fürchtete sich vor weiteren Bestrafungen. Sie verstand einfach nicht, was diese Menschen hier taten und warum. Sie legte sich auf die Matte und schloss die Augen vor der grausamen Welt. Ihr Vater hatte sie immer einem ehrenhaften Krieger zur Frau geben wollen, doch jetzt fristete sie das Leben einer niedrigen Sklavin. Vielleicht wäre der Tod besser als diese ständigen Demütigungen? Sollte sie einfach aufhören zu atmen?
Nach einiger Zeit bemerkte sie die Anwesenheit des Mannes und öffnete die Augen, um ihn nicht weiter zu reizen. Es war nicht ratsam, ihn zu ignorieren. Sie kniete demütig vor ihm und hoffte, dass seine Wut verraucht war. In einfachen Worten versuchte er ihr zu erklären, dass sie nur ihm dienen durfte. Ihm allein! Maisblüte liefen die Tränen über die Wangen. „Ich nicht Hund!“, erklärte sie mit den wenigen Worten, die sie bisher kannte. „Soldat böse!“
Juan runzelte erstaunt die Stirn und starrte sie an. „Wieso böse?“, fragte er. Zum ersten Mal zeigte sich Unverständnis in seinem harten Blick. Misstrauisch musterte er sie. „Wer ist böse?“ Maisblüte weinte schluchzend. „Ich will nicht!“, sagte sie. Mehr Worte kannte sie nicht. Wie sollte sie ihm auch erklären, dass der Soldat sie wie ein Ding behandelt hatte, das man benutzen konnte.
Juan verstand trotzdem, was sie damit sagen wollte. Wieder wurde sein Blick zornig und die Gesichtsfarbe wechselte in ein ungesundes Rot. „Oh Gott!“, schimpfte er los. Und dann folgte eine Schimpftirade, von der Maisblüte kein Wort verstand. Sie sah nur, wie der Mann sich in einen fürchterlichen Zorn hineinredete, und wich angsterfüllt vor ihm zurück. Die Hiebe und Schläge brannten auf ihrer Haut und sie konnte unmöglich noch mehr Schmerzen ertragen. Sie zuckte panisch zurück, als seine Hand ihr Gesicht berührte, und es dauerte eine Weile, ehe sie erkannte, dass er nicht mehr wütend auf sie war. „Es tut mir leid!“, flüsterte er sanft. „Warte hier, ich kläre das! Es tut mir leid! Ich dachte …“ Mit diesen seltsamen Worten verließ er das Zelt und ließ sie völlig verwirrt zurück.
Nach Norden
(Mabila, Vollmond am 14. November)
Juan de Anasco verließ das Zelt und ließ die beiden allein. Er kochte vor Zorn, weil es jemand gewagt hatte, sich an seinem Eigentum zu vergreifen. Er hatte den Cabo Espindola erkannt, der sich an seiner Sklavin vergriffen hatte, und wollte ihn zur Rede stellen. Sein Herz pochte vor Wut, obwohl er den Soldaten wahrscheinlich noch rechtzeitig erwischt hatte, ehe er kopulieren konnte. Dieses Mädchen hatte sich ihm gar nicht hingegeben, sondern war gezwungen worden. Was fiel diesem Schuft eigentlich ein? Er war der Capitán der Lanzenreiter! Niemand vergriff sich an seinem Eigentum! Er fand den Soldaten im Lager der Kavallerie und ließ ihn wutentbrannt antreten. Mit einer Handbewegung rief er zwei weitere Soldaten zu sich, die den Kerl festnehmen sollten.
„Die Not überkam mich, Herr!“, versuchte der Mann sich zu entschuldigen. Er hatte nur einen niedrigen Rang und so fürchtete er zu Recht die Bestrafung durch den Capitán.
„Die Frau ist mein Besitz! Wie kannst du es wagen, sie überhaupt anzusehen, geschweige denn anzufassen?“
„Die Not, Herr! Die Not!“ Espindola wusste, dass es keine Entschuldigung gab. „Ich wusste nicht, dass sie Euer ist, Herr!“
Juan de Anasco schnaufte vor Wut. Andererseits war die Sklavin zwar sein Besitz, aber nachdem nicht wirklich etwas geschehen war, hatte er kaum eine Möglichkeit, den Kerl zu bestrafen.
„Zwanzig Stockhiebe, weil ich dich mit meinem Eigentum erwischt habe!“
„Danke, Herr! Danke! Es wird nicht wieder vorkommen!“ Espindola erkannte, dass er gerade glimpflich davon kam. Es gab genug Frauen, an denen er sich befriedigen konnte, da war es besser, das Eigentum dieses Capitán in Ruhe zu lassen. Er fand es nur verwunderlich, dass der Caballero sich überhaupt darüber aufregte.
Der Capitán überwachte die Strafe, während er über die mangelnde Disziplin nachdachte. Im Grunde war dies ein gutes Exempel an seine Truppe, es nicht zu weit zu treiben. Seit ihrer Ankunft in Florida war einige Zeit vergangen und die Männer verrohten zusehends.
