlich sind, wäre das ebenfalls ein fragwürdiger Moment für einen Start. Wenn Sie vor einer wichtigen Prüfung stehen, eine Magisterarbeit oder Dissertation vorbereiten, auf extreme mentale Aufgaben zusteuern oder in einem eng getakteten Projekt stecken, für das es eine druckerzeugende „Deadline“ gibt, lassen Sie diese Herausforderungen erst einmal vorübergehen und steigen Sie danach ein.
Medizinisches: Wenn Sie bereits eine Reihe ärztlicher oder therapeutischer Termine im Kalender notiert haben, die Sie einhalten wollen und müssen, könnte sich auch das ungünstig, weil ablenkend auf den Verlauf auswirken. Ein eng gestrickter Physiotherapie- oder Massageplan beispielsweise verträgt sich nicht ganz mit der Strategie des Schmerzprogramms. Die Reaktionen auf die Impulse vermischten sich und wären weder für Sie noch für Ihren behandelnden Therapeuten nachvollziehbar. Klopfen Sie das Vorgehen auf Einheitlichkeit ab.
Familiäres: Wenn Sie wissen, dass Sie zu bestimmten Zeiten mehr Aufmerksamkeit für familiäre Verpflichtungen aufbringen werden und sich diesen weder entziehen möchten noch können, dann ist das sicherlich nicht die günstigste Zeit für eine Wende Ihrer neuronalen Gewohnheiten. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Sie Gäste haben, den hundertsten Geburtstag Ihrer Großmutter oder die Hochzeit Ihrer Tochter organisieren, das Kind Ihrer Schwester regelmäßig am Abend babysitten oder beim Hausbau Ihres Bruders helfen. Prüfen Sie außerdem, ob hier eine Hinwendung zu sich selbst realistisch ist.
Aktuelles: Es macht ebenso wenig Sinn, das Programm in Zeiten zu legen, wenn Sie von vornherein wissen, dass dann zu viel anliegen wird. Beispielsweise wusste einer meiner Münchener Klienten ganz genau, dass es keine gute Idee wäre, den Körper während des Oktoberfestes mit neuen neuronalen Impulsen bekannt zu machen. Christine war klar, dass sie ab Mitte Dezember Weihnachtsfeiern, ausgiebigen Einkaufsbummeln und Fahrten zu Weihnachtsmärkten den Vorrang geben würde, ganz zu schweigen von den Feiertagen. Ulrich wusste, dass die Winterzeit, wenn er an jedem Wochenende auf die Skipiste fuhr, der ungünstigste Zeitpunkt für außerordentliche Veränderungen wäre.
Schauen Sie also mit diesen Anregungen und Ihren Gewohnheiten im Hinterkopf in Ihren Kalender und filtern Sie die günstigste Zeit heraus. Gestalten Sie den Beginn leicht!
Unvorbereitetes
Ein Blick vorweg: Falls ein ungeplanter Zwischenfall eintreten sollte, nachdem Sie das Programm begonnen haben, gibt es natürlich verschiedene Alternativen: Wenn Sie in der ersten Hälfte des Programms unerwartet stark beansprucht sind und plötzlich nur wenig Raum für Ihre Experimente bleibt, können Sie es natürlich abbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt neu beginnen. Fällt ein solches unvorhergesehenes Ereignis in die zweite Hälfte, sind Sie möglicherweise schon ganz gut im Geschehen drin. Dann ziehen Sie Bilanz, pausieren Sie und steigen Sie später mit den Aufgaben der bereits begonnenen Woche wieder ein. Eine solche zeitweilige Unterbrechung sollte allerdings sieben Tage nicht überschreiten. Tut sie es doch, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Ihnen der Zusammenhang verloren geht und der unmittelbare Effekt erlischt.
Es bedeutet nicht das Ende der Welt, wenn Sie mit dem Programm temporär pausieren. Nur weiß ich aus Erfahrung eines sehr genau: Je mehr Sie hin und her lavieren, je mehr Sie sich das Aufschieben oder „Verhandeln“ als Option offenhalten, desto mehr verwässern Sie Ihr inneres Engagement. Sie berauben sich Ihrer eigenen Kräfte, die in das Programm fließen, und ziehen den „Saft“ aus der Übungspraxis heraus.
Wesentlich einfacher ist das