Menschen erkrankt, aber dies stand in keinem Vergleich zu den Toten in den Dörfern, die sie durchstreiften. Juan glaubte an eine Strafe Gottes, mit denen diese Heiden bestraft wurden. Er überlegte, ob er Maria und Nana nicht taufen lassen sollte.
Einmal verlegten die Spanier ihr Lager ein Stück weiter, um neue Nahrungsmittelvorräte zu erschließen. Maisblüte trug das Gepäck des Mannes und schlurfte mit den Ketten an den Füßen neben den anderen her. Auch Nana trug ein schweres Bündel und ging gebückt unter der Last. Vielleicht zum ersten Mal seit Tagen begegnete ihnen Vogel-im-Bach, deren Augen dumpf und blicklos waren. Auch sie war in Ketten gelegt worden und trug die Bündel ihres Herrn. Maisblüte konnte erkennen, dass sie aufgegeben hatte. Sie schien weitab mit ihren Gedanken zu sein und diese Welt längst verlassen zu haben. Maisblüte versuchte mit ihr zu sprechen und erntete nur einen ausdruckslosen Blick. Am nächsten Morgen fand man Vogel-im-Bach an einem Ast hängend. Sie hatte ihre Seele befreit und war in das Glückliche Land übergetreten. Ihr Herr schimpfte lauthals über seinen Verlust und trug grummelnd seine Bündel selbst.
Maisblüte hasste ihn, denn Vogel-im-Bach war noch ein Kind gewesen. Was musste dieser Mann ihr angetan haben, dass sie entschieden hatte, ins Land der Ahnen zu gehen? Wahrscheinlich war ihr das Gleiche angetan worden wie auch ihr, aber Maisblütes Lebenswillen war noch nicht ganz gebrochen. Doch auch sie dachte immer öfter daran, ihr Leben zu beenden. Immer, wenn sich das Geschlecht des Mannes in sie zwängte, dachte sie daran, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Aber noch fehlte ihr der Mut für diesen Schritt. Außerdem trug sie die Verantwortung für ihren kleinen Bruder. Was sollte er ohne sie tun? Wer würde ihn dann trösten? So trottete sie in dem Tross der Menschen dahin, mit schmerzenden Knöcheln und hoffte auf eine baldige Rast und auf ein Ende dieser Torturen.
Die Spanier wählten offenes Land für ihr neues Lager, um vor Überraschungsangriffen sicher zu sein. Auch der Fluss mit seinen kleinen Stromschnellen war inzwischen ein ganzes Stück entfernt, sodass es für Maisblüte beschwerlich wurde, das Wasser für den Herrn zu holen. Aber sie genoss es, sich endlich waschen zu können. Es verwunderte sie, wie wenig die Fremden auf Reinlichkeit achteten. Es ekelte sie vor dem stinkenden Körper ihres Herrn, der sich nie zu waschen schien. Es war ihm wohl zu kalt, während Maisblüte von klein auf gelernt hatte, sich mit dem kalten Wasser zu waschen. Der Winter nahte und doch genoss Maisblüte diese Möglichkeit, sich zu säubern. Sie stellte sich vor, dass sie all den Dreck und den Gestank des Mannes von sich wusch. Es machte ihr inzwischen nichts mehr aus, wenn er sich in sie hineinzwängte. Sie drehte einfach ihren Kopf zur Seite und wartete ab, bis es vorbei war. Ihr Körper gehörte nicht mehr zu ihr.
* * *
Maisblüte erlebte tagtäglich, wie es um die anderen Sklaven stand. Männer wurden ausgepeitscht und gefoltert und irgendwann gehörten das Stöhnen und die Qualen der Gefangenen zu diesen immer wiederkehrenden Alptraum. Sie erlebte, dass Frauen in Ketten einfach in die Büsche gezerrt wurden, wenn einer dieser Männer sein Bedürfnis verrichten wollte, und dass jeder Widerstand zwecklos war. Sie wusste, dass nur die Anwesenheit des Capitán sie schützte und so hoffte sie auf seinen Schutz. Es war ihr unangenehm, wenn er sie zu Besorgungen losschickte, denn dann sah sie sich der Willkür der anderen Männer ausgesetzt, die in ihren Augen übernatürliche Wesen waren, denen man gehorchen musste.
Die Gebräuche der neuen Herren waren ihr nicht geläufig, so wunderte sie sich nicht, als sie eines Tages beim Wäschewaschen am Fluss von einem anderen Mann belästigt wurde. Sie hatte dies schon lange befürchtet und auch vorausgeahnt. Aber während sie zum Holzsammeln ihren Bruder losschicken konnte, blieb das Wäschewaschen nach wie vor ihre Aufgabe. Sie versuchte, sich dem Mann zu entziehen, doch er versperrte ihr mit einem Grinsen den Weg. Sie wusste nicht, wie sie sich in so einem Fall verhalten sollte, außerdem war an Flucht nicht zu denken, weil die Ketten sie behinderten. Immer noch glaubte sie an Götter, die in diesen Teil der Welt gekommen waren, um die Menschen zu bestrafen. Maisblüte versuchte es mit Flehen, doch der Soldat ließ sich nicht beirren. Verzweifelt sah Maisblüte sich nach Hilfe um, doch sie befand sich allein an der Stelle des Flusses. Und wer würde ihr schon gegen einen Gott zu Hilfe kommen? Wenn sie schrie, würde sie höchstens die Aufmerksamkeit von anderen Soldaten auf sich ziehen. Die Miene des Soldaten zeigte Ärger, als sie nicht gleich gehorchte, und so legte sie das Bündel mit der Wäsche zur Seite, um ihm gehorsam zu sein. Je mehr man diese Götter warten ließ, umso ungestümer und verletzender verhielten sie sich. Unterwürfig legte sie sich hin und wartete auf das Unvermeidliche. Sie glaubte, dass dies von ihr verlangt wurde und zu diesen seltsamen Sitten der Fremden gehörte, auch, weil es unentwegt mit den anderen Frauen geschah.
