Bruno Meier

Ein Königshaus aus der Schweiz


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des Welfen gestellt zu haben, wahrscheinlich im Gefolge des den Habsburgern nahestehenden Bischofs Konrad von Strassburg. Dieser Schwenk zu den Konkurrenten der Staufer könnte damit zu tun haben, dass mit Otto von Burgund, einem der Söhne Friedrich Barbarossas, ein unmittelbarer Konkurrent der Habsburger am Oberrhein präsent war. Otto von Burgund, der nach dem Aussterben der Lenzburger offenbar Teile des Lenzburger Erbes beanspruchte, betrieb eine aggressive Politik gegenüber den Grafen von Pfirt (Ferrette) und Mömpelgard (Montbéliard), Verwandten der Habsburger. Es bildete sich gegen den Staufer eine Front mit den Zähringern und dem Bischof von Strassburg an der Spitze, aber auch mit den Habsburgern und den Grafen von Dagsburg (Dabo) nordwestlich von Strassburg im Schlepptau. Die Dagsburger gehörten wie die Habsburger in die Verwandtschaft der elsässischen Herzöge und Grafen.

      Rudolf der Alte schwenkte aber bald wieder um. Er ist 1207 in Basel und Strassburg im Gefolge des Staufers Philipp von Schwaben belegt, der sich nach und nach gegen den welfischen Konkurrenten durchsetzen konnte. Allerdings wurde Philipp im Sommer 1208 vom bayrischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, einem Reichsfüsten notabene, in Bamberg umgebracht: der erste Königsmord in der Geschichte des deutschen Reichs, genau 100 Jahre vor dem Mord an König Albrecht von Habsburg. Die stauferfreundlichen Fürsten wählten 1210 den Neffen Philipps, den damals 18-jährigen Friedrich II., zum König. Rudolf der Alte von Habsburg gehörte zum engsten Gefolge Friedrichs und war 1212 in Basel Zeuge bei der ersten Urkunde, die der junge König ausstellte. Im selben Jahr war er Bürge gegenüber dem Herzog von Lothringen, und zwar für die Summe von 1000 Mark Silber: eine hohe Summe für einen kleinen Grafen. Aber: eine solch hohe Bürgschaft nahm den König als Lehensherrn in die Pflicht. In den folgenden Jahren scheint Rudolf fast ständig in seinem Gefolge gewesen zu sein, unter anderem auch bei der Verteilung des Erbes der 1218 ausgestorbenen Zähringer. Und im selben Jahr, erzählt der Chronist Matthias von Neuenburg, habe König Friedrich II. die Patenschaft für den am 1. Mai 1218 geborenen Rudolf, den Sohn von Albrecht IV. und Enkel Rudolfs des Alten von Habsburg, übernommen. Eine Geschichte, die nach dem Tod des späteren Königs Rudolf von Habsburg entstanden ist und Teil der Legendenbildung um seine Person gewesen sein muss. Allerdings ist eine solche symbolische Handlung nicht ausgeschlossen. Vor allem ging es darum zu zeigen, dass sich der Habsburger König in der Nachfolge des staufischen Königtums sah.17

      Auf welcher Machtgrundlage standen die Habsburger zu Beginn des 13. Jahrhunderts? Wie konnte Rudolf der Alte 1212 eine Bürgschaft von 1000 Mark Silber für den König übernehmen? Aus der Zeit der Gründung der Habsburg und der Stiftung der beiden Klöster Muri und Ottmarsheim lässt sich ungefähr abschätzen, welchen Eigenbesitz die Frühhabsburger zu Beginn des 11. Jahrhunderts hatten: In erster Linie waren das die Eigengüter rund um Muri, Habsburg und Ottmarsheim sowie Streubesitz vor allem im Elsass, im Breisgau und im Aargau. Es lassen sich in dieser Zeit keine übergeordneten Grafschaftsrechte ausmachen, also vom König verliehene landesherrliche Rechte. Die Benennung von Radbot, dem Gründer von Muri, als Grafen wird eine für die damalige Zeit selbstverständliche Rückprojektion des Schreibers der Acta Murensia aus der Zeit um 1160 sein. Zwar ist ein Radbot als Graf im Klettgau urkundlich verbürgt. Ob es sich dabei um den Habsburger Radbot von Altenburg und Muri gehandelt hat, ist allerdings ungewiss.18

      Weit klarer ist die Situation nach 1100. Otto II., aber sicher dann sein Sohn, Werner II., hatten von König Heinrich V. die Grafschaftsrechte im oberen Elsass erhalten und übten die Vogtei im sogenannten Mandat von Rufach (Rouffach) südlich von Colmar aus, einem Lehen des Bistums Strassburg. Werner II. erscheint 1135 als Landgraf im oberen Elsass, Vogt zu Rufach und neu auch als Inhaber der Klostervogtei von Murbach. Das 727 von Eberhard, dem Enkel des elsässischen Herzogs Eticho und Neffen der Odilie von Hohenburg, gegründete Kloster in einem engen Tal westlich von Guebwiller war eine der bedeutendsten Abteien des Elsass. Zu Murbach gehörte, nebst grösserem Besitz im Elsass und in den Tälern der Vogesen, auch das Tochterkloster St. Leodegar im Hof zu Luzern mit Grundbesitz im Aargau und in der Innerschweiz rund um den Vierwaldstättersee.

