und Wildschwein: kleine Indizien für das Leben eines Adligen.8 Die Herren auf der Habsburg lebten kaum vom direkten Ertrag ihrer landwirtschaftlichen Güter, sondern von den Abgaben und Diensten ihrer Untertanen.
Die Habsburger wohnten nicht ständig und dauerhaft auf ihrer Burg, und wenn, dann nur Teile der Familie. Macht und Herrschaft bedeutete in dieser Zeit vor allem Präsenz. Die adligen Herren waren innerhalb ihrer Besitzungen ständig unterwegs, hielten sich nie lange am selben Ort auf. Sie besassen mehrere feste Orte, neben den Burgen auch Häuser in den entstehenden Städten. Sie konnten aber auch in den von ihnen gegründeten Klöstern oder bei verwandten und befreundeten Familien absteigen. Und vor allem standen sie im Dienst von höheren Herren, eines Herzogs oder Königs. Sie hielten sich oft am königlichen Hof auf, suchten die Nähe zum König und waren Teil seiner Gefolgschaft. Sie beteiligten sich an Kriegszügen des Königs, wie Otto II. am Ungarnzug Heinrichs V. Ottos Sohn, Werner II., zog 1167 im Gefolge des Stauferkönigs Friedrich I. Barbarossa nach Italien zu dessen Kaiserkrönung und scheint vor den Mauern Roms umgekommen zu sein, nicht im Kampf, sondern wahrscheinlich als Opfer einer Seuche. Werners Enkel Rudolf II., der Grossvater des ersten Habsburger Königs, gehörte zum engsten Gefolge des Stauferkönigs Friedrich II. Er ist zwischen 1207 und 1213 in Basel, Strassburg, Hagenau und Konstanz mehrfach zusammen mit dem König bezeugt. Zudem war er mit Friedrich 1222, 1226 und 1230 in Italien.9 Das unbehagliche Leben auf einer feuchten und kalten Burg, das wochen- und monatelange Unterwegssein im Sattel und die Teilnahme in der grossen Politik gehörten zu diesem Leben.
Rudolf II. wird sich nur selten auf seinem Stammsitz aufgehalten haben. Die vordere Burg als ursprünglicher Wohnsitz wurde in den Jahren um 1230 aufgegeben. Die Habsburger verliehen ihre Burg seit dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts ihren Dienstleuten, den Truchsessen von Habsburg und Wildegg die hintere, den Rittern von Wolen die vordere Burg.10
Zum bestehenden Schlösschen in Altenburg bauten die Habsburger einen Wohnsitz in Brugg, das eben in diesen Jahren als kleines Städtchen fassbar wird. Nicht in Altenburg, sondern aareabwärts, an der engsten Stelle des Flusses, haben kurz nach 1200 bereits eine turmbewehrte Brücke und eine kleine Siedlung bestanden. Neben der um 1220 erbauten einschiffigen Kirche stand ein markantes burgartiges Wohnkastell, der spätere Effingerhof, der 1864 abgerissen wurde. Der Chronist des Überfalls auf Brugg im Jahr 1444 spricht von «des Herzog von Österreichs Haus am Kirchhof».11 Der Komfort eines steinernen Stadthauses mochte sich nicht wesentlich von dem einer Burg unterschieden haben, aber Lage und Umfeld eines solchen Ortes waren doch attraktiver. Und vor allem: Die Habsburger haben auf den Italienzügen des Königs die Kultur italienischer Städte wie Mailand oder Verona kennengelernt. Ansporn und Vorbild für das eigene Leben?
Das Schlösschen in Altenburg ist ein im 16. Jahrhundert neu aufgebautes Turmhaus, das in den Mauern des spätrömischen Kastells erbaut wurde und in dem heute die Jugendherberge von Brugg zu Hause ist. Altenburg war noch vor dem Bau der Habsburg einer der Sitze des Geschlechts.
Die Habsburger und ihr Eigen
Die Habsburg steht auf dem Wülpelsberg am nördlichen Rand des Eigenamts. Dieses Eigenamt ist alter Besitz der Frühhabsburger und wird später zu einem wichtigen Teil der Ausstattung des Klosters Königsfelden. Das Eigenamt wird westlich durch die Reuss, nordwestlich durch die Aare und südlich durch den Hügelzug des Kestenbergs begrenzt und hat eine Ausdehnung von etwa sechs auf sechs Kilometer. Mit der Habsburg und den beiden wahrscheinlich Ende des 12. Jahrhunderts entstandenen Burgen Brunegg und Wildegg an den jeweiligen Ausläufern des Kestenbergs war das Eigenamt ursprünglicher Besitz der Habsburger. Wirtschaftliches und politisches Zentrum wurde nach 1200 das neue Städtchen Brugg. Altenburg hat wohl schon nach dem Bau der Habsburg seine Bedeutung verloren und wurde später wie die Habsburg selbst an Dienstleute verliehen.
