und keine Zeit für tiefschürfende Gespräche.
Er warf die Ente vor die Füße seiner Mutter, damit sie die Federn rupfte und sie ausnahm, während er mit seiner Schwester Holz für das Feuer sammelte. Awässeh-neskas half ihm dabei und kurze Zeit später saßen sie bereits um das Feuer und beobachteten, wie die Flammen nach dem Fleisch griffen. Die Mutter wendete den Braten hin und her, damit das Fleisch von allen Seiten garte. Machwao lag auf der Seite und beobachtete die Funken, die hochstoben, wenn manchmal etwas Fett in das Feuer tropfte. Inzwischen war es dunkel geworden und ein heller Vollmond schob sich über die Spitzen der Fichten, die am Ufer standen. Der Mond spiegelte sich im Wasser und schickte ein leicht verzerrtes Bild nach oben zurück.
Awässeh-neskas musterte seinen Freund aus den Augenwinkeln und ließ sich ebenfalls auf die Seite sinken, sodass er fast neben Machwao lag. Er kaute an einem Grashalm und schien zu überlegen, wie er das Gespräch beginnen sollte. Regen-auf-dem-Wasser hatte sich am Feuer zu schaffen gemacht, sodass keine der Frauen auf das Gespräch der Männer achtete. Die Mutter unterhielt sich leise mit der Frau seines Freundes und Kämenaw Nuki stand im Fluss und beobachtete den Aufgang des Mondes. Ihre Füße wühlten den Schlamm auf, als sie einige Schritte auf und ab ging. „Bald kommt der Winter!“, begann Awässeh-neskas umständlich. Manchmal machte er seinem Namensvetter, dem Bären, wirklich alle Ehre.
Machwao grinste breit. Was für eine Tatsache! „Ja, und dann kommt wieder der Frühling …!“
Auch der Freund lächelte, als er merkte, dass er vielleicht zu weit ausholte. Er wedelte mit der Hand und konzentrierte sich wieder auf seine Worte. „Nun, dann kommt der Frühling!“, wiederholte er die Worte Machwaos. „Und Wapus möchte auf eine Handelsreise gehen. In den Süden.“ Er verstummte und schaute den Freund von der Seite an.
Machwao seufzte tief. Eine Handelsreise! Das bedeutete, dass er viele Monde unterwegs sein würde. Natürlich war es abenteuerlich und auch interessant, aber wollte er wirklich so lange von seinem Dorf getrennt sein? Andererseits war er jung genug, um so eine Reise zu wagen. Und er war noch nicht verheiratet, sondern versorgte nur eine Mutter und eine Schwester. Seine Familie war groß und so konnte er die beiden unbesorgt der Obhut seiner Onkel und Tanten überlassen. Auch sein Vater war Händler gewesen, ehe feindliche Anishinabe ihn bei einem Angriff getötet hatten.
Die Menominee versuchten mit allen Menschen in Frieden zu leben, aber manchmal gelang das nicht. Machwao hatte seinen Vater gerächt, indem er einen Mann der Feinde im Zweikampf getötet hatte. Nun verlangte dessen Familie nach Rache. Es war ein ewiger Kreislauf aus Tod und Rache, der sich kaum unterbrechen ließ. Irgendwann würde auch sein Dorf wieder das Ziel eines Angriffs sein, gleichgültig, ob es Anishinabe oder Ho-Chunk waren. Als Händler dagegen konnte er versuchen, die Beziehungen zu verbessern. Es gab sogar schon Ehen zwischen Menominee und Ho-Chunk, oder Menominee und Anishinabe. Meist handelte es sich um geraubte Frauen, aber es gab auch Ehen, die durch Handelskontakte entstanden waren.
Awässeh-neskas spuckte den Grashalm aus und fuhr mit seinen Überlegungen fort. „Ich dachte daran, ihn zu begleiten, und wollte auch dich fragen. Wakoh, der Fuchs, wird uns ebenfalls folgen.“
„Hmh, das ist gut!“ Machwao überlegte sich seine nächsten Worte. Wapus, der weiße Hase, war ein überlegter Mann, der bereits den Weg eines Medizinmannes eingeschlagen hatte. Er gehörte zur Metewin-Gesellschaft, den Medizinmännern, die ihr Wissen vom Morgenstern selbst erhalten hatte. Er hütete ein Bündel aus Otterfell, in dem sich sein geheimster Talisman in Form einer Muschel, Heilkräuter und andere Kleinigkeiten befanden. Mit diesem Bündel war es ihm möglich, sein Leben oder das Leben anderer zu verlängern oder ihnen in spiritueller Weise zu helfen. Ja, und Wakoh war ein gefährlicher Kämpfer, ein unbarmherziger Krieger, der sich gerne solchen Reisen anschloss, weil er dann die unsicheren Blicke im Dorf vermied, die ihm immer wieder zugeworfen wurden. Er galt als rücksichtslos und unbeherrscht, aber als guter Kämpfer. Ihn an seiner Seite zu wissen, war keine schlechte Sache. In Gesellschaft von Männern war er eigentlich ganz brauchbar. Er machte gute Scherze und war ein verlässlicher Freund. Nur Frauen gingen ihm lieber aus dem Weg, weil sie sein kriegerisches und unbeherrschtes Verhalten, aber auch sein angsterregendes Aussehen fürchteten. Er trug seltsame Tattoos im Gesicht und scherte sich wenig um die Meinung anderer.
