zu. Alle hatten sich in den Tagen von den Strapazen erholt und warteten in Ruhe ab, was der Gouverneur entscheiden würde. Noch hatten sie das Vertrauen in ihn nicht verloren. Sie waren Soldaten und der Tod gehörte zu ihrem Leben. Bisher waren sie siegreich gewesen, auch wenn inzwischen über hundert von ihnen in der fremden Erde bestattet waren. Aber auch die Eroberung des Inka -Reiches hatte ihren Tribut gefordert. Sie salutierten zackig, als der Gouverneur eintrat, und versuchten zumindest mit ihrer Haltung, wie Caballeros auszusehen. DeSoto schenkte ihnen ein Lächeln, dann hielt er eine flammende Rede über ihre bisherigen Errungenschaften: „Die Jungfrau Maria war mit uns, als wir diese Wilden besiegt haben. Tuscalusas übellistiger Täuschungsversuch ist fehlgeschlagen und er wurde mit seinem ganzen Volk vernichtet. Das ist ein Zeichen, dass unsere Expedition immer noch unter einem guten Stern steht!“
Sein Blick wanderte über die Versammlung und er hob die Hand, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. „Noch haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt! Wir sollen für die Krone den südlichen Seeweg nach China erkunden. Florida ist größer, als wir erwartet haben, aber irgendwo muss das nördliche Ufer sein, von dem aus wir nach China segeln können. Wir wollen einen Hafen anlegen und den Seeweg sichern. Denkt nach, wie viel Gold wir mit Pizarro gefunden haben. Die gleichen Reichtümer warten auch hier auf uns. Wir müssen sie nur finden! Mit Gottes Hilfe!“
„Mit Gottes Hilfe!“, murmelten die Männer nicht ganz so begeistert.
„Wir gehen daher nach Norden und sichern uns Vorräte. Wenn wir einen geeigneten Platz gefunden haben, überwintern wir dort und machen uns dann im Frühjahr wieder auf den Weg. Bei Vollmond brechen wir auf. Nach Norden!“
Niemand protestierte, obwohl einige Männer verlegen zu Boden blickten und die Erde mit dem Stiefel beiseite schoben. Noch einen Winter hier verbringen zu müssen, lockte kaum. Aber DeSoto war der Anführer und niemand stellte seine Entscheidung in Frage. Der Gouverneur gab Anweisung, dass ein Bote zu den Schiffen geschickt wurde, damit diese sich im nächsten Winter in der Bucht einfanden.
Juan seufzte. Noch ein Jahr in diesem fremden Land! Er überlegte, ob er dann nicht wie einer dieser Wilden herumlaufen würde. Gleichzeitig wurde ihm der Wert dieser Gefangenen klar. Wenigstens hatte er jemanden für sich, der seine männlichen Bedürfnisse befriedigen konnte. Wenn sie erst eine gewisse Wegstrecke hinter sich gebracht hatten, würde er die Frau von ihren Fesseln befreien. Dann war die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie die Flucht wagte. Und wohin denn? Ihr Dorf war vernichtet und ihre Familie tot.
Er behandelte das Kind mit Freundlichkeit, weil der Junge bereitwillig seine Sprache lernte und schon viele Worte nachplapperte. Es amüsierte ihn. Einst wollte er auch einen Sohn haben, aber natürlich mit heller Haut und braunen Locken. Zumindest stellte sich seine Großzügigkeit als gute Investition heraus, denn wenn der Junge erst seine Sprache konnte, wäre er ein nützlicher Diener. Ihn konnte er vielleicht als Beute nach Hause mitbringen. Wenn er erst in seinem Castello war, konnte er mit diesem seltsamen Fang die Gäste erfreuen.
* * *
Es war an einem Sonntag zum Vollmond, als der Tross nach Norden aufbrach. Eine gewisse Ordnung hatte sich wieder eingestellt: Kundschafter ritten voraus und sicherten die Umgebung, unter ihnen Juan. Er hatte dafür gesorgt, dass seine Ausrüstung und das Zelt gut verpackt waren und Maria und Nana sich dem Tross der Expedition anschlossen. Er hatte einen Diener eines Freundes beauftragt, auf die beiden zu achten und Übergriffe auf die Sklavin zu verhindern. Die beiden konnten nicht alles von ihm tragen und so hatte er ein Gestell aus Ästen gebaut, das Maria hinter sich herziehen konnte. Auf ihm lagen das Zelt und eine Truhe. Außerdem schleppte Maria ein großes Bündel auf ihrem Rücken. Mit ihren Fesseln konnte sie nur kleine Schritte machen, aber noch befanden sie sich mitten in ihrem Land, sodass er es nicht wagte, die Ketten zu entfernen. Er hatte gesehen, dass sich die Knöchel entzündeten, doch im Moment konnte er sich nicht darum kümmern.
