Juan winkte großzügig ab. Sie würden hier nur wenige Tage bleiben und dann den Fluss überqueren. Er hoffte, dass der Gouverneur am anderen Ufer endlich einen Ort fand, an dem sie die schlimmste Kälte abwarten konnten. Dieses Dorf hier war zu klein, um ihnen länger Schutz zu gewähren. Er blickte auf, als Baltasar de Gallegos sich neben ihn setzte. Er war der Teniente Coronel, der in der Abwesenheit des Gouverneurs die Befehlsgewalt hatte und ansonsten die Truppen befehligte. Auch der Capitán befehligte zusätzlich zu seinen Lanzenreitern an die vierzig Fußsoldaten, die ihm direkt unterstanden. Tatsächlich hatte er sie mit seinem eigenen Geld ausgestattet. Ebenso wie das Schiff, mit dem er die Bucht von Charlotte gefunden hatte, von dem aus sie aufgebrochen waren. Er war wild und cholerisch, und er liebte das Kampfgetümmel, aber er wollte endlich Erfolg.
Er gab der Sklavin ein Zeichen, damit sie dem hohen Gast einen Teller Essen brachte. Das Mädchen gehorchte demütig und er beachtete es nicht weiter.
Baltasar schaufelte das Essen in sich hinein und lächelte zufrieden. „Gut, dass wir ein paar Vorräte gefunden haben!“
Juan schnaubte unwillig. „Nicht genug, um den Winter zu überstehen. Wir haben zu viele Gefangene dabei!“
Baltasar riss ein wenig ungläubig die Augen auf und zuckte die Schultern. „Was kümmern mich die Gefangenen? Wenn wir weiterziehen, werden wir neue Gefangene machen.“
„Schon, aber es ist einfacher mit Gefangenen, die ein bisschen unsere Sprache sprechen. Er deutete nachlässig auf Nana. „Er versteht bereits, was ich von ihm will. Und Maria lernt es auch bald.“
„Sie geben ihnen Namen?“ Ehrliche Verwunderung klang in der Stimme des Teniente Coronel.
„Warum nicht? Irgendwie muss ich sie ja rufen.“ Juans Stimme klang kaum interessiert. Sie waren in seinen Augen nur Sklaven. Selbst Hunde hatte Namen. Und einen treuen Hund behandelte er ebenfalls gut.
Baltasar nickte und wechselte das Thema. „Ihr wisst, warum der Gouverneur den Fluss überqueren will?“
„Sicher! Er fließt nicht nach Süden. Er verhindert damit, dass Leute desertieren, wenn wir ihn erst einmal überquert haben.“ Es war eine sehr nüchterne Betrachtung.
„Und was sagt Ihr dazu?“ Die Augen des Teniente Coronel sprachen Bände. Auch er war müde, enttäuscht und desillusioniert. Sie hatten in diese Expedition investiert, weil sie sich die gleichen Reichtümer erhofften wie in Mexiko oder Peru. Aber bis auf wertloses Kupfer hatten sie kaum etwas gefunden. Die Indios hatten Schmuck aus Perlen, der aber kaum die Ausgaben ausgleichen würde.
Juan zuckte die Schultern. Einige seiner Männer saßen im Hintergrund der Hütte und er wollte nicht, dass sie vom Glauben abfielen. „Bisher haben wir viel fruchtbares Land für die spanische Krone gefunden. Und mit Sklaven kann man auch sein Geld verdienen.“
„Das meine ich nicht.“
Juan lachte ohne Humor. „Ich weiß!“ Dann wurde seine Stimme ernst. „Es ist ein Risiko, an solch einer Expedition teilzunehmen. Nicht immer findet man Gold. Aber noch gebe ich nicht auf. Dafür hat es mich bisher zu viel gekostet. Wir haben einen Auftrag, und den werde ich erfüllen, solange die Jungfrau Maria mir wohlgesinnt ist.“
Baltasar wischte sich mit der Hand über den Mund und stellte den Teller zu Boden. Auch seine edle Kleidung hatte gelitten und hing unansehnlich an ihm herunter. Außerdem hatte er stark abgenommen, ebenso wie Juan. Juan war eher ein Lebemann und galt als feist, doch die letzten zwei Jahre hatten auch an ihm gezehrt. Seine Erscheinung war drahtig und die überflüssigen Pfunde waren verschwunden. Ein brutaler Zug lag um seinen Mund, der kaum von dem Bart überdeckt wurde. Man widersetzte sich ihm besser nicht. Im Grunde wunderten sich seine Untergebenen über die Geduld, die er gegenüber dem Sklavenkind aufbrachte. Sonst galt er als jähzornig und unberechenbar.
„Was machst du mit den Sklaven, wenn wir nach Mehiko zurückkehren?“ Die Augen von Baltasar verschlangen fast den wohlgeformten Körper der einheimischen Frau.
Juans Lippen wurden schmal vor Unwillen. Im Grunde waren die beiden eher lästig, weil seine Kameraden mit Neid darauf reagierten. Die Frau erinnerte sie an Dinge, die sie längst vermissten. „Das werde ich mir überlegen, wenn sie bis dahin noch am Leben sind. Meist leben diese Eingeborenen nicht lange. Gott ist mit uns und nicht mit diesen Wilden. Der Junge könnte einen ganz guten Diener abgeben, aber die Frau werde ich wohl vorher wieder loswerden. Ich kann mit ihr ja schlecht in Spanien auftauchen.“
„Na ja, wenn man sie in die richtigen Gewänder hüllt, dann macht auch sie eine gute Dienerin.“
„Tsss, was soll ich mit irgendwelchen Bastardkindern? Mein Ruf würde darunter leiden. Die Zeiten haben sich geändert und die Kirche sieht so etwas nicht gerne. Wenn ich zurückkehre, will ich meinen Reichtum genießen und ein geachteter Mann sein. Ein Caballero. Selbst hier mustert mich der Priester schon wie ein Insekt.“
Baltasar lachte auf widerliche Weise. „Selbst der Priester hält sich nicht wirklich an seine Gelübde. Er benutzt die Knaben. Ihr solltet mal hören, wie die Kinder schreien, bis er ihnen einen Knebel in den Mund steckt. Aber es sind ja zum Glück keine Menschen, sonst würde er wohl bald in der Hölle schmoren.“
Juan runzelte die Stirn. „Wenn selbst der Papst eine Mätresse hat! Warum sollte dann der Priester nicht seinen Gelüsten nachgehen?“ Er musterte Nana mit einem nachdenklichen Blick. Offensichtlich war der Junge viel mehr wert, als er angenommen hatte.
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