Aber es waren nicht nur die Männer, um die er sich Sorgen machte. Die Kampfkraft der Expedition hatte sehr gelitten und ein Großteil der Ausrüstung war vernichtet worden. Viele Soldaten forderten die Rückkehr zum Meer, um dort mit Schiffen die Rückreise nach Mexiko antreten zu können. Bisher hatten sie keine Reichtümer finden können und die Menschen wurden ungeduldig. Seit fast zwei Jahren waren sie in diesem feindlichen Land unterwegs, ohne die versprochenen Schätze gefunden zu haben. Stattdessen waren sie auf äußerst kriegerische Wilde gestoßen, die sie immer weiter in die Irre geführt hatten. Die Munition für die Arkebusen wurde spärlich und eigentlich nur noch zur Einschüchterung der Eingeborenen verwendet, ebenso schlecht stand es um all die anderen Teile der Ausrüstung. Der Gouverneur hatte Meldung erhalten, dass an der Küste Schiffe warteten. In nur wenigen Tagesreisen wäre es möglich, diese zu erreichen. Der Winter stand bevor und sie hatten fast keine Vorräte mehr.
Auch Juan wollte zurück. Der Kampf war schrecklich gewesen und hatte ihnen gezeigt, dass die Eingeborenen ihnen erheblichen Schaden zufügen konnten. Bisher hatte die Expedition nur Geld gekostet und Juan glaubte nicht mehr daran, dass hier noch Reichtümer zu finden waren. Immer öfter dachte er an die spanischen Frauen mit ihren warmen braunen Augen und ihrer dezenten Erscheinung. Ihre Körper waren stets mit schweren Stoffen umhüllt und zeigten sich nicht in dieser Nacktheit der eingeborenen Frauen. Der Mieder der spanischen Frauen war sogar mit einer Platte verstärkt, damit niemand an ihre Weiblichkeit erinnert wurde. Die Haare waren zu kunstvollen Frisuren hochgesteckt, die umrahmt waren von der weißen Spitzenkrause, die jetzt modern war. Die Frauen schminkten ihre Gesichter weiß, was ihnen ein nobles Aussehen verlieh. Juan fand die schwarzen Augen des eingeborenen Mädchens abstoßend und ihre braune Haut entsprach ebenfalls nicht seinem Ideal. Selbst als Hausmädchen wäre sie nicht zu gebrauchen. Ehe er nach Spanien zurückkehrte, würde er sie und den Bruder als Sklaven verkaufen. Seufzend dachte er an seine Kleidung, die inzwischen starken Schaden genommen hatte. Seine Rüstung rostete an mehreren Stellen und musste immer wieder poliert und eingeölt werden. Die Schnallen und Ösen zersetzten sich und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann er den Brustharnisch nicht mehr anziehen konnte. Einzig der Helm schien stabil genug zu sein und der Witterung zu trotzen. Seine Stiefel fielen auseinander, weil das Leder spröde wurde, und seine Alltagskleidung war zerschlissen. Sein Spitzenkragen hing unansehnlich herunter, seine kurze Jacke hatte Risse und seine Hemden waren höchstens noch Putzlumpen. Dieses dumme Eingeborenenmädchen wusste nichts davon, wie man Kleidung flickte, und so wandte er sich an die edlen Frauen des Gefolges, die ihm diese Dienste taten.
Manchmal bereute er, dass er keine Frau mitgebracht hatte, aber dann überkam ihn die Vernunft. Es war besser, eine Frau nicht diesen Gefahren und diesem einfachen Leben auszusetzen. Er stellte sich Isabella in dieser Umgebung vor und schüttelte den Kopf. Nein, ihr würde es so ergehen wie den anderen Geschöpfen, die ihren Männern hierher gefolgt waren. Verschollen in der Wildnis, umgeben von Wilden, ohne Komfort und angemessene Unterkunft. Einige Frauen waren den Fußsoldaten gefolgt und sie litten unter den Entbehrungen. Ihre Kleider waren ebenfalls zerschlissen, ihre Reifröcke kaputt und ihre Mieder fielen auseinander. Es war kaum noch möglich, sich anständig zu kleiden, und Juan befürchtete, dass die Frauen irgendwann herumlaufen würden wie diese Wilden. Selbst die Damen der Offiziere sahen inzwischen aus wie Vogelscheuchen. Der Gouverneur hatte immer noch Tisch und Stühle dabei, lebte in seinem großen Zelt und hofierte wie ein König. Doch die Priester beklagten den Verlust des Messweins und der heiligen Ornamente. Auch einige Truhen mit Kleidung waren verbrannt, was einen herben Verlust bedeutete, weil sie nicht ersetzt werden konnten. Don Antonio Osorio, der in Spanien das Leben eines Königs geführt hatte, lief inzwischen barfuß, und unter der zerfetzten Kleidung schaute das Fleisch heraus. Anfangs hatte Juan das höfische Benehmen des Mannes belächelt, aber inzwischen war nichts mehr von dessen Noblesse übrig geblieben. Hier waren alle gleich. Die Stimmung war gedrückt, verstummt waren das Singen am Abend und die melancholische Begleitung auf der Gitarre. Die letzte Gitarre war in Mabila ein Raub der Flammen geworden. Verstummt war auch das Lachen der wenigen Kinder, die den Tross begleitet hatten. Sie waren an den Strapazen gestorben und neugeborene Babys überlebten meist die ersten Wochen nicht. Dieses Land war gänzlich ungeeignet,