Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


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zurück. Er verteilte das Essen auf drei Teller und gab es den Sklaven. Der Junge schaufelte die Suppe gierig in seinen Mund, während Maria teilnahmslos liegenblieb. „Iss!“, befahl Juan verärgert. Wenn sie nichts aß, dann würde er ihr die Nahrung zwangsweise einflößen. Er hatte keine Lust, auf sie zu verzichten. Er gab ihr einen Tritt und beobachtete, wie sie sich langsam in sitzende Position erhob und die Schale in die Hand nahm. „Iss!“, wiederholte er.

       Hirschjagd

       (Dorf der Menominee)

      Der erste Schnee fiel und verbannte die Menschen in die warmen Wigwams. Machwao war froh um die Nahrungsvorräte, die sein Dorf angelegt hatte. Natürlich war es auch möglich, im Winter auf Schneeschuhen zur Jagd zu gehen. Doch dies war mühsam und wurde eher gemacht, um an die wertvollen Pelze zu gelangen. Aus dem Winterpelz der Tiere konnten die Frauen warme Kleidung herstellen. Kein Mann war besonders erpicht darauf, den ganzen Tag auf Schneeschuhen durch die Wildnis zu streifen. Das Wild wurde spärlich und musste mühsam aufgestöbert werden. So saß Machwao lieber am Feuer und schnitzte an neuen Pfeilen oder besserte seine Waffen aus.

      Seine Mutter webte aus Halmen und Binsen neue Körbe und Matten, während seine Schwester einen Tontopf mit einem einfachen Muster bemalte. Noch hatte sie ihre ersten Riten nicht durchlaufen und so fanden seine Überlegungen bezüglich eines Ehemanns kein Gehör. Die Mutter schob diese Gedanken weit von sich und lächelte stets, wenn er auf seine Schwester zu sprechen kam. Nepewin Nuki war selbst in sehr jungen Jahren einem Mann als Ehemann versprochen worden und hoffte für ihre Tochter auf eine ebenso sichere Zukunft. Sie war glücklich gewesen, denn ihr Ehemann war gut zu ihr gewesen. Ihre Eltern hatten eine gute Wahl getroffen. Trotzdem hoffte sie, dass die Tochter noch eine Weile in ihrem Haushalt verblieb. Sie sah es als gutes Zeichen, dass die Tochter bisher noch nicht ihre ersten Riten gehabt hatte. So galt sie als Kind. All die Gespräche um einen möglichen Ehemann waren also nur Geplapper. Und ganz sicher würde sie nicht mit einem Schwiegersohn namens „Wakoh“ einverstanden sein! Er war ihr viel zu kämpferisch und verantwortungslos. Machwao dagegen sah seine anderen Qualitäten. „Siehst du nicht, dass er ein guter Jäger ist, der seine Familie stets ernähren kann? Hinzu kommt, dass er wirklich ein tapferer Kämpfer ist, der seine Familie immer beschützen würde!“

      Die Mutter schüttelte energisch den Kopf. „Er ist eigennützig. Er sieht nur den eigenen Erfolg. Niemals könnte er sich zum Wohle einer Frau zurücknehmen!“

      Machwao wurde ungewohnt wütend. „Er würde für sie sterben. So ist das! Ich habe es gesehen. Ich habe es erlebt. Als wir gegen die Feinde gekämpft haben, wäre er für uns gestorben!“

      Die Mutter senkte verunsichert den Kopf. „Ja, aber das heißt nicht, dass er auch ein guter Ehemann wäre. Er ist viel zu unüberlegt.“

      Kämenaw Nuki, die kleine Schwester, mischte sich auf gänzlich ungewohnte Weise ein. „Noch bin ich nur ein Kind. Aber eines Tages werde ich einen Mann erwählen. Und jede Frau könnte sich glücklich schätzen, Wakoh an ihrer Seite zu wissen.“ Ihre Augen funkelten verliebt, als sie Machwao verschwörerisch zublinzelte. Machwao war sprachlos und schenkte seiner Schwester einen verblüfften Blick. Die Mutter dagegen schalt ihre Tochter: „Wie kannst du so etwas sagen? Was weißt du schon von Männern? Sei still und überlege dir das nächste Mal, was du sagst!“

      Kämenaw Nuki senkte schweigend den Kopf und doch konnte Machwao fühlen, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Sie bewunderte Wakoh! Und tatsächlich hatte sie recht. Wakoh war schon als Kind von den Donnergeistern auserwählt worden. Seine Eltern hatten ihn früh mit den Dingen des Krieges beschenkt und dafür gesorgt, dass er bestens mit Pfeil und Bogen vertraut war. Schon als kleiner Junge hatte er von den Donnervögeln geträumt und in seinem Kriegsbündel befanden sich eine winzige Kriegskeule, ein kleiner Bogen mit winzigen Pfeilen und die donnernden runden Steine. Machwao wusste von einigen Dingen, aber er wusste auch, dass Wakoh inzwischen weitere Glücksbringer erhalten hatte. Seine Schutzgeister waren mächtig.

