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Lebendige Seelsorge 5/2014


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aus, die einerseits wichtig und mitunter auch völlig überzogen sind. Sie sind gefundene Orte für Humor. Ein Pflegeteam hatte auf einer Station eine Karikatur angebracht, die den Chefarzt zeigt, wie er auf einer Sänfte durch den Krankenhauskorridor getragen wird. Bei seiner Visite nun entdeckt der Chefarzt die Karikatur und bleibt für eine lange Zeit davor stehen. Betretenes Schweigen bei den Anderen. Auf einmal dreht sich der Chefarzt zu seinem Team um und fragt: „Ist es wirklich so schlimm?“ Eine Karikatur aufzuhängen, das zeugt noch nicht von Humor. Aber als Betroffener einer karikierend überzogenen Kritik ertappt zu werden, darüber ins Nachdenken zugeraten und mit einer seinerseits überzogenen Rückfrage zu parieren, das ist sehr wohl Ausdruck von Humor. Er hätte wütend werden können, seine leitende Position erst recht behaupten, gar nach den Verantwortlichen fragen. Aber nein, in diesem Moment der Hinwendung an die Anderen gerät die Hierarchie ins Wanken. Ein Gespräch wird angezettelt und hoffentlich nutzen sie es und sprechen darüber, was die bestehende Ordnung eventuell unerträglich macht oder inwiefern sie die Arbeitsabläufe positiv stabilisiert. Dem Humor ist an einem Kontakt auf Augenhöhe ebenso sehr gelegen wie dem christlichen Glauben. Hier und da konstituieren Respekt, gegenseitige Achtung und Anerkennung das Miteinander. Nächstenliebe und Gottebenbildlichkeit sind Begriffe, mit denen der Glaube die besondere Nähe und Augenhöhe mit anderen Menschen qualifiziert.

      Da der Chefarzt humorvoll reagiert hatte, dürfte so ein Gespräch durchaus von Lachen begleitet sein. Hat das Pflegeteam bislang über den Chef gelacht, so lacht der Chef jetzt über sich und alle lachen miteinander.

       SICH SELBST ERNST NEHMEN, ABER AUCH WIEDER NICHT ZU ERNST

      Lachen die einen über den Anderen, nennen wir es Schadenfreude. Lache ich über mich selbst, nenne ich es Humor. Kann ich mit Anderen zusammen über mich lachen, halte ich das für eine besonders hohe Form des Humors. Humor erwächst aus der Haltung, auch sich selbst immer wieder neu und anders anschauen und der eigenen Starrheit im Denken oder Handeln durch Verflüssigungen begegnen zu können. Kurzum: Humor zeigt sich darin, sich nicht zu ernst zu nehmen, nicht die eigenen Meinungen, die jeweilige Position nicht, nicht das angesammelte Wissen, auch nicht die gewählten Glaubenssätze. Ja, diese Relativierung ist durchaus auch auf den Glauben zu beziehen, erkennen wir doch, wie oft wir auch hier Suchende, Zweifelnde, Forschende, Fragende sind, und unsere Erfahrungen dogmatische Richtigkeiten herausfordern oder sogar ins Wanken bringen. Ein lebendiger Glaube wird hier, gleich dem Humor, neugierig bleiben, entdeckungslustig und bereit zum Staunen. Doch der Humor kann dem Glauben auch zu einem wichtigen Korrektiv werden und diesen vor Fanatismus bewahren.

       CLOWNIN GOTT

      Nicht weil ich mich über Gottesvorstellungen oder gar über Gott selbst lustig machen wollte, habe ich vor einiger Zeit die Metapher der Clownin Gott entwickelt. Dass Jesus als verrückt erklärt wurde und Paulus uns als Narren in Christo bezeichnet hat, waren für mich maßgebliche Gedanken. Aber der entscheidende Einfall verdankte sich der Einsicht, dass die metaphorische Gottesrede noch metaphorischer werden muss, damit sie als solche zur Geltung kommt. Adler, Fels, Bärenmutter, König, Herrscher – in der Bibel wimmelt es von Bildern aller Art. Keines will Gott festlegen und doch erscheinen Gottesbilder oft wie das goldene Stierbild, über das Gott einst so wütend wurde. Warum also nicht eine sehr schräge Metapher, die geradezu bilderstürmerisch wirkt? Eine Metapher, die Gottes schöpferische, unerwartbare, herrschaftskritische Kraft herausfordernd und frech zum Ausdruck bringen will? Eine Metapher, die humorvoll verflüssigt und sich dabei selbst ernst, aber auch nicht zu ernst nimmt – so wie es sich für jede Metapher gehören würde?

