in Kontakt zu treten. Sorgfältig reinigte er den Boden von Staub, legte eine Matte aus und öffnete dann behutsam das Bündel. Leise sang er das Lied, das ihm bereits von seinem Vater und Großvater weitergegeben worden war.
Das Jagdbündel gehörte zu den vier Bündeln, das ihnen einst, vor langer Zeit, von der Eulenfrau gegeben worden waren. Die Legende erzählte, dass damals ein kleines Mädchen von den Eltern geschimpft worden war. Die Eltern hatten gedroht, dass sie es aus dem Wigwam schicken würden, wenn es nicht aufhörte zu weinen, und dann die Eule käme, um es zu holen. Eines Tages warf die Mutter das Kind tatsächlich aus dem Wigwam und rief mit lauter Stimme: „Eule, sieh her, ich schenke dir dieses Kind!“ All die anderen Eulen hörten dies und sagten zu der Eule: „Warum nimmst du das Mädchen nicht zu dir? Schließlich hat man es dir geschenkt!“ Die Eule brachte also das kleine Mädchen zu ihrer Höhle, die in einem Baumstamm war, und versorgte es mit Blaubeeren. Sie hatte sogar eine kleine Schüssel, damit das Kind essen konnte. Es blieb dort vier Jahre, aber die Zeit erschien nur wie ein Jahr. Dann beschloss die Eule, das Kind zurückzuschicken. Sie fertigte vier Bündel aus Eichhörnchenfell an und steckte in jedes eine bestimmte Substanz mit magischer Kraft.
Dann band sie die Bündel mit farblich verschiedenen Bändern zu, damit man sie unterscheiden konnte. Das Bündel mit dem roten Band enthielt Liebesmedizin, das Bündel mit dem gelben Band machte den Träger zum Empfänger wertvoller Geschenke, das mit dem schwarzen Band enthielt Jagdmedizin und das letzte ohne eine bestimmte Farbe enthielt Glück beim Spiel. Das Kind war inzwischen ein junges Mädchen und die Eule lehrte es die Lieder, die zu jedem Bündel gesungen werden mussten, damit sie wirksam waren. Die Eule brachte das Mädchen zurück zu seinem Dorf und öffnete das Bündel mit der Liebesmedizin, damit es willkommen geheißen wurde. Zum ersten Mal zeigte sich die Eule kurz in ihrer wahren Gestalt und verwandelte sich dann wieder in die Gestalt einer Großmutter zurück. Es war das erste Mal, dass das junge Mädchen erkannte, dass es die ganze Zeit bei einer Eule gelebt hatte. Das Mädchen kehrte in sein Dorf zurück und wurde von der Mutter herzlich willkommen geheißen. „Wo bist du nur all die Zeit gewesen?“, fragte sie besorgt. – „Ich war bei einer alten Frau!“, erzählte das junge Mädchen. „Und sie gab mir zum Abschied diese Geschenke!“
Machwao sang das Lied zu Ehren der gehörnten Eule: Koko’ko e, Koko’ko e mo na me he weto’katowuk wa ha a … a … a … me ye hi a weto’katowuk wa a a … Dann sang er seine eigenen Lieder, die er geträumt hatte, und bot dem Eulengeist eine Schüssel mit Essen dar. Sorgfältig bemalte er sein Gesicht mit der schwarzen Farbe, die sich in dem Bündel befand. So war er für die Jagd bestens vorbereitet.
* * *
Am Morgen brach Machwao schon früh auf. Sein Freund Awässeh-neskas lief im ausdauernden Trab neben ihm her. Der Schnee knirschte unter den Schneeschuhen und vor ihren Gesichtern bildeten sich kleine Wolken, wenn sie den Atem ausstießen. Es war bitterkalt und die Flüsse und Seen begannen bereits zu gefrieren. Die beiden Männer bewegten sich durch die weiß-graue Landschaft. Sie wählten einen Weg durch den Wald, da hier der Schnee nicht ganz so hoch liegen würde. Manchmal kamen sie über Lichtungen, die völlig im Schnee versunken waren. Machwao deutete auf einige Spuren, die im Schnee gut zu sehen waren. „Hier sind Hirsche vorbeigekommen!“
Awässeh-neskas nickte. „Sie sind nahe bei unserem Dorf. Vielleicht sollten wir den Spuren folgen. Die Biber werden auch noch morgen in ihrem Bau sein.“
Machwao schätze ab, wie alt die Spuren waren, und entschloss sich, dem Rat des Freundes zu folgen. „Gut, lass uns den Spuren folgen.“
Frisches Fleisch war nicht zu verachten. Dabei war es schon reichlich spät, weit nach Sonnenaufgang und somit nicht die beste Zeit, um Hirsche zu jagen. Eine Taktik war, sie bei Dunkelheit mit einer Fackel anzulocken, ähnlich wie sie auch die Fische jagten, aber dafür war es zu hell. Wenn die Suche nach den Hirschen erfolglos blieb, konnten sie immer noch den Biberbau aufsuchen. Sie folgten den Spuren über einen kleinen bewaldeten Hügel und kamen bald ins Keuchen, denn der Anstieg in den Schneeschuhen war kraftzehrend. Auf der anderen Seite schlängelte sich ein kleiner Bach durch das Tal, der noch nicht zugefroren war. Einige Hirsche standen dort und hatten mit ihren Hufen den Schnee zur Seite geschoben.
