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Wo heute predigen?


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durchspannt den ganzen Kommunikationsraum durch positiv gestimmte Betroffenheit und die Haltung des Gebets (wie immer das bei den einzelnen Teilnehmer_innen auch aussieht). Ein weiterer Indikator dafür ist: Bleibt dieser „Großleib“ über den Verlauf der Liturgie bestehen oder zerfällt er? Kurze mystagogische Angebote können den Verbleib im Gesamt der Feier stimulieren: „Legen Sie mit den Gaben, die zum Altar gebracht werden, Ihre Sorgen, Ihre Familie mit auf den Altar.“

      Ein wesentlicher Aspekt der Konfiguration besteht darin, in der Rolle des Vorstehers für die „Atemzüge“ des Großleibs Verantwortung zu tragen. Eine flache Atmung weist auf Stress hin, heftiges Ein- und Ausatmen auf hohes Tempo. Stimmungen beeinflussen die Atmung. Der wichtigste Ansatzpunkt für die gelungene „Atmung“ oder die Gestimmtheit der Feiergemeinde besteht darin, Sicherheit zu geben. Die Angst, Fehler zu machen und vor anderen dann dumm da zu stehen, reduziert eine gelungene Teilnahme an der Feier. Deshalb ist die Begegnung mit den Firmlingen und Pat_innen kurz vor der Feier besonders wichtig. Sie dient der Kontaktaufnahme und dem Vermitteln der Devise des Tages: „Es wird alles gut gehen! Und wenn etwas passiert, dann lächeln wir und machen weiter. Keine Sorge! Ich sage immer wieder an (Rolle des Moderators), was geschehen wird. Wer von euch betet die Kyrierufe? Aha, ihr seid es! Ich rufe euch dann heraus. Lasst euch Zeit und betet sie wirklich.“ In der Kirche tut es den Angehörigen gut, ebenfalls die gute Nachricht zu hören, dass alles gut gehen wird und diese Feier keine Militärparade sein wird.

      Das Zusammenspiel von drei Gestimmtheiten

      Die vermittelte Sicherheit bietet den Sockel für drei Formen von Gestimmtheiten: Konzentration, Sammlung, Entspannung. Diese haben jeweils antagonistische Faktoren, von denen einige thematisiert werden:

      1) Konzentration bedeutet Fokussierung, das Scharfstellen des Denkens auf Themen oder Personen. In diesem Fall ist die homiletische Kompetenz des Firmspenders gefragt. Wenn in der Predigt z.B. ein Ausschnitt aus einem der Briefe der Firmlinge vorgelesen wird (ohne Nennung des Namens), steigt die Aufmerksamkeit rapide an. Wenn die Predigt darauf Bezug nimmt, dass die Firmlinge häufig in der Lebensphase sind, in der die Eltern schwierig werden, ist zumindest ein Schmunzeln garantiert und das Thema Jugendliche/Eltern präsent gemacht. Der Antagonist der Konzentration ist z.B. der „Kirchenslang“, in dem unvermittelt von „Gnade“ gesprochen wird, ohne dass dabei ein Erfahrungsraum aufgetan wird. Kirchliche Worthülsen werden zumeist von den Mitfeiernden erwartet, steigern allerdings die Gefahr der geistigen Zerstreuung, die auch ihm Großleib spürbar wird. Der Hüstelfaktor steigt an.

      2) Die Sammlung ist mit der Konzentration verwandt, aber nicht mit ihr gleichzusetzen. Wer sich sammelt, tritt mit sich selbst in Kontakt, sammelt sich „ein“ und wird gegenwärtig. Die Sammlung einzelner Personen unterstützt die Bildung des „Großleibs“. Musik, Gesang und eine sich ausbreitende freudige Stimmung sind wesentliche Faktoren des Sich-Einsammelns. Die Einladung zum Gebet: „Lasset uns beten“ und die darauf folgende erfüllte Stille ist ein Indikator dafür, dass kollektive Sammlung eingetreten ist. Es entstehen Phasen der Andacht, welche zur Erfahrung der Transfiguration hinführen. Ein antagonistischer Faktor ist z.B. das heruntergeleierte Gebet, das ohne Kontakt mit den Mitfeiernden dem lieben Gott aufgesagt wird. Hier ist der Vorsteher in der Pflicht, die Orationen wirklich zu beten und zwar als Zusammenfassung des Gebets der Versammelten.

      3) Die Entspannung ist ein wesentlicher Faktor der gemeinsamen Atemzüge des Großleibs. Es ist unmöglich, über zwei Stunden konzentriert und gesammelt zu sein. Im Ablauf der Firmung gibt es zwei große Momente der Entspannung: Nach der Salbung wird den Neugefirmten ein Applaus gegeben, der zumeist sehr kräftig ausfällt. Sie haben es „geschafft“. Nach dem Hochgebet und dem Vaterunser hilft beim Friedensgruß „Gebt einander ein Zeichen dieses Friedens“ der Zusatz „Es darf nun auch gemurmelt werden“ wiederum dazu, eine kurze Phase der Entspannung einzuleiten, die eine gesammelte Atmosphäre bei der Kommunion unterstützt. Einer der antagonistischen Faktoren ist die durchgehende „Gewichtigkeit“ des gesamten Gottesdienstes, der zum berühmt-berüchtigten liturgischen „Strudelteig“ wird, der die Stimmung von Mühsamkeit und Ermattung verbreitet. Das heimliche Stöhnen von „hoffentlich ist es bald aus“ durchzieht den Großleib. Kleine humorvolle Bemerkungen zwischendurch bringen Funken der Leichtigkeit in die Feier.

