Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


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Träume hatte?

      Machwao stimmte einen leisen Gesang an und bat Mäc-awätok um Klarheit. Zugleich bedankte er sich für die gute Ernte und den Jagderfolg. Die Vorräte, die sie gesammelt hatten, würden sie gut über den Winter bringen. Er blieb eine Weile und genoss die warmen Strahlen der Sonne auf seiner Haut, dann kehrte er zurück zum Lager. Awässeh-neskas, Bärenkralle, stand bereits am Ufer und verrichtete sein Geschäft, während die Frauen eine einfache Mahlzeit zubereiteten. Von der Ente war nichts mehr übrig und so begnügten sie sich mit Trockenfleisch, das sie mit Wasser und Kochsteinen in einem Gefäß aus Birkenrinde weichkochten.

      Die Mutter wendete den Wildreis auf den Matten und schüttete ihn probeweise durch, um nach Ungeziefer zu suchen. Später würde man ihn stampfen und vorsichtig in die Luft werfen, damit die grünen Hülsen einfach weggeweht wurden und nur noch die braunen Körner übrig blieben. Wenn sie einige Handvoll Körner gereinigt hatte, legte sie diese in die bereitgestellten Körbe. Machwao freute sich schon auf die nahrhaften Mahlzeiten. Mit Ahornsirup, Nüssen, Beeren und Fleisch angereichert, schmeckte das Essen besonders gut.

      Sie verbrachten zwei weitere Tage am Ufer der breiten Flussaue und hatten schließlich eine beachtliche Menge Wildreis geerntet. Nebenbei hatte Machwao ein paar Enten erlegt, und Kämenaw Nuki, Regenfrau, hatte einen Hain mit Nüssen entdeckt, die sie eifrig gesammelt hatte. Sie verstauten die Körbe mit den Lebensmitteln im Kanu und Machwao paddelte sie den Manomäh-Fluss hinauf, bis sie wieder das Dorf erreichten. Die Hütten standen weit verteilt auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe des Flusses zwischen den Bäumen. An die hundert Menschen lebten hier und so war es ein ziemlich großes Dorf. Sie hatten keine Palisaden, weil das Dorf mitten im Wald lag und so gut getarnt war. Dies hinderte jedoch Feinde nicht daran, sie immer wieder auszuspähen und zu überfallen. Die Menominee nahmen es hin, so wie sie dem Tornado oder Blizzard widerstanden.

      In der Mitte des Dorfes stand ein längliches Versammlungshaus und daneben die längliche Hütte der Metewin-Gesellschaft. Ansonsten waren die verstreuten Wigwams halbrunde Gestelle aus Ästen, die mit Lagen aus Birkenrinde gedeckt waren. Meist stand eine halbüberdachte Kochstelle daneben und auf einem Gerüst trocknete das Dörrfleisch. Verteilt standen auch Gestelle, an denen Häute gegerbt wurden. Abseits im Wald befand sich zudem die Hütte für menstruierende Frauen. Zwischen den Bäumen waren Beete zu erkennen, in denen die Frauen Mais, Bohnen und Kürbis zogen. Bis auf die Kinder, die zwischen den Hütten spielten, war es ruhig im Dorf.

      Awässeh-neskas war ihnen mit seinem Kanu gefolgt und legte fast gleichzeitig am Ufer an. Die Kinder sprangen ihnen entgegen, barfuß und fast nackt, denn tagsüber war es noch warm. Viele Erwachsene waren ebenfalls noch unterwegs, um die Vorräte zu ergänzen. Geblieben waren die Ältesten und die Kinder, die zu klein waren, um zu helfen, oder Frauen in ihrer Mondzeit.

      Machwao half seiner Mutter, die Körbe zu dem Wigwam zu bringen und in einer Ecke zu verstauen. Ihr Garten lag etwas abseits im Wald, die meisten Früchte waren bereits geerntet und in den Vorratsgruben verstaut worden. Neben dem Wigwam stand ein Gestell aus Ästen, auf denen Fleischstreifen trockneten. Einige Stellen waren leer und die Mutter schimpfte über die Hunde, die das Fleisch sicherlich gestohlen hatten.

      Machwao sagte nichts, sondern trug die Weidenkörbe mit den getrockneten Fleischstreifen zu den vorbereiteten Gruben. Es war ein ausgeklügeltes System, mit dem die Vorräte haltbar gemacht wurden. Ganz unten standen die Tongefäße mit Saatgut für das nächste Jahr. Darüber stapelten sich Gefäße mit Bohnen, Kürbis und getrockneten Früchten. Zum Schluss kam das Dörrfleisch. Die Grube wurde mit Ästen abgedeckt und mit Erde verschlossen. Ein Stab kennzeichnete die Grube, damit sie auch bei Schnee zu finden war. Die Familie hatte mehrere dieser Gruben und blickte entsprechend zuversichtlich auf den kommenden Winter. Aber selbst wenn die eigenen Vorräte aufgebracht waren, würden alle Familien teilen, damit kein Stammesmitglied verhungern musste.