Machwao nickte seinem Freund zu und zeigte mit seinen Händen an, dass er sich von der anderen Seite an die Hirsche heranschleichen und sie dann in die Richtung von Awässeh-neskas treiben würde. Sein Freund war bereits erschöpft und er wollte ihn ein wenig schonen. Awässeh-neskas nickte mit zusammengepressten Lippen, hatte aber keine Einwände. Er duckte sich in den Schatten einiger Eschen und machte das Zeichen, dass er warten würde.
Machwao umging die Lichtung in einem weiten Bogen. Mit Schneeschuhen wäre es unmöglich, sich nahe genug an die Hirsche heranzuschleichen, um in Pfeilschussnähe zu gelangen. Aber er konnte dafür sorgen, dass sein Freund einen gezielten Schuss abgab. Mit ein bisschen Unterstützung der Geister würden die Hirsche nur langsam vor ihm ausweichen. Er musste verhindern, dass sie in Panik davonstoben, denn dann konnte auch Awässeh-neskas keinen gezielten Schuss abgeben. Behutsam pirschte Machwao durch den Schnee. Er brauchte eine ganze Weile, um das Tal zu umgehen.
Schließlich näherte er sich von der anderen Seite des Tals und gab sich dabei keine große Mühe, Geräusche zu vermeiden. Hirsche waren neugierig und so klapperte er leicht mit seinem Köcher, während er behutsam und langsam in Richtung der Tiere ging. Sein Plan war gut, aber die Wirklichkeit sah oft anders aus, denn irgendetwas erschreckte die Hirsche so, dass sie in weiten Sprüngen davonstoben. Sie liefen tatsächlich in Richtung des Freundes, aber Machwao konnte nicht erkennen, ob es ihm gelungen war, einen Schuss abzugeben. Jetzt konnte man es ohnehin nicht mehr ändern. Im leichten Trab lief er über die Lichtung und erreichte wenig später seinen Freund. Der lag schwer atmend im Schnee und versuchte gerade, sich wieder hochzurappeln. „Was ist passiert?“, keuchte Machwao besorgt.
Awässeh-neskas machte eine verlegene Handbewegung.
„Nichts, nichts! Sie kamen so schnell, dass sie mich umgerannt haben!“
In Machwao stieg unbändiges Gelächter hoch. „Umgeworfen?“ Er schnappte vor Lachen nach Luft. „Sie kamen dir so nahe, dass sie dich umgeworfen haben? Oh Mann! Hast du wenigstens schießen können?“
Awässeh-neskas stieß seinen Freund in die Rippen. Es tat nicht weh, denn der Umhang dämpfte den Schlag ein wenig. „Hör auf zu lachen. Natürlich habe ich getroffen! Dort!“ Er deutete mit dem Kinn in Richtung einiger Bäume. „Es rannte noch ein kleines Stück und ist dann zusammengebrochen.“
„Hoh!“ Der Tonfall verwandelte sich von Spott in ehrliche Bewunderung. „Dann war die Jagd also erfolgreich!“
Die beiden Männer liefen zu der erlegten Beute und beugten sich ehrerbietig darüber. Awässeh-neskas holte etwas Tabak aus seinem Beutel und streute ihn über das Tier. Leise murmelte er ein Gebet, um sich beim Geist des Tieres dafür zu bedanken, dass es sein Fleisch geopfert hatte. Dann sammelten sie einige größere Äste und bauten einen einfachen Schlitten, auf den sie das Tier legten. Mit Riemen zogen sie es anschließend durch den Schnee. Es war ganz einfach, nur einmal mussten sie eine Steigung überwinden und mühten sich mit der Last den Hang hinauf.
Es war fast Abend, ehe sie wieder die Wigwams des Dorfes erreichten. Die Menschen strömten herbei, als einige Kinder, die draußen gespielt hatten, die Heimkehrer entdeckten und ihnen lärmend entgegenrannten. Sogleich machten sich die Frauen an die Arbeit, den Hirsch auszunehmen. Das Fell gehörte dem Jäger, doch das Fleisch wurde gerecht zwischen den Familien aufgeteilt. Auch andere Jäger kehrten erfolgreich von der Jagd zurück und die Menschen begrüßten es, so viel frisches Fleisch zu haben. Es waren gute Zeiten.
***
Machwao kehrte mit einer Hirschschulter in seinen Wigwam zurück und übergab das Fleisch einer Mutter. Sie begann sofort, es in Streifen zu schneiden, und legte dann den Knochen in die Asche, um auch die letzten Fleischfetzen zu garen. Den Knochen abzuknabbern galt als Delikatesse. Erst dann wurden die Knochen den Hunden gegeben. Sie waren ohnehin keine so gern gesehenen Gäste, denn sie brachten Flöhe und anderes Ungeziefer in die Betten. Im Sommer schliefen sie daher vor den Wigwams und streunten als Rudel durch das Dorf. Nur wenn es zu kalt wurde, durften sie in die Wärme