„lone wolfs“ über das Internet radikalisiert werden, ist zu empfehlen, sich an Beratungsstellen zu wenden. Nur in weitreichender Kooperation mit dem Elternhaus, der Schule, Therapeuten sowie speziellen Einrichtungen zur Ausstiegsbegleitung kann diesen Jugendlichen geholfen werden. Die bedrohliche Dimension radikaler Weltsichten erschwert es aber Praktikern, Gefahrenlagen realistisch abzuschätzen oder sich mit den Problemen von Jugendlichen auseinanderzusetzen, die in Gefahr sind, sich zu radikalisieren. Lehrende fühlen sich provoziert und schrecken nicht selten vor einer direkten Konfrontation zurück.
Was können Lehrende aber betroffenen Eltern raten, und wie können sie Jugendliche aus hoch belasteten Familien unterstützen? Zu diesem Zweck wird im Projekt der fachliche Austausch zwischen angehenden Lehrenden und Experten der Radikalisierungsprävention angeregt. Lehrenden empfiehlt beispielsweise der im Seminarverlauf interviewte pädagogische Mitarbeiter der Beratungsstelle Al-Manara, die religiöse Praxis junger Muslime nicht frühzeitig als Anzeichen von Radikalisierung fehl zu interpretieren. Betroffenen Familien rät er zunächst den alltäglichen Umgang miteinander zu entlasten, dazu sei es auch nötig, Streit zu religiösen Themen zunächst zu vermeiden. Er bestärkt aber auch Eltern, die sich aus Sorge um einen Beziehungsabbruch nicht trauen, ihrem Kind Grenzen zu setzen. ‚Haltlose‘ Bindungserfahrungen können unter Umständen auch durch Lehrende korrigiert werden. Eine sonderpädagogische Resilienzförderung für vulnerable Jugendliche, bei der die Beziehungsebene eine besondere Bedeutung erfährt, stellt deshalb aus der Perspektive der Resilienzforschung einen wichtigen Schritt dar: Der Lehrende als „aufmerksamer Dritter“ kann den Aufbau tragfähiger sozialer Strukturen und die Stärkung der Identitätsbildung des Jugendlichen unterstützen und so auch die Arbeit an der Lösung innerpsychischer Konflikte möglich machen.
Im Seminar erwerben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen demzufolge Kenntnisse über wichtige psychosoziale Vulnerabilitätsfaktoren für eine Radikalisierung im Jugendalter, sie lernen, ihre unterrichtlichen Angebote konsequenter an der Lebenswelt der Jugendlichen auszurichten und eignen sich selbstreflexive Techniken zur Gestaltung einer tragfähigen Lehrer-Schüler-Beziehung an. Ziel ist es, Lehrende dazu zu befähigen, in der Schule eine Atmosphäre zu erzeugen, die den schulischen Austausch über Vulnerabilitäten bedingt durch Terrorangst, Radikalisierung und Diskriminierung befördert und somit einen Grundstein für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schülern / Schülerinnen und Lehrenden legt. Mit einem derartigen inklusiven Zugang zu diesen Themen können Lehrende im pädagogischen Setting einen wichtigen Vorreiterbeitrag auch für einen gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der drängenden Herausforderung Radikalisierung leisten.
1 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Thomas Müller zu Thomas Müller „Familien zwischen Bindung, Verstrickung und Verrat“ in diesem Buch.
2 Die Präventionsforschung unterscheidet verschiedene Formen der Prävention: Die primäre oder universelle Prävention setzt auf die Reduzierung struktureller Risikofaktoren. Diese Art der Prävention erfolgt indirekt, ist langfristig ausgerichtet und arbeitet ressourcenorientiert (Glaser, Greul, Johansson & Münch, 2011, 16). Die sekundäre oder selektive Prävention richtet ihre Angebote an selektive Zielgruppen. Die Präventionsmaßnahmen zielen darauf ab, bereits vorhandene, problematische Erscheinungsformen nicht zu verfestigen. Die tertiäre oder indizierte Prävention hält Angebote für Menschen in manifesten Problemlagen bereit. Die Zielgruppe hat bereits die unerwünschten Entwicklungen durchlaufen (Johansson, 2012, 2).
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