Personen, die einen Beruf außerhalb des Netzes ausüben, dessen Ausübung mindestens 20 Stunden pro Woche umfasst, bei maximal 30 Urlaubstagen pro Jahr.
(2) Personen, die sich in einem Ausbildungsverhältnis für eine Berufstätigkeit außerhalb des Netzes befinden.
(3) Studierende an den europäischen Staats- und Elitehochschulen bis zu einer maximalen Studiendauer von neun Semestern (Undergraduate) beziehungsweise 13 Semestern (Graduate).
(4) Promovierende an den europäischen Staats- und Elitehochschulen bis zu einer maximalen Promotionsdauer von vier Jahren.
(5) Erziehungsberechtigte von Kindern unter eineinhalb Jahren.
(6) Medizinische Sonderfälle, soweit sie unter Paragraf 11, Absatz (1) – (121) aufgelistet werden.
(7) Personen ohne Arbeit außerhalb des Netzes, die eine einmalige Zahlung von 250.000 Euro an die staatliche Netzverwaltung leisten und ein liquides Privatvermögen von mindestens einer Million Euro nachweisen können. Der Nachweis muss jährlich erfolgen.
(8) Ausnahmen für § 1, (1) – (4) werden durch das SVGBV geregelt.
»Ha, das war ein Kampf mit der Opposition, die Netzarbeitspflichtbefreiung von arbeitslosen Personen mit großem Privatvermögen!« Mallmann hatte ein verklärtes Lächeln auf dem Gesicht.
Pescz ignorierte den Einwurf und fuhr fort.
§ 2
Netzarbeitspflichtige sind verpflichtet, an fünf Tagen die Woche virtuell zu arbeiten. Im Allgemeinen sind während dieser fünf Tage jeweils acht Stunden täglich abzuleisten, ausgenommen folgende Gruppen:
(1) Mütter oder Väter, die als Erziehungsberechtigte gelten und deren Kinder noch unter dem Pflichtalter für den Besuch eines Ganztagskindergartens oder einer Ganztagsschule sind. Für diese gilt eine tägliche Netzarbeitspflicht von fünf Stunden.
Mallmann hatte genug.
»Hören Sie auf!«, schimpfte er und hielt sich die Ohren zu. »Ich soll Gesetze pauken, ich, der federführend an deren Erarbeitung beteiligt war? Verschwinden Sie!«
Er packte seinen Assistenten an den Schultern und schob ihn Richtung Wohnungstür.
»Aber, Herr Doktor …«, stammelte dieser.
»Es reicht!«
Pescz verbeugte sich hastig und flüchtete Richtung Ausgang.
Mallmann atmete tief durch. Der Zornausbruch tat ihm fast schon wieder leid. Sein Assistent hatte ja recht. Er musste sich vorbereiten. Nicht, dass morgen Fragen kamen, auf die er als ehemaliger Arbeitsminister keine Antworten wusste.
Ein lautes Krachen ließ ihn zusammenfahren. War Pescz noch nicht weg?
Er ging zur Garderobe.
Vielleicht war es der Servant. Möglicherweise ein elektronisches Problem. So etwas gab es ja anscheinend. Er musste sich in Acht nehmen.
Vorsichtig bewegte er sich in Richtung Eingang. Kurz vor dem Garderobenbereich blieb er stehen. Servanten sind ja nicht aggressiv gegen ihre Besitzer, versuchte er, sich zu beruhigen, meistens jedenfalls.
Mit einem flauen Gefühl im Magen bewegte er sich ein paar Schritte weiter und sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem er sich gegen einen Angriff zur Wehr setzen konnte. Da war nichts Geeignetes. Er horchte, ob sich der Servant wohl in einem der vorderen Zimmer befand.
»Hallo?«
Kein Laut war zu hören.
Mallmann wandte sich der Tür zu und sah rechts neben dem Eingang mehrere zerbrochene Vasen liegen.
Meine Güte, die teuren Dinger, die kosten ein Vermögen, schoss es ihm trotz der wachsenden Angst durch den Kopf.
Die Tür stand offen. Kein Servant weit und breit.
Mallmann bewegte sich zögernd drei Schritte weiter. Sein Herz raste. Er öffnete die Wohnungstür und lauschte. Kein Geräusch.
Vorsichtig betrat er den Flur. Niemand zu sehen.
»Wo ist er denn? Ich glaube, ich alarmiere den Pförtner-Servanten«, murmelte er vor sich hin, während er sich rückwärtsgehend wieder in die Wohnung zurückzog.
