Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


Скачать книгу

Dörfer geplündert und Sklaven genommen, immer auf der Suche nach den Goldschätzen, die sie erhofft hatten zu finden, doch der erbitterte Widerstand dieses Häuptlings hatte ihnen böse zugesetzt.

      Juan war ebenso wie der Gouverneur aus der Extremadura und sie waren im Namen von Spanien nach Florida gekommen, um das Land für die spanische Krone in Besitz zu nehmen, Gold zu finden und den Weg zum anderen Ozean zu finden, der ihnen eine Passage nach China sichern sollte.

      Nach der Reconquista, bei der die Mauren aus Spanien vertrieben wurden, war gerade diese Provinz beseelt von einem fanatischen christlichen Sendungsbewusstsein, was so weit führte, dass bei ihren Eroberungen in den Dörfern das Kreuz errichtet und versucht wurde, den Häuptling und sein Gefolge zu bekehren. Die Bulle des Papstes erteilte ihnen Absolution in all ihrem Gebaren. Sie war 1493 von Papst Alexander VI. verfasst worden und besagte, dass alles Land, das nicht von Christen bewohnt war, entdeckt, erobert und ausgebeutet werden durfte. Sie hatte immer noch Bestand und wurde inzwischen auch von anderen Eroberern als Legitimation benutzt.

      Juan sah in den Einheimischen ungläubige Wilde, die keine Gnade verdienten. Er wollte Reichtümer erwerben und fühlte, ebenso wie viele der anderen Soldaten, kein Mitleid mit den Menschen, die er besiegte und ausraubte. Einige Soldaten hatten schon mit DeSoto in Südamerika gekämpft und einigen Reichtum erworben. Auch Juan war dem Ruf DeSotos damals gefolgt und hatte sich ihm ein weiteres Mal angeschlossen. Mit drei eigenen Pferden und seiner gesamten Ausrüstung war er aufgebrochen und er stellte nüchtern fest, dass seit dem Aufbruch nicht mehr viel übrig geblieben war. Ein Pferd hatte er bereits verloren, sein Sklave war entlaufen und seine Ausrüstung war in einem schlimmen Zustand. Fast hatte er vergessen, dass er ebenfalls der Capitán eines Schiffes war, das an der Küste auf ihn wartete. Er zählte Mitte Vierzig und er war durch und durch ein skrupelloser Abenteurer. Er hatte bereits Reichtümer angehäuft und plante, sich nach dieser Expedition als reicher Mann zur Ruhe zu setzen. Noch hatte er nicht geheiratet, weil sein Lebenswandel kein Umgang für eine christliche Frau war. Außerdem schätzte er das Herumhuren. Aber irgendwann würde er sich zur Ruhe setzen und von seinen Erinnerungen zehren. Wenn er es aus diesem von Gott verfluchten Land zurück schaffte.

      Sein Aussehen spiegelte sein abenteuerliches Leben. Er war selbst für einen Spanier sehr groß und damit eine eindrucksvolle Erscheinung. Sein Körper war durchtrainiert, wie es sich für den Capitán der Lanzenreiter gehörte, der sich stets mit seinen Männern in das dichteste Kampfgetümmel stürzte. Sein Gesicht war hager, mit einer gebogenen Nase und strengen Mundwinkeln, die auf zynische Art nach unten gezogen waren. Seine dunklen Augen lagen unter dichten Augenbrauen und schienen alles durchbohren zu wollen. Eine hohe Stirn wurde teils von schwarzen Locken verborgen und ein ungepflegter Bart bedeckte die untere Gesichtshälfte. Es war deutlich zu sehen, dass der Mann schon länger auf Körperpflege und Schneiderei verzichten hatte müssen, denn seine einst prächtige Kleidung war zerschlissen und wirkte heruntergekommen.

      Die Armverletzung schmerzte und dies brachte Juan in die Realität zurück. Missmutig sah er auf den zerrissenen Ärmel seines Gewandes, das der Barbier aufgetrennt hatte, um den Pfeil dieser undankbaren Eingeborenen zu entfernen. Der Mann war gerade damit beschäftigt, einen Verband um den Oberarm zu wickeln.

      „Nicht schlimm!“, meinte er mit wenig Mitgefühl.

      Juan spuckte wütend auf den Boden und runzelte die Stirn. Die Armverletzung war tatsächlich nicht das Problem. Schlimmer war der Verlust der Ausrüstung und Kleidung, die den Flammen zum Opfer gefallen war. Er sah an sich hinunter und seufzte tief. Die Brokatstoffe standen vor Dreck und das ursprünglich weiße Unterhemd mit dem weißen Kragen hatte sich von dem Schweiß gelblich verfärbt.

      Die Wunde am Arm pochte und kurz schloss er die Augen, um den Schwindel zu vertreiben. Der Geruch nach verbranntem Menschenfleisch lag schwer in der Luft und er wünschte sich eine frische Meeresbrise herbei. Wenn er die Augen schloss, konnte er das Stöhnen der Verletzten umso deutlicher hören, und er dachte kurz an die Männer, die gefallen waren. Sie hatten es hinter sich, während die Verwundeten immer noch darauf warteten, versorgt zu werden. Selbst der Gouverneur hatte dieses Mal einen Pfeil abbekommen. In den Allerwertesten! Eigentlich war das zum Lachen, wenn die Verluste nicht so arg wären.

