Kerstin Groeper

Donnergrollen im Land der grünen Wasser


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Hüten nichts zu sehen war. Maisblüte verstand nicht, wozu so etwas gut sein sollte. Sie verstand auch nicht, warum es nötig war, sich ständig anzuschreien. Die gebellten Befehle dröhnten in ihren Ohren und sie hatte bereits jetzt eine Abneigung gegen diese Sprache. Es war eine Sprache der bellenden Hunde. Sollten sie doch in ihr Käferland zurückkehren! Ihr fehlte der Respekt für diese Menschen mit den schlechten Manieren. Erhobenen Hauptes ging sie an das sandige Ufer und wartete ab, was als Nächstes passieren sollte.

      Ein langes Seil war über den Fluss gespannt worden, an dem das Floß hinübergezogen wurde. Es hatte sogar eine Art Geländer, an dem man sich festhalten konnte. Die Spanier benutzten lange Stangen, mit denen sie das Floß ebenfalls vorwärtsbewegen konnten. Ein Fremder kam und bat die Mädchen galant, auf ein wartendes Floß zu steigen. Er war ganz offensichtlich stolz auf die Errungenschaften seines Volkes. Maisblüte verbarg ihre Gefühle, denn Kanus konnte auch ihr Volk bauen! Hoheitsvoll schritt sie zum Floß und ließ sich hochhelfen. Sie hielt sich mit einer Hand an dem Geländer fest und wartete in aller Ruhe, bis es ablegte. Die Fremden stießen sich mit den langen Stangen am Ufer ab, während andere das Seil ergriffen und das Floß auf diese Weise über den Fluss zogen. Der Piachi-Fluss war an dieser Stelle relativ breit, führte aber ruhiges Wasser, sodass alle gefahrlos übersetzten.

      Maisblüte hüpfte an Land und ging mit den anderen Mädchen zum Dorf. Einige der Fremden zogen durch die Hütten und plünderten dort die Lebensmittelvorräte, die sie fanden. Maisblüte war empört, als sie die Verwüstung mit ansah. Es waren nicht viele Menschen in dem Dorf geblieben, sodass die Mädchen sich in eine Hütte zurückzogen. Die Überquerung würde einige Zeit dauern und so machten sie es sich bequem, froh darum, der Gegenwart der Spanier zu entgehen.

      Einige Krieger blieben in ihrer Nähe, während andere den Häuptling und den Hopaii schützten, die sich in das Haus des Häuptlings zurückgezogen hatten. Der Gouverneur hatte Wachen eingeteilt, die zeigen sollten, dass der Häuptling sein Gefangener war. Tuscalusa ließ es zu. Er tat so, als wollte er sich den Fremden unterordnen, und übte sich in Geduld.

      Am nächsten Morgen brachen sie wieder auf. Tuscalusa verlangte, dass seine Eskorte vorausging. Er wollte den Eindruck vermitteln, dass die Fremden willkommene Ehrengäste seien, die mit Achtung und Respekt nach Mabila geleitet wurden. Der Gouverneur ließ sich blenden und schickte einen Teil seiner Reiter und Soldaten aus, um in anderen Dörfern Vorräte zu sammeln. Tuscalusa verriet mit keiner Miene, was er davon hielt, sondern ließ den Hopaii und die Jungfrauen vorangehen, um die Wichtigkeit seines Gastes zu unterstreichen.

      Maisblüte hatte ein beklommenes Gefühl in ihrem Herzen, denn sie näherten sich stetig ihrem Zuhause. Was würde dort geschehen? Sie hoffte auf den Augenblick, an dem ihre Dienste nicht mehr gebraucht wurden und sie zu ihrer Mutter zurückkehren konnte. Fast wünschte sie ihre erste Blutung herbei, damit sie endlich aus dem Dienst der Jungfrauen entlassen wurde. Die Anwesenheit der Fremden löste Angst in ihr aus.

      Am Abend schlugen sie ihr Lager in der Nähe eines Dorfes auf. Die Menschen hatten es längst verlassen, sodass die Reiter dort nur die Vorratsbehälter ausraubten. Maisblüte staunte darüber, wie viel Mais die Fremden für ihre Reiter und Tiere brauchten. Tuscalusa sah auch in den großen Tieren eine Gefahr, die bekämpft werden musste. „Diese großen Wesen kämpfen für ihre Herren und trampeln uns nieder. Auch sie sind eine Gefahr, die wir vernichten müssen!“ Maisblüte widersprach dem nicht. Sie hatte gesehen, wie diese Tiere sich in Bestien verwandelten, wenn die Reiter auf ihnen saßen. Ein Hund, der bissig war, wurde erschlagen.

      Am nächsten Tag brachen sie sehr früh auf. Tuscalusa hatte gesagt, dass sie bald Mabila erreichen würden und dass er dort den Fremden die gewünschten Lebensmittel und Träger geben könnte. Er ordnete an, dass die Jungfrauen in ihren besten Kleidern voranschreiten und singend und tanzend in das Dorf einziehen sollten. Dahinter sollten der Heilige Mann und er selbst folgen, umgeben von seinen besten Kriegern. Der Anführer der Fremden willigte ein und ließ vierzig Reiter auswählen, die mit ihm die ersten sein sollten. Er schien verärgert darüber zu sein, dass einige aus seinem Tross sich selbständig gemacht hatten und auf eigene Faust bereits die umliegenden Dörfer eroberten. Er ordnete an, dass diese sofort aufschließen sollten.