      Machwao grinste und wechselte dann das Thema. Es war nicht gut, die Mutter auf falsche Gedanken zu bringen. „Morgen werden wir zur Jagd aufbrechen und ich werde Awässeh-neskas begleiten. Wir wollen Biber fangen.“

      „Geht es ihm wieder gut?“, erkundigte sich die Mutter.

      „Aber ja. Ich sorge dafür, dass er schnell wieder seine Familie versorgen kann. Es wird Zeit!“

      „Oh, das ist schön. Es hat lange gedauert!“ Die Mutter lächelte. Machwao schwieg, als er an den Freund dachte. Ja, Awässeh-neskas hatte wirklich mit dem Tod gerungen, doch nun ging es ihm wieder besser. Er wartete auf die Geburt seines ersten Kindes und ein bisschen Abwechslung würde ihm die Kraft zurückgeben. Der Schnee lag hoch, hatte das Land fest in seinen eisigen Klauen und die Jagd mit Schneeschuhen würde ihn auf andere Gedanken bringen.

      * * *

      Der Winter war lang so weit nördlich, doch die Menominee waren ihn gewohnt. Kinder rodelten auf Schlitten die Hänge hinunter, warm eingemummelt in warme Pelze und mit gefütterten Mokassins an den Füßen. Die Vorratsgruben waren gefüllt und mit langen Stecken gekennzeichnet, damit man sie auch bei Schnee noch fand, und neben den Feuerstellen lagen die Holzstapel zum Trocknen, damit das Feuer in den Wigwams nicht rauchte.

      Machwao holte sich eine Schale Suppe, die mit Kochsteinen in einem Gefäß aus Birkenrinde gekocht worden war. Die Mutter hatte Fleischstreifen hineingetan, wilde Zwiebeln, Wildreis und Kürbis. Sie schmeckte köstlich und war ausgesprochen sättigend. Manchmal süßte sie die Suppe auch mit Ahornsirup, aber noch war nicht die Zeit dafür, den süßen Saft von den Bäumen zu sammeln. Anschließend kontrollierte Machwao seine Schneeschuhe. Manchmal wurde das Leder brüchig und dann mussten die Lederbänder ausgewechselt werden. Er fettete das Leder gut ein und prüfte sein Werk zufrieden. Ebenso sorgsam prüfte er seinen Bogen und die Pfeile. Biber wurden meist mit einer Keule erschlagen, doch er würde seinen Bogen mitnehmen, weil man nie wissen konnte, ob ihm nicht anderes Wild vor die Füße lief. Wenig aufmerksam lauschte er dem Gespräch der Frauen und horchte erst auf, als die Mutter wieder das Wort an ihn richtete. „Diese Arbeit wird sehr anstrengend für mich …“, begann sie mit ihrer Wortkeule. Er wusste genau, was jetzt kommen würde! Sie würde ihm die Vorzüge aufzählen, die eine junge Schwiegertochter bringen würde. Dabei hatte sie in der Tochter wahrlich eine gute Hilfe.

      „Sehnt sich dein Herz denn nicht nach einer Frau?“, fragte die Mutter fast vorwurfsvoll. Vielleicht hatte sie auch Bedenken, dass er andersherum war und sich eher zu Männern hingezogen fühlte.

      Machwao überhörte den versteckten Vorwurf und lächelte freundlich. „Bald!“, versprach er kurzangebunden.

      „Oh?“ Das Gesicht der Mutter war eine offene Frage. Hatte sie etwas übersehen?

      Auch Kämenaw Nuki hatte in ihrer Arbeit innegehalten und musterte den Bruder interessiert. Machwao schüttelte vergnügt den Kopf. „Ich dachte nur daran, dass die Gelegenheit vielleicht günstig ist, wenn ich im Frühling auf Reisen gehe. Ich werde auch in anderen Dörfern vorbeikommen und dann kann ich ja mal sehen, ob es hübsche Mädchen gibt.“

      „Du solltest dich nach fleißigen Mädchen umsehen!“, schalt die Mutter ihn.

      „Mutter!“, schimpfte Kämenaw Nuki. „Sei doch froh, wenn er überhaupt solche Gedanken hat. Ich kenne kein Mädchen, das nicht fleißig wäre und nicht wüsste, was eine Frau zu tun hat!“

      Machwao lachte laut bei dem Ausbruch seiner Schwester.

      „Stimmt! Alle Mädchen sind fleißig. Aber es schadet ja nichts, wenn sie auch ein bisschen hübsch ist.“

      „Schönheit vergeht!“, mahnte die Mutter erneut. „Ich werde mich umhören, welches Mädchen in Frage kommt. Eine Ehe muss wohlüberlegt sein!“

      Machwao senkte den Blick und vertiefte sich demonstrativ in seine Arbeit. Ja, er wusste, dass die meisten Ehen von den Verwandten gestiftet wurden, aber er hatte seine eigenen Träume. Seine Schwester kicherte erheitert und er schenkte ihr ein breites Lächeln. Er würde sehen!

      * * *

      Er holte