Greta R. Kuhn

Saarland-Connection


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wäre klasse, wenn Sie ein paar Tage in der Nähe bleiben könnten, falls wir noch Fragen haben.«

      18.

      Herrlich, sogar die überregionale Presse hatte den Leichenfund aufgenommen. Vor ihm lagen aufgeklappt die FAZ, die Süddeutsche sowie die Saarbrücker Zeitung und er las mit Spannung, was die Journalisten an ersten Ideen zusammengetragen hatten. Neben den Fakten war das zunächst einmal nicht viel. Ein Foto war nicht abgedruckt worden, nur wilde Beschreibungen von Augenzeugen. Er war schon sehr gespannt auf die Aussagen der Polizei. Es würde sicher bald eine Pressekonferenz geben. Er wollte zu gerne wissen, ob sie den Köder schon geschluckt und seine Nachricht verstanden hatten.

      Dann hätte er den Stein ins Rollen gebracht und die anderen würden das Ganze nur noch beschleunigen. Langsam lehnte er sich in seinem Bürostuhl zurück. Heute war ein guter Tag, das spürte er.

      Er hatte seine Bestimmung gefunden. Seine Aufgabe würde es sein aufzuräumen. Er war bereit.

      19.

      »Okay, Leute. Was haben wir?«

      Veronika kam gerade von dem Gespräch mit der Ehefrau des Opfers, Leonie Hartmann, zurück. Die junge Frau stand immer noch unter Schock. Sie hatte kaum Angaben zu den Geschäftsbeziehungen ihres Mannes machen können noch zu irgendwelchen Personen, mit denen er im Clinch lag.

      »Mein Mann hat mich aus dem Geschäft herausgehalten, ich kenne mich da auch wirklich nicht gut aus. Ich bin eigentlich Dermatologin, arbeite aber seit Pollys Geburt nicht mehr. Die Baubranche ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Alleine diese komplizierten Ausschreibungen und Antragsverfahren«, hatte sie erzählt. Sie hatte Veronika dann doch noch ein paar Namen genannt von Personen, die ihr sicherlich mehr darüber berichten könnten. Darunter war die erste Frau von Herrn Hartmann, die immer noch in seiner Firma angestellt war und die Finanzen des Unternehmens verwaltete.

      Veronika schrieb die Namen auf das Whiteboard und teilte sie mit einem kurzen Pfeil den Teams für die Befragungen zu. Weissmann und Meyer kamen herein. Sie hatten Gerrit Jahnke befragt. Becker wedelte mit einigen dicht beschriebenen Ausdrucken des vorläufigen Obduktionsberichts. Thiel hatte offensichtlich wieder die Nacht durchgearbeitet. Veronika berichtete kurz von ihrer Unterredung und bat dann die anderen um deren Ergebnisse.

      »Jahnke wird uns eine Liste erstellen lassen mit allen Mitarbeitern, Handwerkern und Besuchern, die in den vergangenen Wochen in den Räumlichkeiten ein und aus gegangen sind. Er schätzt, dass er da auf mehrere Dutzend kommt«, erläuterte Sylvia Meyer. »Er hat auch bestätigt, dass Pausini am Vorabend der Eröffnung gegen 0.30 Uhr die Halle verlassen hat. Er wusste es noch so genau, weil sich der Schließdienst deshalb bei ihm beschwert hat. Die Putzkolonne ist dann wohl gegen neun Uhr morgens angetreten, den Angestellten sei aber nichts Spezielles aufgefallen, sagt er. Er hat wohl heute früh gleich noch mit deren Vorgesetzten telefoniert. Die Mitarbeiter sollten wir aber dennoch noch mal einzeln befragen, sicher ist sicher.«

      »Gut, bleibt da bitte dran. Sven, haben wir schon eine Einschätzung zum Todeszeitpunkt? Und der Todesursache?«

      »Ja, Thiel hat mal wieder Gas gegeben. Also, den Totenflecken und der Leichenstarre nach zu urteilen, war die Leiche etwas mehr als 12 Stunden tot, bevor sie zu ihm gebracht wurde. Wir reden also von der Nacht vor der Veranstaltung. Todesursache war Verbluten, die Wunde an den Rippen ging zwischen den Knochen durch und hat die Hauptarterie verletzt. Das ging wohl ziemlich schnell, meinte er.«

      Veronika las parallel in dem Bericht, den Becker ihr gegeben hatte. Deutliche Hämatome am Hinterkopf ließen darauf schließen, dass dem Opfer vorher ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand verpasst worden war.

      »Kann man sagen, ob Hartmann bei Bewusstsein war, als ihm die Wunde zugefügt wurde?«

      Becker schüttelte den Kopf.

