von Kaneš, indem zwei in ihren Funktionsbereichen vergleichbare Götter in zeitlich unterschiedlicher Verteilung auftauchen, wobei die Ursache für diese unterschiedliche Verteilung nicht geklärt ist. Auch die Darstellungen auf Siegeln des so genannten »anatolischen Typs« aus Kaneš stellen anscheinend unterschiedliche Wettergottheiten dar, wobei Wettergottheiten häufiger als andere Götter dargestellt sind. Oft ist der Wettergott gemeinsam mit seinem Symboltier, einem Stier, dargestellt, dessen Zügel er manchmal hält, oder der Gott steht auf einem Berg. Andere Siegelabdrücke zeigen einen Wettergott gemeinsam mit einem bewaffneten Gott auf einem Stier.54 Genauso darf man wohl auch die Rhyta in Form eines Stierkopfs mit dem Kult des Wettergottes verbinden.55
Von einer Reihe von weiteren Göttern, die in den altassyrischen Texten genannt sind, sind uns kaum mehr als die Namen bekannt:56 Aškašepa (nur in kārum Ib belegt), Ḫariḫari (nur in II), Ḫigiša, Ilali (nur in II), Ilaliyanta (nur in Ib), Kubabat, Nisaba, Parka (nur in II), Peruwa (nur in II), Tuḫtuḫani. Welche vorsichtigen religionsgeschichtlichen Rückschlüsse kann man daraus ziehen? Einige Götter sind bisher nur aus den Kültepe-Texten bekannt, wobei wir keine verlässlichen Aussagen machen können, weshalb sie uns in späterer Zeit nicht mehr fassbar sind. Denn in hethitischen Texten sind von diesen Göttern nur noch Aškašepa, Ilali, die Ilaliyant-Gottheiten, Kubaba, Nisaba, Parka und Pirwa bezeugt. Dass Parka und Peruwa in kārum Ib bisher nicht nachweisbar sind, dürfte dabei nicht auf religionsgeschichtliche Veränderungen, sondern eher auf die schlechte Beleglage in kārum Ib zurückzuführen sein, wobei Pirwa noch in hethitischen Texten mit Kaneš verbunden ist (vgl. KUB 56.54 ii 4’-8’). Ein hethitischer Inventartext (KUB 38.4) beschreibt den Gott Pirwa der Stadt Šippa, der auf einem Pferd steht, so dass man diese Beschreibung für die Deutung einer Gussform aus kārum Ib heranziehen kann, auf der ein Gott, der auf einem Equiden oder Esel steht, abgebildet ist. Hinter dem Tier ist eine Göttin abgebildet.57 Parka – sowie Annā – sind aus Texten hethitischer Zeit jedoch im luwischen Milieu verankert, das westlich von Kaneš zu lokalisieren ist. Auch Ilali und die Ilaliyant-Gottheiten sind nach der Zeit der assyrischen Handelsniederlassungen im luwischen Bereich58 nachweisbar. Kubaba hingegen ist keine »hethitische« Göttin in Kaneš, sondern stammt ursprünglich aus dem nordsyrischen Raum, wahrscheinlich aus dem Bereich von Alalaḫ.59 Eventuell kann man Darstellungen einer Göttin auf kappadokischen Siegeln, die von einem Vogel, vielleicht einer Taube, begleitet ist, als Abbildung von Kubabat interpretieren.
3.2 Das Verhältnis der Gottheiten der kārum-zeitlichen Texte zur Götterwelt der hethitischen Zeit und des luwischen Gebietes
Diese geraffte Bestandsaufnahme führt zu folgendem Ergebnis: Das »Pantheon« der anatolischen (hethitischen) Götter von Kaneš ist nach dem Zeugnis der Kültepe-Texte einerseits »frei« von Einflüssen aus dem nördlichen hattischen Bereich bzw. derjenigen Götter, die wir in hethitischen Texten den Hattiern zuweisen können. D. h. die »Verteilung« bzw. das Weiterleben der Götter aus Kaneš bestätigt die vorhin erwähnte Grenzziehung, derzufolge die Hattier im 19. und 18. Jahrhundert innerhalb des Halysbogens lebten, während die Hethiter in Kaneš auf das Gebiet südlich des Kızılırmak beschränkt waren. Dadurch müssen wir für diese Zeit von getrennten religiösen Vorstellungen entsprechend der verschiedenen Siedlungsgebiete (und der ethnisch-sprachlichen Differenzierung) ausgehen.
