Machwao grinste schief. „Du solltest jetzt schlafen! Du siehst furchtbar aus.“
Wakoh nickte nur und trottete wie ein kleiner Hund davon. Er verschwand in dem kleinen Wigwam, in dem er allein mit seiner Mutter lebte. Er war der einzige Überlebende von insgesamt fünf Geschwistern. Das war vielleicht auch ein Grund, warum er oft so zurückhaltend war, denn er war mit Tod und Trauer aufgewachsen. Das Lachen war schon früh aus diesem Wigwam verschwunden.
Wapus zog Machwao mit sich fort, der dem Krieger immer noch nachdenklich hinterher sah. „Was ist los? Stimmt was nicht?“
„Hoh, ich dachte daran, mit Biberherz darüber zu reden, ob es vielleicht vorausschauend wäre, auch tagsüber Wachen aufzustellen“, meinte Machwao ausweichend.
Wapus blieb wieder stehen und nickte. „Du hast recht! Wir werden erst sicher sein, wenn der erste Schnee fällt.“
Biberherz war der derzeitige Führer des Stammes. Er gehörte dem Bärenclan an und war somit geeignet gewesen, diese Rolle zu übernehmen. Er hatte sie von seinem Vater, einem ebenso geachteten Anführer, geerbt. Ihm zur Seite standen die anderen Ratsmitglieder, die jedoch stets auch die Clanmütter befragten, wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Biberherz zählte bereits mehr als fünfzig Winter, doch von ihm wurden weniger Tapferkeit und Kampfeskraft als weise Entscheidungen gefragt. Für Kriegszeiten wurde der Kriegshäuptling gewählt. Die beiden machten einen kleinen Umweg und duckten sich, als sie nach einem Räuspern in den Wigwam des Häuptlings traten. Innen war es geräumig und warm. An den Wänden standen erhöhte Bettgestelle, doch um das Feuer herum lagen einige Felle, die den Besucher zum Sitzen einluden. Noch wurde vor dem Wigwam gekocht, sodass die Männer allein mit Biberherz sprechen konnten.
Der Häuptling hörte aufmerksam zu und machte eine abschließende Handbewegung. „Es war weise von Wakoh, diese Nacht über uns zu wachen. Ich werde dem Rat berichten und empfehlen, die nächsten Tage Wachen aufzustellen. Euer Rat ist wohlüberlegt. Ich denke auch, dass wahrscheinlich mehr Anishinabe hierher unterwegs sind. Wenn nicht zu diesem Dorf, dann doch zu anderen. Wir sollten auch Läufer aussenden, die die anderen Dörfer warnen. Vielleicht war das der Grund, warum Awässehneskas verletzt wurde? Um uns zu warnen?“
Wapus hob die Schultern. „Es geschieht nichts ohne Grund. Wir waren auch nicht unvorsichtig. Wakoh hatte uns gewarnt, denn er hatte die Feinde erspäht. Trotzdem hat der Pfeil Awässeh-neskas erwischt.“
Biberherz nickte. „Seht ihr! Ihr denkt wie ich. Wir werden Wachen aufstellen. Und ich werde den Frauen und Kindern sagen, dass sie das Dorf nicht verlassen sollen!“ Er trat mit den beiden Männern vor den Wigwam und gab einigen Jugendlichen, die in der Nähe der Erwachsenen darauf warteten, vielleicht spannende Geschichten zu hören, die Anweisung, die Nähe des Dorfes auszukundschaften. Nur zu gerne machten die Jungen sich auf den Weg, denn es war eine ehrenvolle Aufgabe. Feinde auszuspähen hörte sich nach Gefahr an und die Jungen wollten sich bewähren und ihren Wert für das Volk zeigen. Biberherz schüttelte schmunzelnd den Kopf und machte sich auf den Weg zum größeren Wigwam, der für die Ratsversammlungen genutzt wurde.
* * *
Halbwegs beruhigt gingen Machwao und Wapus zum Steinemacher des Dorfes. In dessen Wigwam hingen viele Zaubergegenständen an der Decke, denn die Arbeit mit den grünen Steinen verlangte viele Gebete und Zeremonien. Der große weiße Bär mit dem Kupferschwanz überwachte genau, was mit seinem Geschenk geschah. Der Mann war aber auch ein Meister darin, Pfeilspitzen herzustellen und Bögen zu bauen. Er hieß „Bärenauge“, was ja gut passte, denn er hütete das Geschenk des Bären wie seinen Augapfel. Auch er war schon älter und wurde gerade deswegen mit besonderem Respekt behandelt. Bärenauge hatte einen Sohn, der bereits in die Geheimnisse eingeweiht wurde. Ein anderer Sohn war ein guter Jäger, der lieber einen anderen Weg für sich suchte. Außerdem hatte der Steinemacher noch einen Schüler seines Clans, den er für gut befunden hatte, um ihn auszubilden. Niemand stellte dies in Frage, denn es war seit Anbeginn der Zeit so.