      * * *

      Maisblüte ging neben Vogel-im-Bach und Nebel-am-Morgen den Fußweg entlang und hoffte auf ein gutes Ende der Reise. In den Tälern lag Nebel, der über die abgeernteten Felder strich und sich in den Wipfeln der Bäume verfing. Sie dachte an all die Arbeit und Mühe, die es gekostet hatte, den Mais zu pflanzen und zu ernten. Und den die Fremden sich jetzt einfach nahmen. Sie überzogen wie Nalusa Chito, das große schwarze Ding, das Land mit Tod, Gier und Schrecken, bis nichts mehr übrig blieb. Selbst Tuscalusa verlangte nicht allen Mais von seinen Untergebenen, sondern nur einen kleinen Teil. Dafür bot er Frieden und Stärke. Schon lange hatte es kein Feind mehr gewagt, ihre Dörfer zu überfallen.

      Es war immer noch am frühen Vormittag, als die Abordnung das Dorf erreichte. Tuscalusa schritt durch das geöffnete Tor und ließ die Jungfrauen vorangehen. Sie tanzten und sangen ein Willkommenslied. Die Fremden folgten ihnen ahnungslos. Sie boten einen beeindruckenden Anblick, denn an die vierzig Reiter waren ihrem Anführer gefolgt. Im Anschluss folgten Fußsoldaten, Priester und Sklaven, die das Gepäck trugen. Auch einige der Frauen der Spanier waren mit ihrem Gepäck in ihrer Begleitung. Die Menschen wichen ehrfürchtig zurück, als die Reiter auf ihren Pferden durch das Dorf ritten. So etwas hatten sie noch nie gesehen.

      Sie bewunderten den Mut ihres Minkos, der mit erhobenem Haupt neben diesen fremden Wesen schritt. Tuscalusa wies den Fremden zwei große Chukkas zu, in die die Fremden ihre Sachen und Pferde brachten. Die Priester und die Frauen blieben mit einer Wache in der Hütte, während der Gouverneur der Einladung des Häuptlings folgte. Tuscalusa führte die Fremden zu dem erhöhten Haus, in dem er sonst residierte. Er schickte die Jungfrauen voraus, lächelte verbindlich und lud DeSoto ein, die Chukka zu betreten. Ebenso höflich ließ der Gouverneur dem Minko den Vortritt. Tuscalusa nickte geschmeichelt und ehe die Spanier reagieren konnten, verschwand der Minko mit einigen schnellen Schritten im Inneren der Hütte. Erst jetzt bemerkten die Fremden, was geschah, denn als sie den Häuptling wieder herauszerren wollten, stießen sie auf eine Übermacht bewaffneter Krieger, die sich in der Hütte verborgen gehalten hatten. Schützend stellten sie sich vor ihren Häuptling und hoben die Waffen, unter ihnen auch Große-Schlange, der die besten Krieger zusammengezogen hatte, um den Minko zu befreien. Mit ihren Keulen drängten sie die Soldaten aus der Hütte und stießen dabei ihre Kriegsschreie aus.

      Maisblüte versteckte sich mit den anderen Mädchen hinter den Kriegern und versuchte das Zittern zu kontrollieren, das sie befiehl. Sie hatte ihren Vater sofort erkannt und fürchtete um ihn, als er mit der Keule gegen die Soldaten kämpfte. Er trug nur einen Lendenschurz und hatte ansonsten seinen Körper mit Streifen und Mustern bemalt. Er sah furchterregend aus. Überall dröhnten plötzlich Trommeln und die Krieger stießen hohe Schreie aus. Dann hatten die Krieger die Fremden aus der Hütte geschoben und der Hopaii beruhigte die Mädchen mit seiner sanften Stimme. „Wir beten zu Hashtali, damit er uns beisteht!“, befahl er. Sogleich stimmten die Mädchen ihre Lieder an.

      Draußen verlor einer der Fremden die Nerven und zog sein Rapier, als die Indios erregt hin und her drängten. Er trennte einem von ihnen fast den Arm ab und verletzte ihn schwer. Ein empörter Aufschrei war zu hören, dann gab es kein Halten mehr. Ein wahrer Pfeilhagel prasselte auf die Fremden nieder und von überallher drangen die Krieger auf die Fremden ein. Sie schlugen mit Keulen und Messern auf die Feinde ein, ihre Körper nur mit dem Nötigsten bedeckt, um im Kampf nicht behindert zu werden. In vorderster Reihe kämpfte Tuscalusa, der seine Krieger gegen die verhassten Feinde warf, die es gewagt hatten, ihn als Geisel zu nehmen! Sein Mut war allen Männern ein Vorbild und so überwanden sie ihre Furcht vor den seltsamen vierbeinigen Monstern mit den Reitern.

      Die Spanier hatten Glück, dass der Platz sehr beengt war und die Krieger zwischen den vielen Hütten nicht in ihrer vollen Stärke angreifen konnten. Mit ihren Degen und Lanzen kämpften sie sich den Weg frei und zogen sich bis zum Tor zurück. Dabei mussten sie bereits schwere Verluste hinnehmen, denn die Pfeile der Krieger trafen gut. Es war kein geordneter Rückzug, sondern eine heillose Flucht, um diesem Hexenkessel zu entkommen. Pferde und Ausrüstung wurden aufgegeben und wer nicht fliehen konnte,