an die fünfundzwanzig Winter und war etwas älter als Machwao. Auch er war noch nicht verheiratet, sondern schien Freude daran zu finden, seine Freunde auf abenteuerlichen Reisen zu begleiten. Er war ein guter und gnadenloser Kämpfer, der schon manches Mal das Dorf gegen Angreifer verteidigt hatte. Sein Körper war muskulös und mit Tattoos verziert, eine Angewohnheit, die sonst eher unüblich war. Auch sein Gesicht hatte ein schwarz-rotes Tattoo, das auf Feinde durchaus gefährlich und abschreckend wirkte. Aber vielleicht war auch das der Grund, warum er bisher keine Frau gefunden hatte. Wakoh glaubte jedoch, dass die Tattoos ihn schützen würden. Er hatte sie zum Teil selbst gestochen und eingefärbt. Nur im Gesicht hatte er sich von einem Metewin-Mann helfen lassen, der diese Bemalung auch für ihn geträumt hatte. Das Kinn war schwarz tätowiert und auf der Stirn waren drei rote Streifen zu sehen.
Gegen Mittag erreichten sie den Käqcekam und paddelten in kurzer Entfernung zum Ufer gegen Südwesten dahin. Es war nicht ganz ungefährlich, denn auf dem See waren sie weithin zu sehen. Kein Schilf, kein Wildreis, einfach nichts schützte sie vor möglichen Feinden. Der Große See machte das Reisen leicht, aber vergrößerte auch die Gefahr, durch Feinde entdeckt zu werden. Sie brauchten zwei Tage, um die Mündung des Okaw-Sipiah zu erreichen, doch dann paddelten sie aufatmend die Mündung des Flusses stromaufwärts. Wie sie es erwartet hatten, war der Fluss hier durch Schilf und hohe Halme geschützt, die den Blick auf ein einsames Kanu verbargen. Manchmal stob ein Wasservogel vor ihnen davon, ansonsten war es ruhig. Die Tage waren warm, wie ein später Indianersommer. Nur nachts lagerten die Männer um ein warmes Feuer und erinnerten sich daran, dass der Herbst auch schnell ein anderes Gesicht zeigen konnte.
Nach einem weiteren Tag erreichten sie endlich ihr Ziel: eine kleine Ausbuchtung des Flusses, an dessen Ufer die seltsamen grünen Steine zu finden waren. Manche lagen einfach im Kies des Flussbettes, andere musste man gewinnen, indem man ein wenig im Kies und Sand des Flusses grub. Man konnte die Steine einfach durch Klopfen in die gewünschte Form bringen, aber es gab auch Wissende, die mehrere Steine erhitzten, miteinander verbanden und dann diese größere Fläche bearbeiteten. Keiner der Freunde war dazu im Stande. Ihre Aufgabe war es, dieses wertvolle Erz zu sammeln und zum Volk zurückzubringen. Allein das Sammeln stellte eine gewisse Gefahr dar, denn man entfernte sich von den geschützten Gefilden des Dorfes.
Machwao steuerte die Sandbank an und konnte ein Grinsen nicht mehr unterbinden, als Wakoh in den Fluss sprang und das Kanu ans Ufer schob. Sein Freund achtete nicht darauf, dass seine Mokassins inzwischen trieften. Die anderen kletterten trockenen Fußes an Land und zogen dann das Kanu aus dem Wasser heraus. Im Nu war ein kleines Lager errichtet und eine Feuerstelle ausgehoben. Dann saßen alle zufrieden beisammen und berieten den nächsten Tag.
„Wir sollten uns aufteilen, dann können wir einen größeren Bereich nach den Steinen absuchen“, schlug Wapus in seiner ruhigen Art vor.
Machwao nickte sein Einverständnis. „Gute Idee, dann finden wir wahrscheinlich mehr.“
„Dann sind wir aber auch verwundbarer!“, wandte Wakoh, der Fuchs, ein. „Ich denke, dass wir einfach von hier aus in eine Richtung gehen sollten. Gemeinsam! Dann sehen wir ja, welche Geschenke der Weiße Bär für uns vorgesehen hat.“
Machwao staunte über die plötzliche Besonnenheit seines Freundes. „Eine gute Idee! Wir sind nicht so verletzlich, schützen uns gegenseitig und liefern uns nicht den Feinden aus.“
Wakoh nickte und seine sonst so gefährlich wirkenden Tattoos verloren ihre beängstigende Wirkung. „Ja, nicht wahr, es gibt auch andere Völker, die vielleicht diesen Ort kennen?“
Wapus stimmte zu. „Sehr richtig. Wakoh hat gut gesprochen. Wir sollten achtsam sein und unseren Schutz nicht vergessen.“ Machwao runzelte die Stirn. „Hast du etwas in deinen Träumen gesehen?“
„Nein!“, beeilte sich Wapus zu sagen. „Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Meine Träume waren gut!“
„Wenn deine Träume gut sind, wieso brauchen wir dann Vorsichtsmaßnahmen?“, wagte Awässeh-neskas zu fragen. Vielleicht dachte er zum ersten Mal an seine Frau, die zuhause auf ihn wartete.