„Wohin will Wapus denn gehen?“, erkundigte er sich zögernd. Awässeh-neskas zeigte mit einem Rucken seines Kopfes in Richtung Süden. „Weit nach Süden. Vielleicht bis zu den Illiniwek. Wir könnten unsere grünen Steine mitnehmen. Und wir könnten Felle und Muscheln tauschen. Sie haben viele schöne Dinge, die weit aus dem Süden kommen. Vielleicht auch Tabak!“
„Das würde bedeuten, dass wir erst diese grünen Steine holen müssen!“, wandte Machwao ein.
„Der Winter ist lang!“, meinte Awässeh-neskas altklug. „Aber wir schaffen es vielleicht noch im Herbst. Ich wollte aufbrechen, wenn der Manomäh und der Mais in den Gruben ist.“
Machwao hob zwei Finger. „Du redest von zwei Reisen. Eine im Herbst und eine im Frühjahr.“
Der Freund schenkte ihm ein Grinsen und zuckte die Schultern. Machwao nickte in Richtung der Frauen. „Und was sagt deine neue Frau dazu? Was wird sie denken, wenn du immer weg bist?“
„Ich muss mich ein wenig ablenken!“ Awässeh-neskas machte ein triumphierendes Gesicht. „Von mir wird verlangt, dass ich enthaltsam bin. Wenn ich unterwegs bin, wird mir das leichter fallen!“
„Ah!“ Machwao dehnte den Ausruf in die Länge. „Ach so!“ Er schlug seinem Freund wohlwollend auf die Schulter. „Sehr gut!“ Dann warf er ihm einen fragenden Blick zu. „Aber wirst du denn zurück sein, bis das Baby kommt?“
„Wenn wir früh genug aufbrechen …“ Awässeh-neskas lachte breit. „Und anfangs sind sie ohnehin so klein, dass sie den Vater nicht bemerken. Ich muss dafür sorgen, dass meine Frau gut untergebracht ist, aber mein Clan wird sich gut um sie kümmern.
Ich werde meinen Sohn sehen, ehe ich in den Süden ziehe.“
„Hmh.“ Es klang nicht so überzeugt.
„Was?“
„Nichts!“ Machwao hob die Schultern. Es war nicht seine Sache. Sein Freund entschied selbst, was für ihn wichtig war oder nicht. Er selbst würde jedenfalls keine Frau, die von ihm ein Kind erwartete, alleine lassen. Wenn er je die Richtige fand. Seine Familie hatte bereits zweimal versucht, eine Ehe für ihn zu stiften, aber beide Male war nichts daraus geworden. Mäc-awätok hatte wohl andere Pläne für ihn. Vielleicht hatte er aber auch noch nicht genug Signale ausgesendet, dass er eine Ehefrau wollte. Ihm war es im Moment genug, seine Mutter und Schwester zu versorgen. Er war noch jung und hatte Zeit.
Maisernte
(Mabila, im Süden der Schildkröteninsel)
Maisblüte erwachte in aller Früh und ließ sich von einer der Dienerinnen die Haare kämmen. Dann schlüpfte sie in ihr Festgewand und legte ihren Schmuck aus Knochenperlen und Muscheln an. Nebel lag über den Feldern und einige Schwaden streiften über die Dächer der Hütten. Es war frisch und Maisblüte fröstelte, als sie vor den Eingang trat. Im Osten schimmerte der Nebel heller und ließ die Sonne dahinter erahnen. Der Tag würde schön werden. Langes-Schilf trat neben die Tochter und legte den Arm um die schmalen Schultern des Mädchens. „Sei mit deinen Gedanken bei deinen Gebeten, damit die Ernte gesegnet wird!“, mahnte die Mutter eindringlich.
Maisblüte wusste um die wichtige Aufgabe, die ihr anvertraut war. Das Wohlergehen des ganzen Volkes hing davon ab. Der Heilige Mann und die Jungfrauen trugen die Wünsche zu den Geistern und der Sonne. An der Seite ihrer Mutter ging Maisblüte zu der Chukka des Hopaii, der ebenfalls auf einer Erhöhung wohnte. Sie stand in der Mitte des Dorfes, gleich neben der stattlichen Behausung des Minkos, die alle anderen Hütten überragte. Tuscalusa war nicht nur der Häuptling dieses Dorfes, sondern er hatte viele Dörfer unter seiner Macht vereint. Er lebte abwechselnd hier oder in dem Dorf Piachi. Sein Hügel hier in Mabila war neu errichtet worden, mit einem besonders großen Haus, das seiner Stellung gerecht werden sollte. Auch die Palisaden, die das Dorf umgaben, waren hoch und stark und die Wände mit Maisstroh