Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


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und Mokassins aus den Häuten, die der Mann ihr gegeben hatte. Außerdem schnitt sie einen Umhang aus Fellen, den der Junge nur über seinen Kopf ziehen musste. Nanih Waiya strahlte sie mit zwei Lücken in den Zähnen an und freute sich über die warme Kleidung. „Du brauchst auch etwas Warmes!“

      Maisblüte nickte. Auch sie hatte Felle um ihre Beine gewickelt und trug einen warmen Umhang. Sie hatte alle Felle verwendet und hoffte, dass der Mann nicht wütend wurde.

      * * *

      Juan hatte die nächsten Tage Zeit, denn der Gouverneur wollte die Indios überlisten und an einer anderen Stelle den breiten Fluss überqueren. Er ließ ein Lager errichten und gab seinen Soldaten ein paar Tage frei. Juan nutzte die Zeit, um zu jagen. Er erlegte einen Hirsch und erlaubte auch Maria, davon zu essen. Er steckte Leder zwischen das Eisen der Ketten und ihrer Haut, damit sie nicht mehr so scheuerten. Er erlaubte, dass sie meist im Zelt blieb, damit die Verletzungen heilten. Er dachte darüber nach, Maria bald von den Ketten zu befreien, um ihre Arbeitskraft zu erhalten. Außerdem sorgte er sich um das Seelenwohl der beiden und nahm sie zu den sonntäglichen Messen mit. Er wollte die beiden taufen lassen, um von zivilisierten Wilden umgeben zu sein.

      Eigentlich waren die Tage in diesem Land völlig gleichgültig, aber sie hatten trotzdem die Wochentage gezählt und sonntags die Messe gelesen. Seit dem Kampf bei Mabila hatte es nur noch Wasser als Messwein gegeben, obwohl die Lagermeister versuchten, Mais zu vergären. Sie stellten eine Art Bier her, das süßlich schmeckte und zur Not getrunken werden konnte. Vor einem Kampf hatte es eine enthemmende Wirkung auf die Truppen, weshalb der Gouverneur den Ausschank gestattete. Als Messwein wurde es jedenfalls nicht ausgeschenkt. Auch gab es keine Hostien mehr. Die Priester und Messdiener hatten die meisten Utensilien verloren, sodass die Messe sich inzwischen auf mahnende Worte beschränkte. Der Priester warnte vor den unfrommen Wilden und dem Fluch der Fleischeslust. Natürlich war ihm nicht verborgen geblieben, was mit den gefangenen Frauen geschah, aber verhindern konnte er es kaum. Er ließ die Wilden knien und taufte sie im Namen Christi, um sie vor der Hölle zu bewahren. Einige Indios, die seine Worte verstanden, wandten sich nur allzu gerne diesem neuen mächtigen Gott zu, denn sie erhofften sich dessen Schutz.

      Auch Maria und Nana wurden getauft, obwohl sie kaum verstanden, was diese Zeremonie bedeutete. Außerdem änderte es nichts. Juan jedoch war zufrieden und sah sich als großzügiger Herr. Er hatte seine Sklaven vor dem Fegefeuer bewahrt. Nun sah er in ihnen Diener, denen man eine gewisse Sorge angedeihen ließ. In einem Kessel schmorte die Suppe und er erkannte, dass die beiden offensichtlich schon gegessen hatten. Juan lächelte gönnerhaft und stemmte die Hände in die Hüften. „Welche Maus hat denn hier genascht?“

      Nana kicherte und wischte sich den Mund sauber. „Ich Maus!“ Sein Lachen war so ansteckend, dass Juan nicht böse sein konnte. Wohlwollend strich er dem Jungen über die Haare. „So, so!“

      Juan setzte sich auf einen Schemel, den die Schreiner ihm gebaut hatten, und ließ sich von Maisblüte eine Schale reichen. Teller und Löffel waren inzwischen Mangelmare, aber er hatte noch einen Löffel ergattert, während andere das Essen mit ihren Fingern in den Mund schaufeln mussten. Inzwischen war der Löffel fast sein größter Schatz, mit Ausnahme seines Rapiers, den er hütete wie seinen Augapfel. Ohne den Degen, mit dem er schon seit seiner Kindheit vertraut war, wäre er kein Soldat mehr. Er war froh um das Zelt, denn die meisten Mitglieder der Expedition hatten diesen Komfort nicht. Die Sklaven schliefen ohnehin im Freien und starben wie die Fliegen. Bald hätten sie keine Träger mehr und dann mussten sie neue Wilde gefangennehmen. Maria und Nana brauchten sich also nicht zu beschweren! Er schickte das Kind hinaus, um weiteres Feuerholz zu holen, und winkte Maria näher, damit sie sich auf seinen Schoß setzte. Er schlug ihren Umhang beiseite und bediente sich an ihren festen Brüsten. Er ließ sich sein Wohlwollen bezahlen! Das Mädchen rührte sich nicht und ließ ihn gewähren. Ihr Blick war abwesend, als wäre sie ganz woanders. Juan benutzte ihren Körper und freute sich darauf, sich im Winter nachts daran zu wärmen. Das war praktischer, als beim Pferd zu schlafen.