Während dabei die Abgrenzung zwischen hattischen (»nördlichen«) und kanesischen (»südlichen«) Gegebenheiten einigermaßen klar ist, ist eine Differenzierung zwischen hethitischen und luwischen Vorstellungen weniger deutlich. Denn neben den eigenständig genannten Göttern in den altassyrischen Texten liefern auch die theophoren Personennamen dieser Texte Einblick in die religiöse Situation. Sichere luwische Götter, deren Verehrung man durch die Personennamen feststellen kann, sind die Schicksalsgottheit Gulza, der Schutzgott Kurunta, der mit kriegerischen Aktivitäten verbundene Šanta sowie der Sonnengott Tiwad.60 Andere in den altassyrischen Texten genannte Götter von Kaneš bzw. anderer anatolischer Orte sind in hethitischer Zeit ebenfalls in Umgebungen bezeugt, die dem luwischen Raum zugeordnet werden müssen. Für die altassyrische Zeit ist dabei einerseits mit der Möglichkeit zu rechnen, dass es sich um Gottheiten handelt, die eine gemeinsame anatolische Geschichte haben, so dass sie von den – unterschiedlichen, aber eng miteinander verwandten anatolischen ethnisch-sprachlichen – Gruppen der Hethiter und Luwier verehrt wurden, wenn auch mit vielleicht unterschiedlicher Akzentuierung in ihrer lokalen Ausprägung. Genauso ist damit zu rechnen, dass es ab der Zeit der politischen Vereinigung Zentralanatoliens unter der Führung der Hethiter auch zu einer »Harmonisierung« von religiösen Vorstellungen bzw. zum Austausch religiöser Konzepte gekommen ist. Dadurch bleiben manche Rekonstruktionen der Zuordnung der Götter zu den Bevölkerungsschichten der Kültepe-Zeit sowie zum »Pantheon von Kaneš« notwendigerweise vorläufig. Wenn in hethitischen Texten von den »Göttern von Kaneš« die Rede ist, werden folgende Götter genannt:61 Aškašepa, Pirwa, die Plejaden, Maliya, eine Schutzgottheit (DLAMMA), ferner Ḫašamili, Ḫilašši, U.GUR, die Gottheit »Königin«, Šuwalija oder Zulija. Diese Götter sind in junghethitischen Texten eines »Monatsfestes« (CTH 591.IV) genannt, das enge Beziehungen zum hattischen Kult hat, so dass diese Texte nicht automatisch als Zeugnis für die »Götter von Kaneš« der altassyrischen Zeit gelten können, da mit Neuerungen zu rechnen ist. Ähnlich verhält es sich auch mit jenen Göttern, für die die »Sänger von Kaneš« nach einigen hethitischen Texten singen. Auch hier ist festzustellen, dass die Sänger von Kaneš – bereits in althethitischer Zeit – sich auch an hattische Götter wenden.62
Wichtig für die Rekonstruktion der Religionsgeschichte der Kültepe-Zeit ist in besonderer Weise Kamrušepa, die in KBo 11.22 iii 5–8, einem Festritual, gemeinsam mit einem Sänger von Kaneš genannt ist. Ebenfalls erwähnenswert für ihre Zuordnung zur Götterwelt des Bereichs von Kaneš ist das Ritual KUB 7.1 + KBo 3.8 (CTH 390.A), da dieses Ritual Kamrušepa gemeinsam mit Maliya und Pirwa nennt.63 Aufschlussreich für eine religionsgeschichtliche Rekonstruktion ist KUB 12.26 ii 3f., ein Ritualtext, in dem Kamrušepa für sich einen Thron aus Eisen (ŠA AN.BAR GIŠGU.ZA) bereitstellt, sowie KBo 37.1 r.Kol. 26b, worin sich Kamrušepa auf einen Thron setzt. Beide Stellen kann man mit der Notiz im Anitta-Text verbinden, wenn der Herrscher von Purušḫanda (aass. Burušḫattum) einen Thron aus Eisen (und ein Szepter aus Eisen) als Herrschaftsinsignien an Anitta übergibt. Wenn man diese Hinweise auf den eisernen Thron miteinander verbindet, ermöglicht dies die Schlussfolgerung, dass die Göttin Kamrušepa im luwischen Raum von Purušḫanda verehrt wurde und möglicherweise auch als »Throngöttin« für das Großkönigtum in Purušḫanda legitimierende Funktion hatte. Durch den Machtgewinn Anittas in Kaneš auf Kosten des Großkönigs von Purušḫanda ist dabei nicht nur der eiserne Thron in das Königtum von Kaneš gelangt,64 sondern die Göttin fand dadurch auch Eingang ins Pantheon von Kaneš.
Zusammenfassend kann man hinsichtlich der v. a. aus den Funden der Zeit der altassyrischen Handelsniederlassungen erschließbaren Vorstellungen von Göttern sagen, dass uns hier die älteste Form jener Religionswelt fassbar ist, die uns in der schriftlichen Überlieferung der nachfolgenden althethitischen Zeit dann deutlicher vor Augen tritt. Die Funde aus Kaneš – und anderen Orten – zeigen dabei mehrheitlich bereits hethitische Vorstellungen, allerdings lassen sich auch Elemente luwischer Religion feststellen, hingegen gibt es südlich des Halysbogens keine Hinweise auf Vorstellungen, die wir – in Textfunden seit althethitischer Zeit – als Teil des hattischen Bereichs identifizieren.
Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die religionsspezifischen Aussagen der kappadokischen Texte nicht allzu umfangreich sind und dass bildliche Darstellungen nur teilweise mit den Textbefunden verbunden werden können, so dass Abbildungen auf Siegelabdrücken oder im Gussverfahren hergestellte Figürchen von Gottheiten nicht immer eindeutig interpretierbar sind. So findet sich mehrfach die Darstellung einer »Götterfamilie« oder »göttlichen Trias«, bestehend aus einer nackten Göttin, die ihre Brüste hält und neben der ein bärtiger Gott steht; zwischen beiden ist ein Mädchen – als Tochter des Paares (?) – dargestellt.65 Andere Darstellungen zeigen ein Götterpaar, bei dem die Göttin ein Kind auf dem Arm hält.66 Während man bei ersterem Darstellungstyp daran denken kann, diese