Klaas Kroon

Mord im Wendland


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Sie sonst noch Waffen dabei?«, fragte Sabine, ihr Misstrauen wuchs.

      »Nein«, sagte der Glatzkopf. »Nur das Gewehr.«

      »Kein Messer? Sie gehen ohne Jagdmesser auf Schwarzwild? Das ist nicht besonders waidmännisch.«

      Der Mann begann wieder zu stammeln, er überlegte sich offensichtlich eine Lüge.

      »Gut«, unterbrach ihn Sabine, und diesmal war sie sich sicher, dass es energisch klang. »Sie nehmen nun das Gewehr von der Schulter und legen es auf den Boden. Dann gehen Sie beide langsam vor mein Auto in den Lichtschein. Ich steige aus und Sie machen besser keine hektischen Bewegungen. Verstanden?«

      Der Mann, der immer noch durchs Fenster glotzte, nickte. Er wirkte ängstlich. Der Glatzkopf folgte ihren Anweisungen und stolperte ohne Waffe vor den Streifenwagen. Sein Kollege folgte ihm auf Tuchfühlung. Nun sah Sabine die zwei Gestalten in voller Schönheit. Alte, verschossene Kleidung, blasse, kranke Gesichter. Wilderer, keine Frage. Aber keine Profis. Nicht von der Sorte, die die Beute unter der Hand an Restaurants verscheuerte, sondern arme Idioten, die sich einen Braten schießen wollten. Eher ungefährlich. Trotzdem blieb Wilderei eine Straftat. Sabine musste die beiden mitnehmen. Und zwar sie alleine. Es würde mindestens eine Stunde dauern, bis Kollegen aus der Umgebung hier wären. So lange wollte sie nicht warten.

      Sabine stieg langsam aus und zog die Dienstwaffe, richtete sie jedoch nicht auf die Männer. Es reichte, wenn sie sie wahrnahmen.

      »Ich werde Sie mitnehmen«, sagte sie, »und das funktioniert so: Ich lege Ihnen Handschellen an, oder besser, Sie legen sich gegenseitig Handschellen an. Dann steigen Sie hinten in den Streifenwagen und ich bringe Sie zur Wache. Dort klären wir, ob Sie Wilderer sind oder Jäger oder was auch immer. Klar so weit?«

      Die Gestalten nickten, und Sabine reichte dem Glatzkopf das erste Paar Handschellen. Er legte sie seinem Kumpel an, wobei er sich ziemlich dämlich anstellte. Der Kumpel schien etwas jünger als der Glatzkopf zu sein, wirkte aber nicht weniger versoffen. Wenn diese Ganovengesichter in Gartow leben würden, wären sie Sabine sicher aufgefallen.

      Nun gab sie dem Typen mit den langen grauen Haaren Handschellen. Der war damit weitaus geschickter, schien Erfahrung zu haben. Blitzschnell überprüfte Sabine den Sitz beider Handschellen und tastete die Verdächtigen nach weiteren Waffen ab. Die Kerle rochen muffig, ungeduscht, der eine nach Tabak. Sabine fand nur zwei Handys, einen Kompass und eine Taschenlampe.

      »Haben Sie irgendwelche Papiere dabei?«, fragte Sabine, während die Männer auf der Rückbank Platz nahmen. Sie kannte die Antwort bereits.

      »Nein, vergessen«, sagte der eine, der andere sagte nichts.

      Damit war klar, dass sie die beiden über Nacht in ihrer kleinen Arrestzelle behalten würde, bis sie am nächsten Morgen mit Metzger die erkennungsdienstliche Erfassung und die Vernehmung durchführen würde. Tschüss, freier Samstag. Natürlich könnten die Kerle anschließend gehen, sie hatten offenbar nicht mal etwas geschossen. Erbärmlich, wie sie da nun auf der Rückbank saßen. Jede kriminelle Energie war verpufft.

      »Dann sagen Sie mir wenigstens, wie Sie heißen.«

      »Olaf Hohmann«, sagte der Glatzkopf.

      »Karsten Koslowski«, sagte der Langhaarige.

      »Woher?«

      »Dannenberg.« Sabine war sicher, dass sie die Wahrheit sagten.

      Sie startete den Wagen und fuhr langsam an. Im Rückspiegel beobachtete sie die Festgenommenen. Die Männer flüsterten. Der Langhaarige schien fast zu platzen vor Aufregung. Der Glatzkopf rang offenbar mit irgendeiner Entscheidung.

      »Frau Wachtmeisterin«, stammelte er schließlich, »wir müssen da eine Aussage machen. Wir haben ein schreckliches Verbrechen entdeckt.«

      Sabine schüttelte den Kopf. Das durfte doch nicht wahr sein.