      * * *

      Am Abend versammelte sich die Familie am Feuer des Wigwams und Machwao lehnte sich entspannt zurück. Die halbrunde Form der Hütte, die mit Lagen aus Birkenrinde und mit Schilfmatten gegen den Regen geschützt war, strahlte Behaglichkeit aus. Die Hütte war gerade so hoch, dass ein Mann stehen konnte. Sie war aufgeteilt in einen Frauen- und einen Männerbereich. An den Wänden standen Körbe und Tongefäße mit Nahrungsmitteln und an den Wänden hingen Ausrüstungsgegenstände. Der Boden war mit Matten ausgelegt und die Schlafstätten mit Fellen abgedeckt. Im Sommer und frühen Herbst wurde meist nicht im Wigwam gekocht, sondern vor dem Wigwam stand ein halbüberdachtes Gerüst, das den Außenkochplatz vor Regen schützte. Im Moment brannte nur ein kleines Feuer, das im Laufe der Nacht herunterbrennen würde.

      Seine Mutter brachte eine Schale mit Essen herein und reichte sie ihm höflich. Freudig schnupperte er daran, denn der Herbst war eine Zeit des Überangebots. Es roch nach Fleisch und Zwiebeln und er nahm einen Löffel aus einer Muschel, um die köstliche

      Mahlzeit zu probieren. Das Fleisch war weichgekocht und hatte den Geschmack des Kürbisses und der Zwiebeln angenommen. Machwao dachte an die Aufforderung, seine Freunde auf der Reise zu begleiten. Vielleicht sollte er doch lieber hier bleiben, denn er wusste aus Erfahrung, dass die Kochkünste seiner Freunde zu wünschen übrig ließen. Es würde Fleisch geben und dann Fisch und dann wieder Fleisch.

      Er bereitete seine Mutter ein wenig schonungslos auf seine Reisepläne vor. Unvermittelt stellte er die leere Schale auf die Seite und richtete das Wort an sie. „Ich werde mit meinen Freunden nach Süden ziehen und die grünen Steine holen.“

      Die Augen seiner Mutter wurden rund. „Wann wirst du gehen, mein Sohn?“

      „Bald!“ Er verzichtete auf weitere Erklärungen. Immerhin hatte er ihr gesagt, dass er nur die wertvollen Steine holen ging und nicht beabsichtigte, auf einen Kriegszug zu gehen. Das musste reichen, um sie zu beruhigen.

      Sie schien tatsächlich beruhigt zu ein, abgesehen davon, dass sie ihn auch kaum hindern würde, wenn er etwas anderes vorhatte.

      „Wir wollen im Frühjahr nach Süden ziehen, um zu handeln.“

      „Ah!“ Auch seine Mutter erkannte, dass die grünen Steine eine Handelsware waren, mit denen er im Süden Tauschgeschäfte machen wollte.

      Vor langer Zeit hatte ihr Ahnherr, der große weiße Bär mit dem Kupferschwanz, ihnen diese Steine als Geschenk gegeben. Nur wenige Männer wussten, wie man die Steine bearbeitete, um scharfe Klingen oder Schmuck daraus herzustellen. Mancher Krieger trug die grünen Steine als Talisman um den Hals, während die Frauen die scharfen Klingen als wertvolles Werkzeug erachteten. Auch im Süden waren diese Dinge willkommen und so würde ihr Sohn kaum in Gefahr geraten. Händler waren willkommene Gäste.

      „Bringst du mir dann Schmuck aus diesen Perlen?“, wagte sie zu fragen.

      Er lächelte sanft. „Aber gerne! Wenn er dir gefällt?“

      „Ja, er gefällt mir. Vielleicht auch für deine Schwester? Sie hat bald ihre ersten Riten und ich möchte sie schmücken, wenn der erste Mann um sie wirbt.“ Sie tauschte einen verschmitzten Blick mit Kämenaw Nuki, die verlegen die Augen senkte.

      Machwao lächelte freundlich und kniff dann die Augen zusammen. Ja, bald wäre seine Schwester kein Kind mehr, und dann musste er seinen Onkel darum bitten, dass sie gut verheiratet wurde. Er wollte einen guten Mann für sie. Einen guten Jäger, der sie ernähren konnte, aber auch einen Mann, der sich selbst beherrschen konnte. Auf jeden Fall nicht Wakoh, der Fuchs, obwohl er von einem anderen Clan war und somit als potentieller Ehemann in Frage kam. Er gehörte zum Clan der Donnervögel und damit zu den ersten Gefährten, die der große weiße Bär zu sich gerufen hatte, um mit ihm in Menschengestalt über die Erde zu wandeln. Der Bär und der Adler waren die ältesten Clans der Menominee. Aber Wakoh wäre vielleicht kein guter Ehemann. Nein, seine Schwester verdiente einen Mann, der Rücksicht nahm und sich beherrschen konnte. Machwao dachte kurz an seine Freunde und schüttelte dann unmerklich den Kopf. Im Frühjahr oder wenn er von seinen Reisen zurückkam, würde er in den anderen Dörfern nach einem geeigneten Ehemann Ausschau halten und seiner Familie vorschlagen. Bis dahin blieb noch Zeit.

      * * *

      Die nächsten Tage verbrachte die Familie damit, den