Greta R. Kuhn

Saarland-Connection


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sie beherrschte. Ein Abend wie dieser entsprach nicht ihrer Wohlfühlzone und in diesem Aufzug schon gar nicht. Wie war das noch mal? Der erste Eindruck zählte?

      Reiß dich zusammen, dachte sie sich. Du gehst schließlich nicht zu einer Modenschau. Du bist die jüngste Hauptkommissarin des Saarlandes, deshalb hast du diese Einladung bekommen. Rücken gerade, Brust raus, Kopf hoch. Mach dich nicht jetzt schon fertig.

      »Alles okay, Frau Hart? Sie sind doch nicht etwa nervös, oder? Keine Sorge, heute Abend sind Sie nur Gast, es dreht sich nicht um Sie. Seien Sie ganz entspannt. Es wird Ihnen schon nichts passieren, außer ein paar langweiligen Gesprächen und vielleicht ein, zwei Gläschen Wein zu viel, wenn wir nicht aufpassen.« Er lachte und stieß sie ganz leicht mit dem Ellenbogen an. Ihre innere Anspannung ließ etwas nach. Er hatte recht. Was sollte schon passieren?

      Es war beeindruckend. Als Veronika den langen roten Teppich betrat, der sich entlang des Hüttengebäudes schlängelte, fielen ihr als Erstes die imposant beleuchteten Stahlmonumente auf, die fast bedrohlich in den Himmel zeigten. Sie konnte die Augen nicht von den Konstruktionen lassen, die das Besucherzentrum überragten, während sie in einer kleineren Menschentraube über den roten Stoff schritt, durch den die Pflastersteine ihre Abdrücke hinterließen. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen, das mit seinen Eltern zu einer Theateraufführung mitgeschleift wurde, als sie so hinter ihrem Chef herlief, der offensichtlich jeden der hier Anwesenden zu kennen schien und bereits in ein eindringliches Gespräch mit einem älteren Herrn vertieft war.

      Na toll, dachte Veronika. Das wird sicher ein sehr lustiger Abend. Sie seufzte, als Lothar Klein sie zu sich rief.

      »Frau Hart, darf ich Ihnen unseren ehemaligen Staatssekretär, heute im wohlverdienten Ruhestand, Herbert Klaasen, vorstellen? Er war lange im Innenministerium unter anderem für die Polizeibelange zuständig, mit ihm hatten wir stets einen zuverlässigen und verständnisvollen Ansprechpartner an unserer Seite. Die Zeiten sind ja leider schon lange vorbei, gell Herbert?«

      Er tätschelte dabei die Schulter seines Gesprächspartners, der aus der Nähe noch älter aussah, als Veronika erst vermutet hatte.

      »Das ist also die neue Hauptkommissarin, die ihr aus dem Programm geholt habt?«, erwiderte dieser, ohne auf die Spitze in Richtung der aktuellen Situation im Land einzugehen. »Haben Sie sich denn schon gut eingelebt, Frau Hart?«

      Veronika nickte und musste an ihre letzten beiden Fälle denken, die sie fast das Leben gekostet hätten.

      »Doch, ich kann nicht klagen. Das Saarland hat ja wirklich einiges zu bieten und im Präsidium hat man mich sehr herzlich aufgenommen. Ich habe den Schritt aus Frankfurt hierher bis jetzt noch nicht bereut«, versicherte sie mit heiterem Ton. An Klaasens Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er ihr nicht glaubte. Sie begann sich unwohl zu fühlen, doch ihr Chef schien davon nichts mitzubekommen.

      »Na, das sind doch die besten Voraussetzungen. Frau Hart ist ja auch schon über ein Jahr bei uns. Ach, wer ist denn da? Das glaub ich ja nicht, lassen sie dich denn überall rein?« Klein hatte seine Aufmerksamkeit bereits auf einen anderen Gast gerichtet, der wenige Meter vor ihnen in der Schlange stand, und ließ Veronika mit Klaasen stehen. Sie schaute betreten zu Boden, Small Talk gehörte in solchen Situationen nicht zu ihren Stärken. Doch Klaasen legte mit einem väterlichen Lächeln die Hand auf ihren Unterarm und flüsterte ihr zu:

      »Machen Sie sich nicht so viele Gedanken, Frau Hauptkommissarin. Sie sind an dieser Stelle schon genau richtig. Ich habe Ihren Werdegang aus der Ferne verfolgt, Ihre ersten großen Fälle waren harte Brocken. Aber Sie haben sich durchgekämpft und stehen heute hier. Darauf können Sie verdammt stolz sein. Lassen Sie sich also nicht von den alten Haudegen und ihren Seilschaften unterkriegen. Versprechen Sie mir das?«

      Ein warmer Schauer durchlief Veronika, so etwas hatte sie nicht erwartet. Und ein bisschen kam es ihr vor, als würde sie die Stimme ihres Vaters hören, der ihr solche Ratschläge sicherlich auch mit auf den Weg gegeben hätte. Sie unterdrückte ein Zittern in ihrer Stimme, schaute ihm direkt in die Augen und nickte. »Ich werde mir Mühe geben, versprochen.« Sie grinste verlegen.