Das Eigenamt wird immer wieder als Heimat und Herkunftsort der Habsburger bezeichnet. Dies ist insofern falsch, als die Frühhabsburger nicht nur im späteren Aargau, sondern vor allem auch im südlichen Elsass alten Besitz hatten. Von Heimat oder Herkunft zu sprechen, ist aber auch deshalb falsch, weil die Adelsfamilien des Hochmittelalters mobil waren, sich nicht über lange Zeit am selben Ort aufhielten und sich oft nach dem Ort benannten, an dem sie sich vorübergehend niedergelassen hatten. Diese Namen konnten sich innerhalb derselben Familie unterscheiden. Habsburg als verbindlicher Eigenname beginnt sich erst Anfang des 12. Jahrhunderts zu verfestigen.
Der alte Besitz der Habsburger lässt sich nur über Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts rekonstruieren. An erster Stelle stehen dafür die sogenannten Acta Murensia, ein chronikalischer Bericht über die Gründung des Klosters Muri, der in der Zeit um 1160 entstanden sein muss und nur in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts überliefert ist. Der Quelle ist trotz allem eine gewisse Glaubwürdigkeit zuzubilligen, auch wenn sie die einseitige Sicht eines Schreibers aus dem Kloster Muri wiedergibt.12 Die Stiftungsgüter der Klöster Muri und Ottmarsheim bieten Hinweise auf den Besitz der Frühhabsburger an der Jahrtausendwende. Neben dem Besitz im Eigen, rund um den festen Turm in Altenburg, lag ein relativ geschlossener Güterkomplex um die spätere Stadt Bremgarten. Eine offenbar gewaltsam vor sich gegangene Erweiterung dieses Besitzes gegen Süden umfasste den Herrenhof und die Pfarrei Muri. Hier soll Radbot 1027 zusammen mit seiner Gattin Ita von Lothringen das Benediktinerkloster gestiftet haben, das mit Mönchen aus Einsiedeln besiedelt wurde. Verstreuter Besitz lag zwischen Zuger- und Vierwaldstättersee, in Gersau, Thalwil und am Greifensee, ein grösserer Komplex im oberen Fricktal und im Schenkenbergertal. Die Austattung von Ottmarsheim deutet auf Besitz in der Gegend des gegründeten Klosters hin (Hardtwald), weiter gehörten Güter nördlich und nordwestlich von Colmar und südlich von Strassburg dazu, aber auch im Breisgau rund um den Kaiserstuhl und südlich davon im Markgräflerland. Weiter entfernt lag ein Güterkomplex zwischen oberer Donau und Neckar in Burgfelden und Ehingen.
Der mächtig wirkende schwarze Turm in Brugg, Wahrzeichen der Stadt, wird 1238 ein erstes Mal erwähnt. Er beschützt die Brücke, die an der engsten Stelle des Flusses die Aare überquert. Im Turm sind ältere Bauteile aus römischer Zeit wiederverwendet worden. Der Bau wird heute in die habsburgische Zeit Ende des 12. Jahrhunderts datiert.
Die Habsburger, die im zweiten Viertel des 11. Jahrhunderts eine ansehnliche Burg bauen und zwei Klöster gründen, gehören also sowohl in den Raum des Oberrheins im südlichen Elsass und Breisgau als auch in den Raum der damaligen Grafschaft Aargau. Weiter zurück wird der Boden der Überlieferung löchrig, beginnen sich Geschichte, Legenden und Spekulationen zu vermischen. Trotzdem muss auf die sagenhafte Herkunft der Habsburger eingegangen werden. Für ihr späteres Selbstverständnis ist dies von Bedeutung.
Herkunft ist Legitimation
Als am 1. Oktober 1273 Graf Rudolf IV. von Habsburg zum deutschen König gewählt wurde, werden sich einige Zeitgenossen die Augen gerieben haben. Ein Graf aus dem Südwesten des Reichs, ohne besondere Abstammung, kein Reichsfürst, sondern lediglich ein aufstrebender Territorialherr, sollte König werden? Die direkte Abstammung aus königlichem Geschlecht, wie es bei den Dynastien der Ottonen, Salier und Staufer gegeben war, scheint in diesem Fall keine grosse Rolle gespielt zu haben. Andere Gründe, auf die zurückzukommen sein wird, waren ausschlaggebend. Trotzdem: Wie legitimierten die Habsburger ihre Herrschaft, lediglich durch faktische Macht oder auch durch Abstammung? Bei genauerem Hinsehen lassen sich Verbindungen zu den Fürsten- und Königshäusern des deutschen Reichs zumindest erahnen.
Die erste und wichtigste Herkunftsthese ist wiederum über die Acta Murensia überliefert. Jean-Jacques Siegrist hat letztmals diese schwer einzuordnende Quelle beschrieben.13 Als Autor der Handschrift vermutete er einen Mönch des Klosters Muri, vielleicht sogar den Abt Cuno. In seiner knappen Darstellung der Klostergeschichte berichtet der Schreiber von einer unrechtmässigen Erwerbung des Herrenhofes und der Pfarrei Muri durch Kanzelin und seinen Sohn Radbot von Altenburg. Als Sühne habe Radbot zusammen mit seiner Gattin Ita von Lothringen im Jahr 1027 das Kloster gestiftet. Muri soll 1082 von seinen adligen Stiftern befreit und in ein Priorat des Schwarzwaldklosters St.