Auch die Sklavinnen ihres Vaters hatten sich dessen Wünschen ergeben und so fügte sie sich gehorsam. Maisblüte ging davon aus, dass ihr Körper nicht mehr ihr Eigen war, sondern diesen Göttern gehörte. Das Gesicht des Soldaten verzog sich zu einem Grinsen, als er sich fordernd auf sie legte. Wieder stieg ihr dieser widerliche Geruch in die Nase. Warum wuschen sich diese Fremden nicht?
Dann wurde der Soldat mit einem lauten Fluch von ihrem Körper weggezogen und das rot angelaufene Gesicht ihres Herrn tauchte auf. „Lauf, du Bastardo!“, schrie Juan wutentbrannt und gab dem Soldaten einen Tritt in den Hintern. „Hau ab!“
Maisblüte richtete ihre Kleidung, verwundert über seine Wut. Alle Männer taten dies. Sie nahmen sich doch die Frauen, wie es ihnen gerade gefiel.
„Du Hure, du Puta, du heidnisches Weib!“ Juan riss die Sklavin an den Haaren hinter sich her und schüttelte sie dabei hin und her.
Für Maisblüte kam dieser Ausbruch völlig unerwartet. Was hatte sie falsch gemacht? Gerade noch war sie froh um die Hilfe gewesen, doch nun hatte sie Angst vor seinem Zorn. Sie kreischte in ihrer Not und bat um Erbarmen. „Keyu!“ Bitte nicht! Sie verstand nicht, warum sie geschlagen wurde, sie war doch gehorsam gewesen! Wieso reagierte er so wütend darauf?
Juan ließ sich in seiner Wut nicht bremsen und schlug mit der Faust auf sie ein. Seine Schläge waren brutal und schonungslos. Ihre Lippe platzte und sie hielt sich die Hand vor das Gesicht, um es vor weiteren Schlägen zu schützen. Was hatte ihn so erzürnt? War sie nicht demütig genug vor den fremden Göttern gewesen? Der hünenhafte Mann stand vor Wut geifernd über dem jungen, zierlichen Mädchen, das sich in seiner Not kaum wehren konnte. „Bitte!“, flehte sie immer wieder. Dann musste sie sich hinknien und auspeitschen lassen für ihr hündisches Wesen. Sie hatte verstanden, dass er sie als Hündin bezeichnete, aber sie verstand nicht, warum. Die Hiebe auf ihren Rücken waren schmerzhaft und sie wimmerte. Das schien ihn umso mehr anzustacheln, denn er prügelte wie ein Wahnsinniger auf sie ein. „Keyu!“, rief sie in ihrer Not. „Keyu!“
Er trat ihr so brutal in den Bauch, dass sie flach zu Boden ging und nach Luft schnappte. Immer wieder trat er sie, während er sie als Hündin beschimpfte und erneut mit seiner Peitsche traf. Er griff ihr so brutal an die Kehle, dass sie sich mit beiden Händen dagegen wehrte, weil sie zu ersticken drohte. Seine Peitsche traf ihre Brüste und blutige Striemen zogen sich über die weiche Haut. Dann hatte er offenbar genug und sein Zorn verrauchte.
Kurz warf er ihr noch einen verächtlichen Blick zu, dann ging er, ohne sie weiter zu beachten, ins Lager zurück.
Maisblüte schnappte keuchend nach Luft und drehte sich auf die Seite. Ihr war schwindelig und schlecht. Es war das erste Mal seit längerer Zeit, dass Juan ihr wirklich und mit Absicht wehgetan hatte. Schwankend erhob sie sich und tastete über ihren geschundenen Körper. Ihr Kopf dröhnte und sie fühlte, wie Blut über ihre Lippe floss. Sie taumelte vor Schwindel und ging nur langsam in das Zelt zurück. Dort legte sie sich stöhnend auf ihr Lager. Sie verstand nicht, was den Zorn dieses Mannes erregt hatte.
Nanih Waiya sah sie mit großen Augen an. „Was ist passiert?“
„Ich habe dem Mann missfallen“, stammelte Maisblüte unter Schmerzen.
„Warum?“
Maisblütes Schultern zuckten. „Ich weiß nicht! Ich diene den Männern, aber es scheint ihm nicht zu gefallen. Ich kann mich aber nicht wehren, wenn ich am Fluss bin. Sie tun, was immer sie wollen, und nichts kann sie aufhalten. Wir müssen hier weg, oder ich sterbe bald!“
„Wie soll uns das gelingen, solange du diese Fesseln hast?“ Nana runzelte