Er öffnete die Tür zur begehbaren Garderobe. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er den Servanten dort am Boden liegen sah, von den in Reih und Glied aufgehängten Ausgehmänteln halb verdeckt.
Er war gerade im Begriff nachzuschauen, was dem Servanten passiert war, als er sich auch schon für seine Unaufmerksamkeit verfluchte.
Genau in dem Moment, in dem er sich umdrehte, sauste der Baseballschläger, den er als 14-Jähriger von seinem Onkel zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte und der normalerweise direkt neben den Fotos von seinen Eltern an der Garderobenwand hing, auf ihn nieder. Die Drehung rettete ihm, wenn auch nur kurzfristig, das Leben, denn der Schläger traf ihn nur an der Schulter.
Mallmann krachte zu Boden.
Als er mit schmerzverzerrter Miene versuchte, sich in eine halb liegende Position zu erheben, erblickte er seinen Angreifer. Seine Augen weiteten sich ungläubig, als er erkannte, wer vor ihm stand. Ihm blieb nur noch Zeit für ein »Warum?«, bevor der Schläger seine Schädeldecke zerschmetterte und seinem so aktiven und erfolgreichen Leben ein Ende setzte.
Fuller
David Fuller erzählte seinen Wellensittichen von Propriozeptiver Neuromuskulärer Fazilitation. Es störte ihn nicht, dass sich die Vögel der Sepiaschale in der Mitte des Käfigs widmeten und seinem Vortrag über diese physiotherapeutische Behandlungsmethode keinerlei Beachtung zu schenken schienen. Er referierte über Exterozeptoren, Telerezeptoren und Propriozeptoren als gäbe es nichts Interessanteres auf dieser Welt.
Das Schrillen des schwarzen Weckers riss ihn aus seinen Ausführungen. Fuller schüttelte Arme und Beine aus und begann sein tägliches Karate-Training. Mentales Fokussieren nannte er diese Übung. Nach zehn Minuten hörte er auf und trocknete seinen nackten Oberkörper ab, ordnete seine schüttere Frisur und schlenderte ins Wohnzimmer.
Dort legte er sich auf eine alte Massagebank, befestigte vorschriftsmäßig die Elektroden für die Virtual-Stimulation an Stirn, linker Schläfe und Brustbein und loggte sich ein.
Fünf Minuten später räkelte sich eine nackte Frau auf der komfortablen Lederliege seiner virtuellen Praxis. Seine Hände wanderten von ihren Fußsohlen hinauf zu den Unterschenkeln. Langsam und gefühlvoll massierte er die wohlgeformten Waden. Die Frau hob ihren Kopf, schüttelte ihr langes schwarzes Haar und schenkte ihm ein aufreizendes Lächeln, was seinen Unterleib zum Kribbeln brachte. Derart animiert ließ er seine Hände mit sanftem Druck über die Oberschenkel gleiten, umkurvte ihre Pobacken, um schließlich mit kreisenden Bewegungen im Lendenbereich zu verweilen.
Seine Patientin schien die Behandlung zu genießen. Fuller lächelte. Er war ein Virtuose, es gab keinen besseren: Der menschliche Körper war seine Klaviatur. Seine Kundinnen und Kunden schworen auf die sinnliche Magie seiner Fingerspiele. Er war sich sicher, dass er diesen Beruf sogar in der analogen Welt hätte ausüben können, wenn man dort noch Physiotherapeuten gebraucht hätte und nicht das meiste von Servanten erledigt worden wäre.
Sein Blick fiel durch die Fensterfront seines Studios auf die überwältigende Kulisse der sonnenbestrahlten Berner Alpen – eine Aussicht, an der er sich nicht sattsehen konnte. Jetzt wanderten seine Hände an der Außenseite ihres Rückens empor bis zu den seitlichen Ansätzen ihrer Brüste, die nicht besonders groß, aber perfekt geformt waren. Kundig stimulierte er mit den Fingerspitzen die besonders sensiblen Punkte unterhalb der Achseln.
Auch wenn ihn der morgendliche Übergang ins Arbeitsleben stresste, liebte er seinen Job. Er stieß einen zufriedenen Seufzer aus, was die Frau dazu veranlasste, sich nach ihm umzudrehen. Beruhigend lächelte er ihr zu. So gut hatte er sich früher nie gefühlt. Er liebte seinen Avatar, er war groß, muskulös, hatte lange, schwarz gelockte Haare, ein markantes Kinn und strahlend