sowie der Staufer Philipp von Schwaben, ebenfalls mit salischer Abstammung. Wie konnte Rudolf oder sein zeitgenössischer Chronist behaupten, er gehe an den Ort seiner Vorfahren, wie konnte er sich auf die Tradition der Salier beziehen? Die neuere genealogische Forschung zu den deutschen Königshäusern hat dazu interessante Anhaltspunkte geliefert.15
Es gibt zwei Hinweise auf eine königliche Abstammung der Habsburger. Die «Genealogia nostrorum principium» aus der Murianer Überlieferung, im 14. Jahrhundert mit den Acta Murensia vereinigt, führt als Gattin von Albrecht III. eine Ita von Pfullendorf, «filiam sororis ducis Welph», eine Tochter der Schwester von Welf. Es scheint sich dabei um Elisabeth, Gattin des Rudolf von Pfullendorf und Schwester von Welf VII. zu handeln. Die Welfen, Herzöge von Bayern und Sachsen, Konkurrenten und Blutsverwandte der Staufer, besassen eine königliche Abkunft von den Ottonen, die letztlich auf Karl den Grossen zurückging. Die Habsburger konnten somit über einen sogenannten Tochterstamm eine königliche Abstammung vorweisen, gehörten also in der Kreis der Königsverwandten.
Hinzu kommt die ebenfalls über einen Tochterstamm führende Verwandtschaft mit den Zähringern, wie oben beschrieben. Die Zähringer selbst besassen eine weibliche Abkunft von Rudolf von Rheinfelden, 1077–1080 Gegenkönig von Heinrich IV. im Investiturstreit. Rudolfs Gattin Mathilde war eine Tochter des Saliers Heinrich III. Damit war die Verwandtschaft zu den Saliern gegeben, die Rudolf von Habsburg 1291 in den Mund gelegt wurde. Solche Verwandtschaftsbeziehungen waren in der Zeit selbst wahrscheinlich bekannt und für die königsnahen Geschlechter von grosser Bedeutung.
Im Reich der Legenden und Sagen: eine Abstammung von den Römern?
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation berief sich in seiner Tradition auf Karl den Grossen und letztlich auf die Nachfolge der römischen Kaiser. Der Nachweis einer karolingischen oder gar römischen Abstammung war deshalb von grosser legitimatorischer Bedeutung. Es ist denn auch nicht erstaunlich, dass in der Zeit um 1300 auch in der Habsburgergenealogie die Römer auftauchen. Behauptet wurde eine Verwandtschaft mit dem römischen Senatorengeschlecht der Colonna. Die Colonna wiederum konnten einen Stammbaum mit Verbindungen bis zurück ins julische Kaiserhaus, das heisst bis zu Caesar vorweisen. Überlagert wurde diese Geschichte auch von einer Legende von Flüchtlingen aus Troja, die sich in den Alpenraum zurückgezogen haben sollen. Die erwähnte römische Familie war nicht Teil einer unbestimmten Vorzeit. Sie spielte im 13. und 14. Jahrhundert im realen Rom sehr wohl eine Rolle und mischte kräftig mit, vor allem wenn es um die Papstwahlen ging. Kontakte zwischen den Habsburgern und den Colonna sind tatsächlich auch nachgewiesen.
Der Geschichtsschreiber Matthias von Neuenburg, der kurz vor der Mitte des 14. Jahrhunderts seine Chronik verfasste, berichtete erstmals von einer Legende, in der zwei Brüder aus Rom nach Alemannien geflohen seien. Als ihr Vater einmal zu Besuch gekommen sei, habe er gesehen, dass der ältere der Brüder einen ansehnlichen Besitz zusammengetragen habe, wofür er gelobt wurde. Der jüngere habe darauf auf dem Berg, wo später die Habsburg erbaut worden ist, seine Dienstleute aufstellen lassen und gesagt, dies sei seine Burg. Daraufhin sei auch er vom Vater gelobt worden. Dieser jüngere Bruder soll der Stammvater der Habsburger gewesen sein. Da scheinen sich die Gründungslegenden der Habsburg zu vermischen. Verschiedene Motive und Sagen wurden zu einer neuen Legende verwoben.
Der Geschichtsschreiber Thomas Ebendorfer berichtete dann in der Mitte des 15. Jahrhunderts wieder von den zwei römischen Brüdern und nannte deren Vater, Apis Colonna. Die verschiedenen Legenden trieben zu Beginn des 16. Jahrhunderts die wildesten Blüten. Einmal stammten die Habsburger von Caesar, dann wieder von Hektor, dem Sohn des Priamos von Troja, oder von Aeneas, dem Italien-Flüchtling aus Troja und sagenhaften Urahn der Römer, ab. Kaiser Maximilian I. liess an seinem Grabmal in der Hofkirche in Innsbruck in seiner Ahnenreihe sogar den sagenhaften Artus und den Gotenkönig Theoderich den Grossen aufstellen und spielte damit auf seine ritterlichen Vorbilder an. Die Humanisten des 16. Jahrhunderts verwarfen dann aber diverse dieser Abstammungsgeschichten und verwiesen sie ins Reich der Legende.16
Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als die ersten Nachrichten von den angeblich römischen Vorfahren der Habsburger auftauchen, scheint die zähringische Verwandtschaft nicht mehr genügt zu haben. Sie suchten bedeutendere Vorfahren und liessen sich Abstammungen wie jene von den Römern konstruieren.