Machwao reichte dem älteren Mann ehrerbietig den Beutel mit den Steinen. Der Mann ließ sich genau erklären, wie sie zu den Steinen gekommen waren, und legte dann nachdenklich den Kopf zur Seite. „Nachdem ihr die Steine mit Blut bezahlt habt, müssen wir erst eine Reinigungszeremonie machen!“
Machwao sagte nichts und Wapus senkte verlegen den Kopf. „Sie haben uns überrascht. Ohne Wakoh wären wir vielleicht tot!“ Bärenauge lächelte weich, denn er sah darin keinen Widerspruch.
„Ihr habt euer Leben verteidigt!“, beeilte er sich zu sagen. „Dennoch wurden Leben geopfert, die wir nun versöhnen müssen! Erst dann ist es möglich, die grünen Steine zu bearbeiten.“
„Hätten wir sie besser liegen lassen sollen?“
Der Steinemacher legte wieder den Kopf schief und dachte darüber nach. „Nein, denn sie waren bereits gesammelt worden. Das Geschenk des Bären abzulehnen, hätte sicherlich Strafe nach sich gezogen.“
„Hmh!“ Machwao war nicht so ganz überzeugt, denn sein Freund hatte einen hohen Preis hierfür bezahlt.
Der Steinemacher überhörte die gebrummten Zweifel.
„Ich kenne jetzt eure Geschichte und kann die Geister um Verzeihung bitten. Anschließend werde ich wunderschöne Dinge erstellen können.“ Er nahm abschätzend einen Klumpen in die Hand und zeigte ihn den beiden Männern. „Seht ihr? Hieraus lässt sich eine Figur zaubern.“ Er nahm einen anderen Klumpen in die Hand und drehte ihn hin und her. „Und hier sehe ich eine scharfe Messerklinge …!“ Er machte eine auffordernde Handbewegung und scheuchte die Männer damit hinaus. „Und nun geht! Ich habe Arbeit vor mir!“
Gewalt
(Lager bei Mabila)
Maisblüte war wie in einem Alptraum gefangen. Sie war diesem Käfer-Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Immer wieder verlangte er den Beischlaf, bis sich bei Maisblüte eine gewisse Gleichgültigkeit einstellte. Sie öffnete ihre Beine, soweit es die Fesseln erlaubten, ließ ihn seine Lust befriedigen und drehte sich dann auf die Seite, um zu schlafen. Sie hatte gelernt, dass es besser war, sich die intime Stelle mit dem Fett der Suppe einzureiben, damit es nicht so wehtat.
Der Mann war sehr zufrieden und begnügte sich damit, ihren jungen Körper zu besitzen. Er verzichtete auf Quälereien und sorgte dafür, dass sie genug zu essen bekam. Er lachte vergnügt und lehrte vor allen Dingen Nana die Worte seiner Sprache. Das Kind lernte geschwind und das schien ihm zu gefallen. Nana durfte sich ungehindert im Lager bewegen und hatte lediglich die Aufgabe, die Ausrüstung zu putzen und Feuerholz zu sammeln. Maisblüte dagegen blieb meist in dem winzigen Zelt und kochte für den Mann. Die Ausrüstung der Fremden war in einem schlimmen Zustand, sodass sie inzwischen dazu übergingen, sich Kleidung aus den Fellen der einheimischen Tiere zu schneidern. Maisblüte konnte gerben und verarbeitete geschickt die Felle, die Juan ihr gab. Sie lernte mit den dünnen Nähnadeln zu arbeiten und die Stiche enger zu setzen, damit es Juan gefiel. Manchmal weinte sie, wenn die Fesseln an ihren Knöcheln juckten. An einer Stelle hatte sich nach kurzer Zeit eine Entzündung gebildet, aber Juan achtete nicht auf ihre zaghaften Hinweise.
Capitán Juan schickte das Kind hinaus, wenn er ihren Körper forderte, und ließ sich auch durch Flehen und Bitten nicht in seiner Absicht hindern. Er schien es zu genießen, wenn sie ihm nicht entfliehen konnte und die Ketten an ihren Füßen rasselten. Er verging sich fast täglich an ihr und genoss es, an ihren jungen Brüsten zu saugen. Für Juan war sie kein Mensch, sondern ein Lebewesen, das nur dafür da war, ihm zu gefallen. Manchmal bestieg er sie wie ein Hund und schnaufte vor Befriedigung, während sie stöhnend unter ihm zusammensank. Die Verletzung an seinem Arm war verheilt und so war er oft unterwegs, um die umliegenden Dörfer nach Nahrungsmitteln zu durchstreifen. Die Gegend war dicht besiedelt, aber die Menschen flohen, wenn die Spanier näher kamen.
Oft kamen die Spanier aber auch in Dörfer, die von Krankheiten heimgesucht worden waren. In diesen Dörfern stießen sie meist nur noch auf Leichen. Anscheinend war niemand mehr da, der sie hätte begraben können, oder die Überlebenden hatten das Dorf in Panik verlassen. Die Spanier suchten dann nach den Lebensmittelvorräten,