Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


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waren zu hören, der Rauch der Lagerfeuer stieg in die dunkle Nacht und die Weiber des Trosses gingen schon wieder ihren Geschäften nach. Ihr hysterisches Kichern übertönte so manches Stöhnen. Juan achtete darauf, dass sein Verband trocken blieb, und kehrte mit seiner Kleidung im Arm zurück. Zwei Mann salutierten, als er an ihnen vorbeikam, und machten ihm Platz. Er nickte ihnen zu, dann schlüpfte er wieder in das Zelt, das seine Männer für ihn aufgebaut hatten. Das war der Vorteil an seiner Position: Irgendwer war immer eingeteilt, sich um die Ausrüstung des Capitán zu kümmern. Sein Blick gewöhnte sich an die Dunkelheit und er musterte seine Sklavin. Das Mädchen lag immer noch bewegungslos auf der Decke und für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie nicht mehr atmen. Er fasste an ihren Hals und überprüfte das leichte Pulsieren. Dann entzündete er eine Kerze und betrachtete seine Gefangene genauer. Sie war jung, mit ebenmäßigen Gesichtszügen. Er hatte sie mit seinem Tun verletzt, aber es bereitete ihm keine Gewissensbisse, denn eine Sklavin verdiente kein Mitleid. Er suchte ein Tuch aus seinem Gepäck und legte es ihr zwischen die Beine. Dann deckte er sie zu. Der Rausch des ersten Kopulierens war vorbei und er beschloss, das Mädchen etwas zu schonen, bis die Wunden verheilt waren. Solange konnte sie ihm dienen und bei den Arbeiten behilflich sein. Es war kein Mitleid, das sein Denken bestimmte, sondern der Nutzen, eine gefangene Frau zu besitzen. Er dachte dabei an Isabella, die er in Spanien zu heiraten gedachte. Diese Sklavin bedeutete ihm nichts, sondern diente nur seinen Gelüsten, wie all die anderen, die er bereits auf seinen abenteuerlichen Reisen gehabt hatte.

      Diese Indioweiber waren nicht viel Wert, denn meist starben sie schnell in Gefangenschaft. Er hatte sich inzwischen an die Nacktheit dieser Indioweiber gewöhnt, obwohl die Soldaten immer wieder nach diesen Frauen geiferten. Diese Heiden waren vollkommen hemmungslos und ohne jeden Anstand. Natürlich gefiel es ihm, wenn er die Brüste der Frauen sah, die ihre Nacktheit schamlos zur Schau stellten. Warum sollte er sich dann nicht bedienen?

      Sein Arm schmerzte und er legte sich neben die Gefangene, um zu dösen. Aus den anderen Zelten klang Stöhnen, manchmal Schreie, wenn die Verletzten die Schmerzen nicht mehr aushielten. Über zweihundert ihrer Männer waren verwundet worden und morgen würden die Gefallenen bestattet werden. Er dachte an den Neffen DeSotos, der unter seinem Kommando gestanden hatte, und an Don Carlos, der ebenfalls sein Leben gelassen hatte. Gesprächsfetzen drangen an seine Ohren und die anderen Geräusche des Lagers. Er konnte keinen Sinn in den Silben erkennen, die an sein Ohr drangen, und so wurde er müde. Sein Blut hatte aufgehört, in seinen Kopf zu pulsieren, und so pustete er die Kerze aus und ließ sich in den Schlaf treiben. Am Morgen würde er dem Mädchen Ketten anlegen lassen, damit sie ihm nicht weglief. Sie war nicht besonders wertvoll, aber besser als nichts.

      * * *

      Maisblüte erwachte mit einem schalen Geschmack im Mund. Sie war orientierungslos und wusste erst nicht, wo sie sich befand. Nur langsam kehrten die Erinnerungen an den letzten Tag zurück und sie versuchte, ihre schweren Glieder zu bewegen. Ihre Arme und Beine waren so taub, dass es zu mühsam war, sie zu bewegen. Ihr Schoß brannte und brachte die Erinnerung an das zurück, was die Männer ihr angetan hatten. Ihr nächster Gedanke war, dass diese Männer es wieder tun würden. Sie war jetzt eine Sklavin, so wie die Frau im Haushalt ihres Vaters. Ihr war klar, was das bedeutete. Sie hatte keinen Schutz mehr, denn ihre Eltern waren tot. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an all die Menschen dachte, die Hashtali sich geholt hatte. Warum waren ihre Gebete nicht erhört worden? Hatten sie die Zeremonien nicht immer voller Ehrerbietung abgehalten? Was hatte ihr Volk getan, um solche Unbill auf sich zu lenken? Was hatte sie getan, dass sie diese Strafe erhielt? Sie atmete tief ein und versuchte sich aufzusetzen. Benommen griff sie nach dem zerrissenen Kleid und versuchte sich vor seinen Blicken zu schützen. Der fremde Mann starrte sie lüstern an und verzog die Lippen. Sollte es ein Lächeln sein? Es sah seltsam aus in diesem behaarten Gesicht. Er zeigte mit dem Finger auf sich und meinte „Capitán Juan“. Sie verstand, dass dies sein Name war, und nickte verstehend. Es war nicht klug, ihn zu verärgern.

      „Und du?”, fragte der Mann in seiner Sprache.