Mit zwanzig Lanzenreitern erkundete Juan die Gegend nördlich von ihnen und stieß immer wieder auf kleinere Ansiedlungen. Die Landschaft wechselte von brachliegenden Feldern und Dörfern zu dichten Wäldern mit kahlen Laubbäumen und vielen dunklen Fichten und Kiefern und morastigen Sümpfen. Dann kamen sie an einem klaren Fluss mit Stromschnellen und einem kleinen Wasserfall vorbei. Nebel lag in der Luft und ein kühler Wind wehte. Am Himmel kreisten einige Bussarde, ansonsten war es still. In der Ferne schlich ein Opossum durch das gelbe Gras. Die Spanier hatten in diesem Land schon viele seltsame Tiere entdeckt, aber diese hatten sich vor dem Hufgetrappel der Pferde versteckt.
Am Abend erreichten sie einen breiten Fluss, an dessen Ufer ein großes Dorf lag. Juan schickte einen Meldereiter zurück, der den Auftrag hatte, den Tross hierher zu führen. Er selbst schlug sein Lager auf und erkundete am nächsten Morgen das Dorf. Die Menschen hatten es fluchtartig verlassen und warteten am anderen Ufer. Die Krieger standen dort mit Pfeil und Bogen, um die Spanier an der Überquerung zu hindern. Juan fand die Vorräte aus Bohnen, Mais und Kürbis. Außerdem stieß er auf gut gegerbtes Leder, das sich für neue Kleidung verwenden ließ. Die Provinz, die sie durchquerten, war reich, und er hatte keine Skrupel, sich an ihrem Reichtum zu bedienen. Der Dolmetscher hatte erzählt, dass sich im Norden das Land der Chickasa befand, in dem sie endlich auf Reichtümer zu stoßen hofften. Dort sollte sich angeblich auch ein großes Handelszentrum der „Indios“ befinden. Bis auf einige Ketten mit wertvollen Perlen hatten sie nichts erbeuten können. Vielleicht stießen sie dort auf das versprochene Gold?
Zwei Tage später traf die Hauptstreitmacht ein und Juan erfuhr von Nana, dass das Dorf Talicpacana hieß. Juan ließ Maria das Zelt aufbauen und verstaute die Sachen darin. Sein prüfender Blick wanderte über ihr erschöpftes Aussehen und blieb an den Knöcheln hängen. Die Ketten hatten sie wundgescheuert und verkrustetes Blut mischte sich mit Eiter und offenen Gerinnseln. Er musste etwas tun, oder seine Gefangene wäre bald ein Krüppel. Maria konnte kaum die Füße heben und ließ sich müde auf die Matte fallen. Sie stank nach Schweiß und Blut. Er führte sie zum Fluss, damit sie sich wusch und die Wunden gereinigt wurden. Er dachte, dass die Verletzungen in ein paar Tagen vergehen würden. Es würde einige Tage dauern, ehe sie den Fluss überqueren konnten und bis dahin konnte sie die Füße ruhig halten. Er misstraute ihr gerade jetzt, denn auf der anderen Seite warteten diese Wilden, denen sie sich anschließen konnte. Er überlegte sogar, ob er nicht auch Nana in Ketten legen sollte, aber wahrscheinlich waren seine Füße so schmal, dass sie einfach durchrutschten.
In der Nacht legte er sich zu einer Sklavin und forderte ihren Körper. Sie wimmerte vor Schmerzen und es ärgerte ihn. Die Eingeborenen galten als frivol und freizügig mit ihrem Körper, aber dieses Mädchen hier schien nicht so viel Gefallen daran zu finden. Vielleicht waren es ja nur die Schmerzen? Es würde besser werden, sobald er entschied, ihr die Ketten abzunehmen. Er winkte Nana herein, der in solchen Augenblicken immer draußen warten musste. Der Junge schien es hinzunehmen, ohne weiter darüber nachzudenken. „Hast du Hunger?“, fragte Juan gut gelaunt. Er zog seine Hose hoch und runzelte unwillig die Stirn, als Maria die Beine anzog und sich zusammenrollte.
„Si, Señor!“, antwortete Nana mit leuchtenden Augen.
Juan strich dem Kind über die kurzen Haare. Missbilligend stellte er fest, dass der Junge kaum etwas zum Anziehen hatte, sondern immer noch die gleichen Lumpen wie bei seiner Gefangennahme trug. Das Kind fügte sich besser als die Schwester und er fühlte ein gewisses Wohlwollen. „Sag deiner Schwester, dass sie dir etwas nähen soll!“
Nana schaute ihn mit großen Augen an und versuchte die Worte zu verstehen. „Nähen?“
Juan grinste. „Ja, für dich! Hose und Hemd!“
Nana lächelte und sah an ich herunter. „Hose und Hemd für Nana?“
„Genau! Hose und Hemd für Nana!“ Juan lachte laut, als er feststellte, dass der Junge Fortschritte machte. „Und Essen für Juan, Nana und Maria!“ Das Wort „Essen“ hatte Nana als Allererstes gelernt.
Der Junge rieb sich den Bauch und deutete an, dass er Hunger hatte. „Kein Essen!“, maulte er vorwurfsvoll.
„Aha, ihr habt wohl länger nichts zu essen bekommen“, stellte Juan fest. „Dann komm mal mit. Wir holen das Essen und bringen auch Maria etwas.“
Vertrauensvoll