      Juan öffnete die Augen, als der Barbier ihn erneut ansprach. „Sie müssen den Arm ruhig halten, damit die Wunde heilen kann!“, wurde er ermahnt.

      Juan unterdrückte eine böse Bemerkung. Er hatte keinen Sklaven mehr, der die Arbeit für ihn verrichtete. Er konnte höchstens seinen Soldaten Befehle erteilen und die Weiber im Tross bitten, seine Wäsche zu waschen. „Wie viele Verwundete haben wir?“, erkundigte er sich mit ruhiger Stimme. Er wollte wissen, ob sie entscheidend in ihrer Kampfkraft geschwächt waren.

      „Über zweihundert!“, antwortete der Barbier. „Ich habe alle Hände voll zu tun. Meist Pfeilwunden, aber auch Brandverletzungen.“

      „Und Tote?“

      Der Barbier zuckte mit den Schultern. „Weiß ich noch nicht genau. Einige werden ihren Verletzungen wohl noch erliegen. Genaues weiß ich erst in ein paar Tagen.“

      „Wir können also nicht weiterziehen?“ Es klang gereizt.

      Der Barbier schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall! Es wird sicherlich ein paar Tage dauern, ehe die Verwundeten transportfähig sind.“ Der Barbier packte seine Bündel und warf dem Capitán einen freundlichen Blick zu. „Soll ich Sie zu Ihrem Zelt begleiten?“

      Die Mundwinkel von Juan zogen sich spöttisch nach unten. „Ich habe eine Verletzung am Arm, nicht am Fuß!“

      „Also dann! Ich melde mich, wenn ich die genauen Verluste habe!“

      Juan nickte gnädig und setzte sich langsam in Bewegung. Sein Blick schweifte durch das Lager, das in aller Eile aufgebaut worden war. Lagerfeuer beleuchten die ersten Zelte, in die die Verwundeten getragen wurden. Es war bereits dunkel, sodass die schlimmsten Eindrücke verborgen blieben.

      Juan ging zum Zelt des Gouverneurs, der seine Berater um sich versammelt hatte. Er salutierte kurz und setzte sich dann auf eine provisorische Bank, die für die Offiziere aufgebaut worden war. Kurz musterte er die anwesenden Herren, die ebenfalls noch keine Zeit gefunden hatten, sich umzuziehen. Blutbesudelte Gewänder zeugten davon, dass alle an den Kampfhandlungen beteiligt gewesen waren. Sie stanken nach Blut, Schweiß und Rauch. Juan wischte sich den Schweiß von der Stirn und wartete auf die Worte des Gouverneurs. Dann stand er auf, als ein Priester zuerst ein Gebet sprach und sich bei der Jungfrau Maria für den Sieg über die Heiden bedankte. „Amen!“, flüsterten alle, dann blickten sie mit Spannung auf den Gouverneur.

      „Es ist im Moment noch nicht abschätzbar, welcher Schaden entstanden ist“, fing der Gouverneur mit bedächtigen Worten an.

      „Unsere Gedanken gelten den Verletzten und denjenigen, die nicht mehr unter uns weilen. Mein Neffe ist gefallen, wie ihr vielleicht wisst! Ich möchte seinen Tod nicht hervorheben, denn jeder Mann, der heute gefallen ist, stellt einen herben Verlust dar. Ich kann noch nicht sagen, wie viele Verletzte wir haben, aber es sind beträchtlich viele. In den nächsten Tagen erwarte ich detaillierte Berichte. Außerdem warte ich auf Nachricht von den Schiffen, die in diesen Tagen vor der Küste eintreffen müssten.“

      „Haben wir Gefangene gemacht?“, erkundigte sich Juan.

      Der Gouverneur schüttelte verneinend den Kopf. „Diese Wilden haben eher Selbstmord begangen, als sich uns auszuliefern. Einige Kinder konnten flüchten, aber ansonsten sind die Bewohner entweder tot oder verbrannt. Die Hölle wird diese Heiden aufnehmen! Einzig die Frauen des Priesters haben überlebt. Sie waren in der Hütte auf dem Hügel, wo die Flammen nicht hingekommen sind. Ich dachte daran, sie Euch zu überlassen. Sie werden als Sklavinnen sicherlich gute Dienste tun.“

      „Und wer soll diese Frauen bekommen?“, erkundigte sich Luis de Mostoso. Er war der Maestro del Campo, der Lagerverwalter, und stand in der Hierarchie gleich nach dem Gouverneur. Er befehligte den gesamten Tross und damit den Nachschub. „Wir bräuchten wirklich wieder Träger und Frauen!“ Es war ein kleiner Hieb, denn der Maestro verabscheute das Verschwenden von Ressourcen. Ein Dorf mit fast fünftausend Menschen zu vernichten, war in seinen Augen keine gelungene