      * * *

      Die Baumeister arbeiteten unterdessen an einer großen Piragua, eine Pirogge, mit der die Truppen in den nächsten Tagen übersetzen sollten. Sie fanden einen riesigen Baum, der gut geeignet war, um ihn auszuhöhlen. Der Gouverneur hatte vor, die Piragua weiter flussabwärts zu transportieren und dort überzusetzen. In nur vier Tagen schafften es die Baumeister, das Boot herzustellen. Während des Dunkels einer Neumondnacht transportierten sie es heimlich mit zwei Karren flussabwärts und setzten es dort in den Fluss. Über vierzig Soldaten setzten über und schlugen die wenigen Krieger in die Flucht. Die Pfeile, die auf sie regneten, richteten dabei kaum Schaden an. Die Soldaten vertrieben die Indios und sicherten das Ufer, damit die restlichen Soldaten übersetzen konnten.

      Juan führte seine Männer am nächsten Tag weiter nach Norden und eroberte ein Dorf namens Zabusta. Sie fanden weitere Maiskammern und durchsuchten die Hütten nach Kleidung. Von den Bewohnern fehlte jede Spur. Juan wusste, dass es dauern würde, bis der Tross folgen würde, und setzte seine Männer wieder in Gang. Er folgte dem Lauf eines Flusses und eroberte mehrere kleine Dörfer an seinem Ufer.

      Der Tross folgte ihm mit einem Tag Verzögerung. Mit Karren und Pferden schleppten sie die Piragua bis zum nächsten Flusslauf und setzten sie dort ins Wasser. Der Gouverneur ließ die Ausrüstung in die Piragua verladen und mit Pferden den Fluss entlangziehen. Außerdem benutzten sie dazu einige Kanus, die sie gefunden hatten. Sie kamen ziemlich schnell voran und nutzten den Fluss, um weiter nach Norden vorzustoßen. Sie plünderten jedes Dorf, durch das sie kamen, und nahmen dabei einen Häuptling namens Apafalaya gefangen. Sie zwangen ihn, unter Ketten als Dolmetscher und Führer zu arbeiten. Seine Krieger brüllten ihren Zorn heraus, doch wagten sie es nicht, die Spanier auf deren Pferden anzugreifen.

      Juan verließ den Fluss und führte seine Kundschafter nach Norden. Der Weg führte an dicht bewaldeten Hügeln vorbei, die von Nord nach Süd verliefen. Juan führte seine Männer durch die Senken, obwohl er befürchtete, dass die Wilden vielleicht die strategisch günstigen Hügel für einen Hinterhalt nutzen würden. Das Wetter wurde schlechter und die Ufer der Bäche waren oft schon vereist. Manchmal fiel der erste Schnee und die Männer froren in ihrer Kleidung. Der Weg wurde unwegsamer und sie durchquerten viele kleine Flüsse und kamen an Sümpfen vorbei. Die Gegend war wenig besiedelt, dafür entdeckte Juan viel Wild in den Wäldern. Wenn er mehr Zeit hätte, würde er seine Lanzenreiter zur Jagd einsetzen. Er wusste, dass der Gouverneur einen Platz zum Überwintern suchte, und hoffte dort ein wenig Zeit für derartige Vergnügungen zu haben. Er verlangsamte sein Tempo und ritt dann wieder den Weg zurück, damit der Tross zu ihnen aufschließen konnte. Es wurde zu kalt, um ungeschützt im Freien zu kampieren. Seine Reiter folgten ihm willig, denn auch sie lockte die Aussicht auf ein wärmendes Feuer. Alle freuten sich auf eine trockene Unterkunft.

      * * *

      Am nächsten Morgen ließ er Maria alles ordentlich einpacken und gab sie in die Obhut des Maestros. Ihre Ketten schleiften am Boden und er ignorierte ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Bald würden sie einen breiten Fluss überqueren; dann wäre eine Flucht nicht mehr so wahrscheinlich und er konnte sie abnehmen. Jetzt hatte er keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern.

      Er führte seine Truppe erneut nach Norden, gefolgt von der Infanterie. Am späten Morgen nach einer klaren Vollmondnacht erreichten sie den Chickasa-Fluss und fanden ein Dorf an dessen steilem Ufer. Der Fluss war über das Ufer getreten und schien sehr breit und gefährlich zu sein. Am Ufer hatte sich bereits Eis gebildet. Ein großes Dorf lag auf dieser Seite des Flusses und die Krieger hatten sich ihnen mit Waffen und Schilden entgegenstellt. Juan schätzte sie auf über tausend. Sie machten einen Scheinangriff und zogen sich dann mit all ihrer Habe und den Frauen und Kindern über den Fluss zurück.

      Juan ließ das Dorf einnehmen, damit der Tross in den nächsten Tagen eine Unterkunft hatte. Es würde nicht für alle reichen, aber die Handwerker konnten zusätzliche provisorische Hütten bauen. Es würde einige Tage dauern, ehe sie den breiten Fluss überwunden hatten. Er fand einige Vorratsgruben, außerdem Häute und Felle, die die Einheimischen bei ihrer hastigen Flucht zurückgelassen hatten. Er sicherte sich eine warme Decke, die ihm bei der Kälte gute Dienste leisten würde. Dann war seine Arbeit erst einmal getan. Er stellte sein Pferd innerhalb des Dorfes zu den anderen Pferden,