Königsgefolgschaften: von den Saliern zu den Staufern
Neben der Abstammung aus einem königsnahen Geschlecht war die sogenannte Gefolgschaft genauso wichtig. Herrschaft war noch im 12. und 13. Jahrhundert primär auf Gefolgschaft aufgebaut, nicht auf Territorium. Die territoriale Erfassung des Landes, die Bildung von eigentlichen Territorialstaaten, ist ein Prozess, der zwar im 13. Jahrhundert einsetzt, aber erst im späten Mittelalter auf breiter Basis zur Durchsetzung kommt. Die Habsburger, vor allem der spätere König Rudolf I. und sein Sohn Albrecht, waren Pioniere in dieser neuen Form von Herrschaft.
Um die eigenen Besitztümer zu vermehren, konnten sowohl die Nähe wie auch die Distanz zum König von Nutzen sein. Distanz konnte bedeuten, dass die königliche Gewalt genug weit weg war und der Ausbau des Besitzes, auch gegen die Interessen des Reichs, möglich erschien. Die Nähe zum König bot die Chance, Reichslehen wie Vogteien oder Grafschaften zu übernehmen. Diese Lehen konnten die Basis für einen Ausbau des eigenen Besitzes sein. Im Fall der Habsburger war die Ausgangslage klar: Distanz zum Königtum war fast unmöglich, weil der Südwesten des Reichs, das heisst das Herzogtum Schwaben und das Rheinland, zum Kernbestand des deutschen Königtums gehörte und das Reich in dieser Region relativ viel Eigenbesitz hatte. Dies etwa im Gegensatz zu den grossen Herzogtümern Sachsen, Brandenburg, Österreich oder dem Königreich Böhmen. Der Südwesten des Reichs war auch Grenzregion zu Italien, und mit der Öffnung neuer Alpenpässe wie dem Gotthard zu Beginn des 13. Jahrhunderts stieg die Bedeutung dieser Region an. Die Italienpolitik und die Beziehung zum Papst waren für die deutschen Könige nach wie vor von grosser Bedeutung, wollten sie doch die Tradition des Heiligen Römischen Reichs aufrechterhalten und die Kaiserkrone anstreben.
Es ist darum nicht erstaunlich, dass die Habsburger, sobald sie in ersten Urkunden fassbar sind, im Umfeld der königlichen Gefolgschaft auftauchen. Gefolgschaft bedeutete Dienst am Hof des Königs, ein Mittragen der königlichen Politik. Die Gefolgsleute waren mit ihrem eigenen Anhang mit dem König unterwegs auf Kriegszügen, begleiteten diesen nach Italien zu Verhandlungen mit dem Papst oder zur angestrebten Kaiserkrönung. Sollte der König oder Kaiser das Kreuz nehmen und zu einem Kreuzzug aufbrechen, hatten sie zu folgen. Als Entschädigung für diesen Dienst erhielten sie Reichsämter oder Verwaltungsaufgaben, die ihnen wiederum Einkünfte und Prestige brachten. Letztlich war diese Gefolgschaft eine frühe Form von Solddienst, der gegenseitige Abhängigkeiten schuf.
DIE DEUTSCHEN KÖNIGE IM MITTELALTER: VEREINFACHTE ÜBERSICHT
Der erste nachweisbare Habsburger in der Königsgefolgschaft war, wie eingangs gesehen, Otto II., der Heinrich V., den letzten König aus dem Haus der Salier, 1108 in Pressburg (Bratislava) auf einen Feldzug gegen die Ungarn begleitete. Heinrich war der Sohn jenes Kaisers, der mit dem Papst im Investiturstreit stand und 1077 den berühmten Gang nach Canossa machte, wo er sich der kirchlichen Autorität unterwarf. Ottos Bruder Albrecht II. und Ottos Sohn Werner II. konnten ihre Stellung im Umfeld des Königs halten, obwohl nach dem Aussterben des salischen Hauses das Königtum umstritten war und die Dynastie der Staufer sich erst 1138 gegen die Rivalen aus dem Haus der Welfen, der Herzöge von Bayern und Sachsen, durchsetzen konnte. Graf Werner II. von Habsburg ist 1141 in Strassburg, 1142 in Konstanz und 1150 in Speyer am Hof des staufischen Königs Konrad III. anwesend, 1153 dann bei dessen Neffen, dem neuen König Friedrich I., genannt Barbarossa. Die Staufer waren mütterlicherseits mit dem letzten Salier verwandt, seit 1079 Herzöge von Schwaben und hatten ihren Stammbesitz im nördlichen Elsass, im Breisgau und in Württemberg, in unmittelbarer Nähe zu den frühen Habsburgern.
Die Nähe zum staufischen Königshaus zieht sich im folgenden Jahrhundert wie ein roter Faden durch die weitere Geschichte der Habsburger. Schon Werner II. zog mit Friedrich Barbarossa 1155 nach Burgund und 1167 nach Italien, von wo er, wie bereits erwähnt, nicht mehr zurückkehrte. Der Enkel von Werner, Rudolf II., genannt der Alte, scheint sich