Wapus zuckte mit den Schultern. „Es ist nie schlecht, an Vorsichtsmaßnahmen zu denken. Mäc-awätok kann nicht überall sein.“
„Tss …!“ Awässeh-neskas schüttelte entrüstet den Kopf. „Natürlich ist er überall! Vielleicht sollten wir erneut um seine Gunst beten. Ich meine … wenn du nicht sicher bist!“ Seine Sorge stand gut lesbar in seinem Gesicht und aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf Wapus.
Wapus schüttelte die Verantwortung unwillig von seinen Schultern. „Wir haben gebetet! Ich sagte nur, dass es keinen Sinn hat, in der Aufmerksamkeit nachzulassen. Oder glaubt ihr, dass Mäcawätok, das Große Geheimnis, Mitleid mit den Unaufmerksamen oder Leichtfertigen hat?“
Das klang einleuchtend und alle senkten die Köpfe, um darüber nachzudenken.
Schließlich wagte es Wakoh, das Schweigen zu brechen. Er hatte sich schon immer auf seine eigenen Fähigkeiten verlassen. „Ich werde euch schützen, wenn ihr nach den grünen Steinen sucht. Meinem Auge entgeht nichts.“
„Das ist gut!“, beeilte sich Machwao zu sagen. Ohne es wirklich so zu benennen, war er zum Anführer der Reise geworden. Er hatte es weder angeregt noch geplant, noch hatte er diesen Rang gewollt, aber er spürte, dass alle ihm vertrauten und seine Meinung oft den Ausschlag gab. „Ich fühle mich besser, wenn du über uns wachst, wenn wir die Steine sammeln.“
Wakoh nickte geschmeichelt. „Ich werde euch gut schützen! Und wenn wir zurück sind, dann wirst du vielleicht gut von mir denken!“ Seine Augen fraßen sich in den Augen von Machwao fest.
„Ich denke immer gut von dir!“, verteidigte sich Machwao verwirrt. „Wie meinst du das?“ Er strich die langen Haare nach hinten und musterte den Freund.
Wakoh zögerte verunsichert und wurde dann deutlich. „Ich hoffe, dass deine Schwester bald zur Frau wird. Ich bin nicht vom Bärenclan, sondern gehöre dem Wolfsclan an. Ich hoffte, dass sie mich vielleicht bemerken würde.“ Seine Stimme war ungewohnt sanft und er zeigte plötzlich eine ganz andere Seite.
Machwao unterdrückte ein Stöhnen. Die Lachfältchen um seine Augen glätteten sich, als er ernst wurde. Er konnte diese unausgesprochene Bitte jetzt nicht mit einem Scherz abtun. Wakoh war ein guter Freund, ein guter Kämpfer, aber ein Ehemann für seine Schwester? Wahrscheinlich fürchtete sie ihn genauso wie alle anderen Mädchen! Oder hatte sie diesen verwegenen Krieger schon wohlwollend bemerkt? Zumindest der kahlgeschorene Kopf mit dem Haarschopf schien sie keineswegs gestört zu haben. „Huh!“, stöhnte er übertrieben langsam. „Sie hatte noch nicht einmal ihren ersten Mond. Noch ist sie ein Kind! Kaum alt genug, um sie überhaupt zu beachten.“
Wakoh schenke ihm ein sanftes Lächeln. „Ich kann warten. Deine Schwester ist sanftmütig, fleißig und wäre eine Zierde für meinen Wigwam. Ich würde immer gut auf sie achten.“
„Das weiß ich!“ Machwao winkte ungeduldig ab. Natürlich würde Wakoh seine Schwester achten und ehren. Aber wäre er auch ein guter Ehemann? Kurz streifte sein Blick über die auffälligen Tattoos, die das Gesicht seines Freundes schmückten. Natürlich würde er seine Schwester schützen, aber würde er sie auch lieben? Andererseits wollte er seinen Freund auch nicht enttäuschen. Mit einem Achselzucken tat er die indirekte Frage ab.
„Noch ist sie nur ein Kind. Wer weiß schon, was ihr in den nächsten Monden einfällt und welcher Mann ihr Herz dann berührt.“
„Aber du würdest es gutheißen, wenn ich um sie werbe?“ Wakohs Mimik drückte plötzlich eine Verletzlichkeit aus, die Machwao erstaunte.
„Aber sicher!“, beeilte er sich zu sagen. „Jede Frau kann froh sei, wenn sie dich als Ehemann hat!“ Mit plötzlicher Klarheit erkannte er, dass er die Wahrheit sagte. Wakoh war ein guter Jäger, der seine Familie sicherlich gut versorgen würde. Nur das war wichtig.
Über das Gesicht von Wakoh lief ein weiches Lächeln, das all die furchterregenden Tattoos vergessen ließ. Ja, er wäre ein guter Ehemann! Wahrscheinlich war er nur auf diese Reise mitgekommen, um Machwao