      »Wirklich«, begann nun der Langhaarige, »da hinten, im Wald, da ist so ein entlegener Hof. Da haben wir zwei Leichen gefunden.«

      Sabine fuhr rechts ran auf den Grasstreifen und stellte den Motor ab. Sie drehte sich zu den Gestalten um.

      »Nur, dass wir uns richtig verstehen: Ich lass mich mitten in der Nacht nicht von zwei Schmalspurganoven wie euch verarschen. Was bezweckt ihr mit einer solchen Geschichte? Wollt ihr Zeit schinden? Wozu? Ich stecke euch in unser komfortables Doppelzimmer, und morgen könnt ihr gehen, wenn wir alles aufgeschrieben haben. Wenn ich gute Laune habe, bekommt ihr sogar noch ein Frühstück. Also?«

      »Es stimmt«, sagte der Glatzkopf, er schien der Hellere der beiden zu sein, wenn ihn das auch nicht zu einem Hochbegabten machte. »Wir waren im Wald, wollten was schießen. Okay, das geben wir zu. Und dann haben wir da zufällig diesen Hof entdeckt. Da haben wir reingesehen.«

      »Wieso?«, fragte Sabine, sie war gelangweilt von dem Quatsch.

      »Es war irgendwie komisch«, sagte Karsten Koslowski, der Langhaarige, »die Tür stand offen, irgendwo brannte Licht.«

      »Und was war daran komisch? Sie können doch nicht einfach in ein fremdes Haus gehen«, sagte Sabine.

      »Ach, das ist doch jetzt egal«, sagte dieser Olaf ungeduldig, »wir sind auch gar nicht reingegangen. Wir haben nur reingeguckt, und da haben wir im Flur auf dem Boden diese zwei Leichen entdeckt – und ganz viel Blut.«

      »Zwei Leichen?«, wiederholte Sabine ungläubig.

      »Und ganz viel Blut«, ergänzte Koslowski.

      Sabine startete den Wagen und drehte schwungvoll auf der Landstraße. Sie gab Gas. »Okay, Männer. Wir fahren da hin, und ich sehe mir das an. Wenn ihr mich verarscht, bringe ich euch wegen Wilderei und Behinderung von Vollstreckungsorganen für eine lange Zeit hinter Gitter, verlasst euch drauf.«

      Natürlich war diese Drohung Bullshit, aber diese beiden verängstigten Vollpfosten glaubten im Moment sicher alles.

      Koslowski und Hohmann dirigierten Sabine kurz hinter der Stelle, an der sie sie aufgegabelt hatte, links in den Wald hinein. Sie folgten eine Weile lang einem schmalen, unasphaltierten Weg, dann bogen sie noch mal ab. Vorher stritten sich die Männer noch, ob es schon dort war oder erst ein Stück weiter.

      Sie waren richtig. Über eine unebene, überwucherte Zufahrt gelangten sie nach gut 500 Metern auf einen Hof. Sabine fuhr fast täglich in der Gegend herum zwischen Gartow, Prezelle, Trebel und wie die Käffer alle hießen. Dass sich in dieser Ecke ein Hof befand, hatte sie nicht auf dem Schirm gehabt. Der Hof war eher klein.

      Wer lebte denn mitten im Wald? Papa würde das jetzt wissen. Aber der saß zu Hause vor dem Fernseher und trank sein Gute-Nacht-Bier alleine.

      Sabine stellte den Motor ab und zog den Zündschlüssel. Sie stieg aus und sagte Richtung Rückbank: »Sie bleiben im Auto, und kommen Sie nicht auf dumme Ideen. Ich könnte sauer werden.« Der letzte Satz gefiel ihr, und er schien Eindruck zu machen. Olaf und Karsten kauerten stumm nebeneinander.

      Mit gezogener Waffe in der einen Hand und der Taschenlampe in der anderen ging Sabine auf das Haus zu. Sie erwartete nicht wirklich, Leichen zu finden, und dachte darüber nach, wie sie es den beiden Vögeln in ihrem Streifenwagen heimzahlen würde. Sie wollte aber auch nicht die Dumme sein, wenn sich hinter dieser verwitterten Tür, die sie nun langsam aufschob, doch ein Verbrechen abgespielt hatte.

      Was sie wenige Sekunden später sah, ließ sie erschaudern. Die Wilderer hatten nicht gelogen. Dort lagen zwei Menschen inmitten von Blut, viel Blut. Sie drehte um und rannte zum Auto.

      »Na, wir haben recht gehabt, oder?«, fragte einer der Männer, doch Sabine antwortete nicht. Über Funk machte sie in der Leitstelle Meldung über ihren Fund. Dann näherte sie sich mit vorsichtigen Schritten wieder dem Haus, die Waffe im Anschlag.

      Kapitel 4

      Sahas war so schnell gelaufen, wie er konnte, nachdem er den fürchterlichen Knall gehört hatte. Das war sicher ein Schuss gewesen. Von einem Gewehr. Udgam hatte auch ein Gewehr, mit dem