      »Leider nicht. Thiel überprüft gerade noch, ob es Abwehrspuren gibt und was er sonst noch finden kann. Dies war nur mal sein erster Aufschlag.«

      »Max, was hast du für uns im Gepäck?«

      »Noch nicht so viel, ehrlich gesagt. Ich bin gerade dabei, die Baufirma ein bisschen auseinanderzunehmen. Ich blicke aber langsam nicht mehr durch. Hartmann hatte mehrere Beteiligungen an anderen Unternehmen und einige große Projekte, in die er sogar selbst investiert hat. Ich hoffe, es ist okay, dass ich mir Unterstützung bei den Wirtschaftsdelikt-Leuten angefordert habe. Der Herr war ganz schön umtriebig und hat nur bei den großen Projekten mitgespielt. Die Erschließung der Saarterrassen, das Einkaufszentrum in Neunkirchen und mehrere Neubaugebiete – alles auf alten Industriebrachen. Also offensichtlich höchst lukrativ. Bleibe da dran.«

      Veronika nickte nachdenklich. Die Baubranche war für erbitterte Konkurrenzkämpfe bekannt. Und einige Mitspieler waren nicht unbedingt zimperlich, wenn es um die Wahl der Bandagen ging. Lauerte hier schon ihr Motiv? Wieso trieb der Täter dann so viel Aufwand? Und dann diese Pose. Wen betete Hartmann da an? Was sollte das alles bedeuten?

      »Haben wir die Aufnahmen der Überwachungskameras schon?«

      »Nein, leider nicht. Anscheinend gibt es gar nicht so viele auf dem Gelände, wie ich vermutet hätte. Es befindet sich jeweils eine am Lieferanteneingang und im Empfangsbereich sowie vor den Außentüren. Aber innen so gut wie keine. Nur die, die vor der Skulptur selbst aufgebaut war, aber die hat erst kurz vor der Enthüllung angefangen aufzuzeichnen. Auf jeden Fall haben die irgendetwas von offiziellem Beschluss für die Herausgabe der Dateien gefaselt. Kannst du da nicht mal deinen Staatsanwalt drauf ansetzen? Ich hab gesehen, ihr seid jetzt so«, witzelte Becker und hielt dabei Mittel- und Zeigefinger gekreuzt.

      »Ha, ha. Sehr witzig.« Veronika ärgerte sich, weil sie ein bisschen rot wurde, ohne zu wissen, warum eigentlich.

      »Ruf du ihn doch selbst an. Ich muss dringend noch etwas anderes erledigen«, zischte sie genervter, als sie wollte. Normalerweise agierte die Staatsanwaltschaft im Hintergrund und sie befanden sich in enger Abstimmung während ihrer Ermittlungen. Meist übernahm es jemand aus ihrem Team, die Schnittstelle zu den Kollegen dort zu spielen. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass es dieses Mal anders sein würde.

      20.

      Margarete Schwarz blätterte in ihrem Poststapel. Was war das gestern Abend für eine Aufregung gewesen? Sie hatte leider zu weit weg gestanden, um wirklich etwas sehen zu können, aber im Internet kursierten genügend Aufnahmen von der Live-Übertragung, die den Schockmoment dokumentierten. Sie hatte Benno sehr gut gekannt, nicht nur durch ihre enge Zusammenarbeit, aktuell an drei gemeinsamen Projekten, sondern auch privat. Sie verstand nicht, wer so etwas tun konnte. Benno war immer humorvoll gewesen, von der gröberen Sorte zwar, aber so waren nun mal die Baujungs. Er konnte charmant und einschmeichelnd sein, wenn er etwas wollte. Und er wusste immer genau, was das war.

      Ein Umschlag stach besonders aus dem Poststapel hervor, der hauptsächlich aus Briefen im DIN-lang-Format bestand. Er war fast quadratisch und sah den Briefpapierbögen ähnlich, welche sie als junges Mädchen gesammelt hatte. Leicht strukturiert und in einem hellen Gelbton gehalten. Es hätte sie nicht gewundert, wenn er nach Kamille geduftet hätte. Sie hob ihn an die Nase, doch er roch nur leicht nach Klebstoff.

      Der Brief war an sie persönlich adressiert. Deswegen hatte ihn ihre Sekretärin nicht angerührt. Sie schob ihren Brieföffner routiniert in den kleinen Schlitz an der Umschlagskante und schnitt ihn mit einer Bewegung sauber auf. Sie zog ein vierfach gefaltetes Blatt Papier heraus, klappte es auf und hielt den Atem an, als ihr Blick auf die dilettantisch geklebten Buchstaben fiel. Wie in einem schlechten Film, schoss es ihr durch den Kopf.

      »TICK, TACK, RÜBE AB! DU BIST DIE NÄCHSTE. AUCH DU WIRST BEZAHLEN – DU MISTSTÜCK.«

      Das konnte nur ein Scherz sein. Hektisch suchte sie auf dem Umschlag nach einem Absender oder zumindest nach einem Hinweis darauf. Der Poststempel wies auf Saarbrücken hin, sonst war nichts zu finden. Sollte sie die Polizei einschalten?

      Sie bekam hin und wieder unschöne Post. Sie war schließlich schon lange in der Politik, da konnte man es nicht jedem recht machen. Meistens waren es E-Mails,