Группа авторов

Lebendige Seelsorge 5/2014


Скачать книгу

alt="images"/>

       LITERATUR

      Matthiae, Gisela, Clownin Gott. Eine feministische Dekonstruktion des Göttlichen, Stuttgart 22001.

      Matthiae, Gisela, Wo der Glaube ist, da ist auch Lachen. Mit Clownerie zur Glaubensfreude, Freiburg i.Br. 2013.

      Pfandl-Waidgasser, Andrea, Spielerischer Ernst. Clowneske Interventionen in der Krankenhausseelsorge, Stuttgart 2011.

      Sindermann, Thorsten, Über praktischen Humor. Oder eine Tugend epistemischer Selbstdistanz, Würzburg 2009.

       Der Pfarrer hält beim Gottesdienst im Altenheim eine lange Pause nach: „Lasset uns beten“. Darauf ein Zwischenruf: Aber heute noch!

       Gisela Matthiae

      geb. 1959, Dr. theol., evang. Theologin und Clownin; schreibt, unterrichtet, spielt und bildet seit vielen Jahren im kirchlichen Umfeld Clowninnen und Clowns aus, auch für Besuche im Altenheim (www.clownin.de; www.kirchenclownerie.de).

       Der Witz der Religion

      Die Theologie braucht Humor. Denn Lachen beflügelt den Geist, entschärft Konflikte und wirkt antifundamentalistisch. Der Fundamentalismus versteht keinen Spaß. Damit ist nicht gesagt, dass man all das auf die leichte Schulter nehmen sollte, im Gegenteil: gerade der Fundamentalismus ist ein ernstes Problem. Er kann Menschen rekrutieren, die zum Töten bereit sind. Wo also hört der Spaß auf und wo fängt er an? Bernhard Fresacher

      Zweifellos ist dort eine Grenze gezogen, wo man sich auf Kosten Anderer lustig macht und sie der Lächerlichkeit preisgibt, so dass ihr Ruf oder ihre Existenz zerstört wird. Guter Humor dient der Menschenwürde. Die Frage reicht aber viel weiter. Sie lässt sich einerseits auf den Sachverhalt hin beantworten, um den es geht, und andererseits auf die ästhetische Form hin, in der dieser behandelt wird: von welchem Standpunkt aus macht jemand Witze worüber? Über sich selbst oder über andere? Handelt es sich dabei um Komik, Slapstick, Scherz, Spott, Ironie, Parodie, Satire, Sarkasmus, Karikatur, Groteske, Fröhlichkeit, Heiterkeit, Narretei, Clownerie, Komödie, Kabarett oder Comedy? Wonach unterscheidet sich dabei gelungen von missglückt? Mit diesen Fragen ist ein Fass aufgemacht. Es mag Erinnerungen an Diogenes von Sinope und den Zynismus im ursprünglichen Sinn der kynischen Philosophie wecken: „Nachdenklich liegt in seiner Tonne, Diogenes hier an der Sonne“ (Wilhelm Busch). Schon möglich, dass der Theologie mehr von dieser Art Nachdenklichkeit gut täte – nicht nur bei der Erkundung des Fasses Humor. Auf eine solche Erkundung zielen die folgenden losen Gedanken, wie sie sich aufdrängen können, zwischen Hitze und Schatten.

       DEN WITZ VERSTEHEN

      Religion und Glauben haben nicht nur Regeln, sondern auch einen Witz, kann man in Abwandlung des Wittgenstein-Aphorismus sagen (vgl. Wittgenstein, § 564 und § 567). Um zu verstehen, muss man nicht nur auf, sondern auch zwischen den Zeilen lesen können. Darin besteht die Kunst der Kommunikation (vgl. Fresacher 2006). Sie lebt von Anspielungen und Leerstellen. Sinn und Bedeutungen stecken nicht im Text, sondern erschließen sich im Kontext, in dem der Text Imaginationen hervorruft – und möglicherweise ein unverhofftes Lachen (s. die Karikatur). In diesem semantischen Spannungsfeld lässt sich jede Äußerung wiederum auf ihre Form hin interpretieren – und auf die Frage hin: was steckt dahinter?

      Deshalb ist es kein Versehen oder Unvermögen, dass die Bibel Theologie in Erzählungen und Gleichnissen betreibt. Uns Heutigen fehlt vielfach der kulturelle Background von damals, um über die Pointen sofort lachen zu können. Zugleich können wir heute zu Assoziationen finden, auf die die Damaligen niemals gekommen wären. Die Geschichte von der Dämonenaustreibung in Gerasa (Mk 5,1-20) beispielsweise ist eigentlich ein Schenkelklopfer. Sie macht sich nicht nur über die bösen Geister lustig, sondern zieht nebenbei noch eine römische Legion (X Fretensis, die unter anderem das Emblem eines Ebers trug) durch den Kakao: „Lass uns doch in die[se] Schweine hineinfahren!“ (12). Das ist Satire der direktesten Art, zwischen politischem Kabarett und unterhaltsamer Comedy. Ohne diesen Kontext aber schütteln wir nur verwundert den Kopf und stellen uns zweitausend Schweine vor, die sich besessen in den See stürzen.