      „Tanchi!”, hauchte sie. Maisblüte. Ihre Kehle kratzte vor Angst.

      * * *

      Für den Mann war der Name unaussprechlich oder zu heidnisch.

      „Maria!“, sagte er mit Nachdruck. Maria war jetzt ihr Name. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte. Er drückte ihr dabei einen Schwung Kleidung in die Arme.

      Maisblüte folgte ihm zum Fluss und verstand, dass sie seine Kleidung mit einem Stück stinkendem Stein waschen sollte. Sie kannte keine Seife und hatte so etwas noch nie gesehen, geschweigen denn so einen Geruch vernommen. Der Stein schäumte seltsam, als sie wie geheißen den Stoff damit rubbelte. Dann rutschte das glitschige Ding in den Fluss und der Mann schimpfte gereizt. Es war schwierig, den glitschigen Stein wieder einzufangen, doch sie griff mit beiden Händen danach, bis sie ihn wieder in den Händen hielt. Wesentlich vorsichtiger begann sie die Kleidung zu waschen, während der Capitán sich auf einen Stein am Ufer setzte.

      Unter ihren Wimpern nahm Maisblüte die Umgebung in Augenschein. Überall waren diese Fremden und verrichteten ihre Arbeiten. In der Ferne lag immer noch Qualm über den verbrannten Chukkas und Soldaten waren damit beschäftigt, die Leichen auf Haufen zu legen und zu verbrennen. Es gehörte sich nicht, denn die Chatah bestatteten ihre Toten in Erdhügeln und gaben ihnen Lebensmittel für ihre Reise in die nächste Welt mit. Dort wurde der Ahnen noch lange gedacht und ihnen immer wieder Essen gebracht. Der Shilombish ihrer Eltern würde auf ewig hier herumgeistern, wenn sie nicht angemessen bestattet wurden. Der Shilombish war die äußere Seele eines Menschen. Wenn ein Mensch ermordet worden war, blieb diese äußere Seele solange in der Nähe, bis sie gerächt worden war. Nur der Shilup, die innere Seele, ging in das Glückliche Land und wartete auf die Wiedervereinigung mit dem Shilombish. Aber wer sollte ihre Eltern rächen? Wer sollte sie angemessen begraben? Sie sah nur wenige Überlebende. Tränen liefen über ihre Wangen, als sie die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannte. Sie war diesem Mann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Warum war sie nicht wie all die anderen gestorben? Warum durfte sie ihre Mutter und ihren Vater nicht in das Glückliche Land begleiten?

      Sie wischte die Tränen beiseite und konzentrierte sich auf die Arbeit. Sie wollte nicht, dass Impashilup ihre Seele fraß. Vielleicht hatte es einen Grund, warum Hashtali ihr Leben verschont hatte. Sie musste nach vorne blicken. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit zur Flucht. Sie konnte in andere Dörfer der Chatah fliehen und dort um Schutz bitten. Unter gesenkten Lidern schaute sie sich um und versuchte, ihre Chancen abzuschätzen. Wie mächtig waren diese fremden Götter? Und warum verhielten sie sich nicht wie Götter?

      Die Fremden hatten ihr Lager in einiger Entfernung aufgeschlagen. Überall standen ihre großen und kleinen Zelte, zudem wurden Verschläge für die Tiere gebaut. An langen Leinen baumelte Kleidung im Wind und am Fluss herrschte reges Treiben, weil die Soldaten und das Fußvolk dort badeten. Wunden wurden versorgt, Waffen gereinigt, die Ausrüstung erneuert, und Stoßtrupps brachten Lebensmittel aus anderen Dörfern der Chatah, die ebenso viele ihrer Krieger verloren hatten und sich kaum noch verteidigen konnten. Maisblüte hockte am Wasser und schrubbte die Kleidung des Mannes, dem sie als Sklavin dienen musste. Sie wunderte sich über diese Sitte, denn ihr Volk wusch die Kleidung nicht, sondern fertigte sich einfach neue an. Die Umhänge aus Maulbeerbaumrinde wurden meist nur geklopft und ließen sich schnell herstellen, und die Lederkleidung wurde steif, wenn sie nass wurde. Warum sich also die Arbeit machen? Der Stoff in ihren Händen sog sich voll Wasser und wurde schwer. Sie brauchte beide Hände, um es der Strömung wieder zu entreißen. Noch schwieriger war es, die Kleidung auszuwringen. Dann legte sie die Wäsche auf einen Haufen und wartete ab. Der Mann untersuchte gerade seinen Verband und beachtete sie nicht. Konnten Götter von Sterblichen verletzt werden? Ihr kamen langsam Zweifel, denn der Soldat, der diesen vierbeinigen Dämonen ritt, handelte wie ein gieriger Mann. Sonst nichts. Und man konnte ihn verletzen und töten!

      Sorgfältig beobachtete Maisblüte das Geschehen um sich herum. Ganz in ihrer Nähe war eine Umzäunung für die Pferde der Soldaten gebaut worden. Sie staunte, wie schnell diese Menschen in ihren Arbeiten waren. Sie hatten einfach Pfosten in den Boden gehauen und dazwischen Balken angebracht, die von Lederschnüren gehalten wurden. Sie glaubte nicht, dass diese Tiere wirklich darin gehalten werden