      »Das wollte ich hören, ich würde sagen, darauf trinken wir später einen. Wenn dieser ganze Affenzirkus hier vorbei ist. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich das hasse …« Dann entdeckte auch er jemanden in der Menge und verabschiedete sich.

      Veronika nickte ihm zu. Zum Glück kam nun Bewegung in die Schlange, die sich langsam über die breite Metalltreppe in Richtung Haupteingang schob. Sie hatte nicht erwartet, dass so viele Gäste eingeladen waren. Sie schätzte die Menge auf rund 500 Personen. Wenn Lothar Klein auch nur die Hälfte kannte und mit jedem heute Abend ein Schwätzchen halten musste, dann wäre sie übermorgen noch nicht zu Hause. Vielleicht würde sie ja mit einem Taxi auch etwas früher den Abflug machen können. Sie wägte gerade mögliche Ausreden ab, als ihr jemand auf die Schulter klopfte. Ein blonder Lockenkopf stand vor ihr und betrachtete sie interessiert. Das Gesicht kam ihr bekannt vor, irgendwo hatte sie es schon einmal gesehen. Sie runzelte die Stirn und wollte gerade fragen, was das sollte, als ihr Gegenüber sie unterbrach.

      »Sind Sie nicht Veronika Hart, die jüngste Hauptkommissarin des Saarlandes? Ich kenne Sie bisher nur von Fotos. Als ich Sie eben von Weitem gesehen habe, hab ich mir gedacht, ich nutze mal die Gelegenheit, dass wir uns persönlich kennenlernen. Wo wir doch bald so eng zusammenarbeiten sollen. Aber vielleicht wissen Sie das noch gar nicht. Die Entscheidung des Ministeriums ist ja ganz frisch. Und wenn ich es mir recht überlege, habe ich es auch nur aus inoffiziellen Quellen erfahren. Ach was soll’s, irgendwann wäre es sowieso kommuniziert worden. Dann erfahren Sie es eben von mir. Auf jeden Fall freue ich mich sehr, Sie hier zu treffen.«

      Der Redeschwall traf Veronika unvorbereitet und sie brauchte einen kurzen Moment, um den Inhalt für sich zu sortieren und zu verarbeiten.

      Ihr Gesprächspartner ließ sich von ihrer Sprachlosigkeit nicht irritieren und plauderte munter weiter, bis bei Veronika der Groschen fiel. Das war Sebastian Kirschmeier, der neue Staatsanwalt. Trotzdem verstand sie nicht, was er mit enger Zusammenarbeit und Entscheidung des Ministeriums meinte. Er berichtete ihr derweil von seinem letzten Urlaub in der Toskana, in dem sein Oldtimer den Geist aufgegeben hatte, weswegen er jetzt mit dem Smart seiner Freundin da sei.

      »Herr Kirschmeier?«, versuchte sie seinen Erzählstrom zu unterbrechen.

      »Ach herrje, jetzt hab ich mich gar nicht vorgestellt. Das passiert mir sonst nie, ich dachte, Sie wissen vielleicht schon, wer ich bin. Ich war ja auch ziemlich oft in den Medien in letzter Zeit.«

      Na, Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat der schon mal nicht, dachte sich Veronika. Solche Typen konnte sie nicht ausstehen. Aber sie ermahnte sich selbst, professionell zu bleiben. Es war nur dieser eine Abend, das würde sie schon überstehen.

      Er hatte wieder den Faden seiner Erzählung aufgenommen und Veronika versuchte mit gequältem Lächeln, an den richtigen Stellen interessiert zu nicken. Leider begann sie in solch unangenehmen Situationen oft leicht zu schwitzen. Sie hoffte nur, dass Kirschmeier das nicht bemerken würde, und schaute sich verstohlen nach ihrem Chef um. Glücklicherweise entdeckte sie ihn in ihrer Nähe, und als sich ihre Blicke trafen, winkte er sie eifrig zu sich.

      »Oh, es tut mir leid, dass ich Sie unterbrechen muss, Herr Kirschmeier, das ist ja wirklich alles sehr spannend. Aber mein Chef hat mich gerade zu sich gerufen, scheint wichtig zu sein. Man sieht sich bestimmt später noch.« Mit einem knappen Lächeln drehte sie sich um und verschwand in der Menge, die sich jetzt durch die geöffneten Eingangstüren schob. Dort hatten die zwei jungen Frauen, die den Einlass mit endlos langen Listen regeln sollten, die Waffen gestreckt und blickten dem Besucherstrom nur noch hilflos hinterher.

      Lothar Klein steckte inmitten einer konspirativen Herrenrunde mittleren Alters. Es ging um das neue Fußballstadion des Saarbrücker Fußballvereins 1. FC Saarbrücken, so viel hatte sie mitbekommen, und nun wollten sie ihre Meinung dazu hören. Sie blieb vage und winkte ab, so wie sie das bei Francesco und seinen Freunden zu diesem Thema auch immer tat.

      Ihr Blick scannte die sich füllende Veranstaltungshalle und blieb an einem blondgelockten Hinterkopf hängen, dessen Besitzer mit wild gestikulierenden Armen eine