       CLOWNIN MENSCH

      Das wäre dann das Bild des Gott entsprechenden Menschen. Jeder Mensch ein Clown oder eine Clownin und damit weit mehr als ein toll-patschiger bunter Kerl mit zu großen Schuhen. Eher eine zuversichtliche Person mit der Strandmatte unterm Arm oder ein Spaziergänger, der sich über Tauben auf dem Dach und Kühe auf der Weide freut. Ein Mensch, der sich selbst nicht absolut setzt, sondern sogar Mut zur eigenen Komik hat. Ein unerschütterlich neugieriger Mensch, der das Staunen noch nicht verlernt hat. Der im Wissen um die eigene Unvollkommenheit umso beherzter an Gottes gerechter Welt mit arbeitet und sich trotzdem noch an den Lilien auf dem Feld freut. Das Schwere wäre schwer, und es wäre möglich, gerade darin das Leichte zu heben (Pfandl-Waidgasser). Tragik würde Tragik bleiben, und doch wäre darin noch Komik zu entdecken. Dem Tod wäre nicht das letzte Wort überlassen, sondern selbst darin und darüber hinaus noch das Leben aufspürbar.

       SEELSORGE – CLOWNESK HUMORVOLL

      Freilich ist Seelsorge kein Strandspaziergang! Doch wenn es gut geht, kann man durchaus gemeinsam bei einem Picknick landen. Ein Pfarrer beschreibt, wie er einen Geburtstagsbesuch bei Russlanddeutschen macht. Geburtstag hat die Frau, die unentwegt von Küche zu Wohnzimmer eilt, um dem hohen Gast Leckereien aufzutischen. Der Ehemann wirkt abweisend, bis er die Flasche Wodka hervorholt und dem Gast Glas um Glas einschenkt. Der Pfarrer ist permanent damit befasst, sich abzugrenzen und sucht fieberhaft nach einer guten Ausrede, die ihm einen Abgang erleichtern könnte. Hier ist kein einziges seelsorgliches Gespräch möglich, auch wenn die Sprache selbst nicht der Hinderungsgrund ist.

      Bei einer clownesken Improvisation entstehen allerdings überraschende Möglichkeiten in dieser an sich schon witzigen und doch auch tragischen Situation. Eine Pfarrerin übernimmt die Rolle und gerät in Clownsmanier ins Entzücken über all die Speisen. Besonders der Kuchen ist dermaßen köstlich, dass sie die Hausfrau nach dem Rezept fragt. Das verschafft ihr den Zutritt zur Küche und schon sind die beiden Frauen unter sich und tauschen so manches gute Wort aus. Ein weiterer Pfarrer entdeckt die vielen Fotos an den Wänden und lässt sich bald von dem Paar alte Geschichten erzählen. Das Essen ist nicht mehr so wichtig. Stattdessen wird gemeinsam ein bisschen getrauert und gelacht. Noch eine Variante: der Besuch wird am Abend abgehalten, damit man auch kräftig essen und trinken kann. Und der Tipp: nippen Sie nur am Glas, damit nicht ständig nachgeschenkt werden kann!

       FAZIT

      So wird Humor doch noch zu einer nahezu göttlichen und doch zutiefst menschlichen Haltung, die ungeahnte Chancen birgt. In den vielen Szenen, die wir inzwischen zu seelsorglichen Situationen gespielt haben, wird vor allem deutlich, dass der Seelsorger sich selbst gegenüber humorvoll sein sollte. Die folgenden Aufforderungen mögen diese Haltung ebenso humorvoll aufspießen:

      

Steuern Sie direkt auf das Problem zu und suchen Sie genau da nach Lösendem! Es wird sich auch genau da finden.

      

Bleiben Sie in jedem Fall neugierig, auch sich selbst gegenüber.

      

Ein guter Kontakt zum anderen Menschen kann den Kontakt zu sich selbst nicht ersetzen.

      

Riskieren Sie mal eine ungewöhnliche Reaktion, einfach so und aus dem Bauch heraus.

      

Keine Angst vorm Scheitern, das macht uns erst so richtig menschlich. Nicht einmal unser Gott hat es vermieden.

      

Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, fällt Ihnen nichts mehr ein. Dann seufzen Sie eben und seien Sie gewiss, Gottes Geistkraft vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen (Röm 8,26). Gemeinsam seufzen wirkt besonders erleichternd.

      

Meist hat ihr Gegenüber, für dessen Seele Sie sich sorgen, selbst den besten Sinn für Humor. Lassen Sie