       GEWOLLT ODER UNGEWOLLT KOMISCH

      Von außen betrachtet erwecken religiöse Praktiken unmittelbar den Eindruck des Komischen, von der außergewöhnlichen Kleidung angefangen bis hin zu den eigenartigen Verhaltensweisen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten noch nie in Ihrem Leben an einem Gottesdienst teilgenommen oder noch nie von einem solchen gehört, Sie würden aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Beim zweiten Eindruck würden Sie vielleicht die Lächerlichkeit des Ganzen empfinden, das da von den Beteiligten mit größter Ernsthaftigkeit vollzogen wird. Kirchen legen schon beim Betreten einen besonderen Habitus der ernsten Andacht nahe. Sie scheinen kein Gelächter zu vertragen. Ironische Betrachtungsweisen finden sich schnell dem Verdacht der Blasphemie ausgesetzt. Darum dreht sich zum Beispiel Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose/Il nome della rosa“. Er bezieht sich auf die Benediktsregel über die Demut: „Der Mönch ist nicht leicht und schnell zum Lachen bereit, steht doch geschrieben: ‚Der Tor bricht in schallendes Gelächter aus’ (Sir 21,20).“ Gottesfürchtige lachen nicht. Ihr Geist verliert nicht die Kontrolle über den Körper. In dieser ganzen Ambivalenz findet sich im Christentum – mit anderen Religionen zusammen, allen voran dem Judentum – von den biblischen Schriften angefangen, bis in die Praktiken und Äußerungen über die Jahrhunderte hin, eine reiche Tradition des Humors.

      Das Buch Jona zum Beispiel, aus dem hebräischen Tanach, präsentiert sich in der literarischen Form der ironischen Selbstkritik: Jona, der auf das Wort Gottes hört, ist um keinen Ausweg und kein Argument verlegen, sich durch dieses Wort gerade nicht von seinen Glaubensüberzeugungen abbringen zu lassen. Doch die göttliche Phantasie schlägt seiner Trägheit jedes Mal ein Schnippchen. Schließlich zieht sich Jona beleidigt in den Schatten eines Laubdachs zurück, das er sich gebaut hat, um abzuwarten, was er sich schon immer gedacht hat: die Stadt Ninive wird vom Zorn Gottes verschont bleiben, weil Gott wieder einmal weich geworden ist. „Da ließ Gott, der Herr, einen Rizinusstrauch über Jona emporwachsen, der seinem Kopf Schatten geben und seinen Ärger vertreiben sollte. Jona freute sich sehr über den Rizinusstrauch. Als aber am nächsten Tag die Morgenröte heraufzog, schickte Gott einen Wurm, der den Rizinusstrauch annagte, sodass er verdorrte“ (Jona 4,6f.) und Jona der prallen Sonne aussetzte. Diogenes lässt grüßen.

       SPÖTTISCHE KRITIK AN ÜBERZOGENER FRÖMMIGKEIT

      Das Psychogramm eines Gottesfürchtigen, das hier in einer pointenreichen Odyssee-Geschichte erzählt wird, ist entlarvend und voller Spott. Es deckt die gar nicht so frommen Motive hinter der Frömmigkeit schonungslos auf. Das Buch Kohelet aus der gleichen Epoche wie das Buch Jona bietet ähnliche Kritik in aphoristischer Form, deren Ironie sich für uns nicht immer sofort erschließt, zum Beispiel: „Besser sich ärgern als lachen; denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter“ (Koh 7,3). Ernst kommt hier daher, was in Wirklichkeit spöttische Kritik am frommen Gehabe ist.

      In beiden biblischen Büchern findet sich vorweggenommen, was in Nietzsches Religionskritik Jahrtausende später unter neuzeitlichen und modernen Voraussetzungen entfaltet ist. Ebenfalls in der ästhetischen Form der ironischen Übertreibung zeichnet sie den frommen Typus bis zur Kenntlichkeit. Er münze den Geist des Ressentiments, das heißt den uneingestandenen Zorn der Unterlegenen, der auf Rache und Vergeltung sinne, in ein Gefühl der moralischen Überlegenheit um. Er sei „weder aufrichtig, noch naiv, noch mit sich selber ehrlich und geradezu. Seine Seele schielt; sein Geist liebt Schlupfwinkel,