      Auch in den Jahrzehnten nach dem Tod von Werner II. brachte die Treue zu den Stauferkönigen den Habsburgern einige Vorteile. Albrecht III., genannt der Reiche, konnte aus dem Erbe der 1173 ausgestorbenen Grafen von Lenzburg und Baden Vogteirechte über das Kloster Säckingen und Grafschaftsrechte im westlichen Zürichgau, dem Raum zwischen Zürichsee und Reuss, übernehmen. In den nächsten Jahren oder Jahrzehnten, so genau kann das nicht mehr eruiert werden, sicherten sich die Habsburger auch die Grafschaftsrechte im Aargau. Sie könnten aber auch vorübergehend in den Händen der Zähringer oder des Staufers Otto von Burgund gewesen sein. Nach dem Tod des letzten Zähringers Berthold V. im Jahr 1218 erfolgte der nächste Machtzuwachs. Rudolf der Alte war, wie gesehen, enger Gefolgsmann des jungen Stauferkönigs Friedrich II. Die zähringische Reichsvogtei Zürich scheint von Friedrich unter verschiedene Anspruchsberechtigte aufgeteilt worden zu sein, darunter waren auch die Habsburger und die ihnen verschwägerten Kyburger, die grössten Profiteure des lenzburgischen und zähringischen Erbes.

      Albrecht IV., der ältere Sohn von Rudolf dem Alten, war verheiratet mit Heilwig von Kyburg. Er ist in den Jahren bis 1230 vor allem im Umfeld der elsässischen Verwandtschaft anzutreffen und wird von seinem Vater die Verwaltung der Landgrafschaft im oberen Elsass übernommen haben. Er tritt am 8. Juni 1228 als Hauptmann – man könnte auch sagen Söldnerführer – der Strassburger Truppen in der Schlacht bei Blodelsheim auf. Bei dem kleinen elsässischen Dorf nördlich von Ottmarsheim, unmittelbar am Rhein gelegen, besiegten die Strassburger in Allianz mit dem Habsburger die Grafen von Pfirt (Ferrette). Grund der Auseinandersetzung war eine Erbschaft der ausgestorbenen Grafen von Dagsburg (Dabo) gewesen, die die westlich von Colmar gelegenen Burgen, heute «Les trois châteaux» in der Gemeinde Husseren-les-châteaux, besassen.

      Von der 727 von Eberhard aus dem Haus der Etichonen gegründeten Abtei Murbach stehen heute nur noch das Querschiff mit den zwei Türmen und der gerade Chorabschluss. Die Kirche und die Klostergebäude wurden in der Französischen Revolution geplündert und teilweise zerstört. Murbach, seit 1135 unter Habsburger Vogtei, war Mutterabtei des Klosters im Hof in Luzern.

      Albrecht IV., genannt der Weise, war im Frühling 1231 am grossen Hoftag von Heinrich VII., dem Sohn von Friedrich II., in Worms zugegen. Heinrich, der 1228 als Nachfolger seines Vaters zum deutschen König gewählt worden war, musste an diesem Hoftag den weltlichen Territorialfürsten die gleichen Rechte einräumen, wie sie die geistlichen Fürsten (Bischöfe) besassen. Er überwarf sich kurze Zeit später mit seinem Vater, wurde von diesem nach Süditalien in die Gefangenschaft geschickt und starb dort 1242.

      Kurz nach dem Wormser Hoftag müssen sich die beiden Söhne von Rudolf dem Alten, Albrecht IV. und Rudolf III., genannt der Schweigsame, zur Teilung ihres Besitzes entschlossen haben. Der Vorgang ist allerdings nur indirekt aus einer Präzisierung in den Jahren 1238/39 bekannt.19 Der ältere Bruder erhielt dabei die Rechte im Aargau und im Frickgau mit den Vogteien über Muri und Säckingen sowie Eigengüter im Elsass. Rudolf III. übernahm die Vogtei über Ottmarsheim, die Orte Willisau und Sempach sowie Laufenburg als seinen neuen Stammsitz. Die Rechte im Zürichgau scheinen aufgeteilt worden zu sein. Albrecht übernahm den nördlichen Teil bis gegen Zug, Rudolf den südlichen Teil mit Rechten in Zug, Schwyz und Unterwalden. Die Landgrafschaft im oberen Elsass, die Vogtei über das Kloster Murbach, den Hardtwald und die Burg Limburg am Kaiserstuhl wollten sie gemeinsam verwalten. Die ältere Linie erhielt damit den grösseren und vor allem weniger bestrittenen Teil des Hausgutes. Denn die Ansprüche in der Innerschweiz standen vermutlich auf wackligen Füssen, wie noch zu zeigen sein wird. Die gemeinsam verwalteten Gebiete scheinen mit der nächsten Generation unter Rudolf IV. von der älteren Linie vereinnahmt worden zu sein. Die Teilung schmälerte deshalb ihre Machtbasis nur unwesentlich. Die jüngere, Habsburg-Laufenburg genannte Linie, entwickelte sich im Windschatten der Hauptlinie und wurde letztendlich von dieser nach und nach beerbt.

      Albrecht IV., der Vater des zukünftigen Königs, nahm im Jahr 1239 das Kreuz und machte sich ins Heilige Land auf, ob auf eigene Faust oder im Gefolge des Hugo von Burgund, der in diesem Jahr mit französischen Adligen in Richtung Jerusalem aufbrach, lässt sich nicht mehr nachweisen. Auf jeden Fall scheint