      Das Zusammenspiel aller drei Faktoren ermöglicht, dass form follows function erlebt wird. Das Evangelium, das sich in den Atemzügen der liturgischen Feier inkarniert (function), kennt Lachen aber auch den heiligen Ernst. In seiner Gewichtigkeit bietet es aber auch gewisse Leichtigkeit (form). Aber alles hat seine Zeit, denn nicht alles ist gleichzeitig möglich.

      3. Zur Predigt in der Firmung

      Die Personen, die zur Firmung zusammenkommen, entstammen den unterschiedlichen Milieus der gegenwärtigen Gesellschaft. Von den traditionell geprägten (Ordnung und Pflichterfüllung), über die modernen (Selbstverwirklichung und Individualisierung), schließlich zu denen, die der Multi-Optionalität, Experimentierfreude und dem Selbstmanagement zuneigen. Das „postmodernste“ Milieu sind z.B. die Digitalen Individualisten. Sie „definieren das eigene Leben als individuelle Erfahrungs-, Erkenntnis- und Sinnschöpfungsreise. Spontaneität und Lust auf Selbsterfahrung münden in ein Lebensgefühl, das nicht auf Konventionen baut und ohne anerkannte Statussymbole auskommt […]. Vor allem junge Menschen gehören diesem Milieu an“ .5 Das bedeutet nicht, dass alle Firmlinge diesem Milieu angehören, aber es zeigt den Zug der Zeit an. Ich will/muss selbst „meine“ Welt zusammenhalten und konzipieren und lasse das „man macht“ hinter mir. Die Milieu-Gemengelage eines Firmgottesdienstes ist damit auch eine missionarische Situation, in der die Mission Christi, die man im Begriff des Evangeliums zusammenfassen kann, im Modus des form follows function womöglich erlebbar gemacht wird. Das, was gesagt wird, tritt in wesenhafte Interaktion mit dem Wie des Laufs des Gottesdienstes und des Umgangs mit den Teilnehmer_innen. Darin inkarniert sich subkutan das Wie des Umgangs Gottes mit den Menschen. Diese Was/Wie-Relation bestimmt den Zeugnischarakter für das Evangelium. Mehr als dieses Zeugnis ist auf menschlicher Seite nun mal nicht „drin“, und die Wirkungen dieses Aussäens des Evangeliums bleiben angesichts der heterogenen Versammlung unbestimmt. Aber zumindest für den Moment der Feier lassen sich bei transfigurativen Augenblicken Samenkörner erahnen. Den Rest muss man der hintergründigen Gegenwart Gottes übergeben, welche den Samen zum Wachsen bringt.6

      Was die Predigt angeht, hat man vier Zielgruppen: die Firmlinge, die Pat_innen, die Eltern mit weiteren Familienmitgliedern und schließlich der „Rest“ der Gottesdienstgemeinde, der sich häufig aus den Sonntagskirchenbesucher_innen zusammensetzt.7

      Der Firmspender tritt nun in den Rollen des Verkündigers und Mystagogen besonders in Erscheinung. Durch Konfiguration ist die Atmosphäre „angewärmt“ worden, sodass, gestützt durch die Sammlung im Großleib, Konzentrationsfähigkeit entstanden ist, die es ermöglicht, auch einer längeren Predigt zuzuhören, in der sich mehrere Topoi herauskristallisieren lassen. Der Begriff „Topos“, der auch in der Rhetorik aufgegriffen wurde, stammt aus dem Griechischen und bedeutet einfach „Ort“. In der Predigt geht es darum, „Orte“ zu schaffen, in denen das aktuelle Leben und (geistliche) Grundgedanken durch die Zuhörer „betreten“ werden können. Für die Firmpredigt gibt es einerseits kairologische Topoi, welche den Kairós, die Konstellation der Welt der Mitfeiernden einholen. In den mystagogischen Topoi werden Angebote gemacht, wie die Firmung im Licht des Glaubens betrachtet werden kann, verbunden mit der Hoffnung, dass die Chance auf Transfiguration erhöht wird.8

      Kairologische Topoi

      Firmlinge: Gestützt durch die Briefe lassen sich zwei bis drei Blitzlichter auf die Lebenswelt der Jugendlichen machen. Sie stehen in der Lebensphase, in der sie eigenständige Schritte ihres Lebens einüben. Dazu gehört die Entscheidung, welchen Ausbildungsweg sie einschlagen werden. Im Interview mit dem Handmikro können einige von ihrer Entscheidung berichten: „Ich werde nächstes Jahr …“ Es wird sichtbar, dass sie damit bereits an das Steuerruder ihres Lebens greifen, auch wenn die Eltern oft eng im Boot ihres Lebens daneben sitzen. Nach diesen Entscheidungen werden weitere folgen. Der Entscheidungen ist kein Ende. Die Qualität eines Menschen erkenne ich nicht so sehr an den Gaben, die er hat (manche haben mehr, andere vielleicht weniger), sondern