zum Militarismus seiner Zeit führt Ball schließlich zur monastischen Spiritualität als Gegenprogramm zum tobenden Ungeist seiner Zeit. Anstelle des kubistischen Bischofs nimmt nun der Säulenheilige Simeon der Stylit diesen Gegenpart ein. Im Byzantinischen Christentum kommt Ball denn auch auf die Wortalchimie der Dada-Zeit zurück.46 Diese wertet er nun als Bestandteil seines Lebensweges hin zu den Kirchenvätern und zur Liturgie. „Manch einer hat sich durch Wünsche und Träume, durch die Magie des Wortes derart in den Schwur verstrickt, dass er sich unbewusst für den Rest seines Daseins zu einem sakramentalen Leben verpflichtete, wenn er nicht als Verräter am eigenen Geist wollte erfunden werden.“47 Verstrickten sich die Dadaisten in ein Sprachspiel, so sieht Ball nun Simeon den Styliten in die göttliche Sprache verstrickt, Johannes Klimakos in die heiligen Zeichen versenkt.
Schlussbetrachtung
In der Erschließung von Balls Lebenswerk bisher wenig Beachtung gefunden hat die Sprache als Ort der Gottesbegegnung.49 Nach der physischen Flucht vor dem Krieg, führt die Flucht des Dichters ihn aus der von der Kriegsrhetorik verdorbenen Sprache auf eine weite Reise: vom Lautgedicht über das Schweigen, das Gebet und die christliche Dichtung zu den Eremiten der Wüste. Es genügt ihm nicht, gegen den Militarismus anzuschreiben. Das tut er zwar auch und begibt sich dadurch in Widerspruch zu seinem Bestreben, die „vermaledeite“ Sprache zu reinigen. R. Guardini verwies zu Recht auf diesen wunden Punkt.50 Für die heutige christliche Spiritualität ist Ball aber nicht in erster Linie als Hagiograph oder Verfasser religiös-politischer Schriften von Bedeutung. Von Interesse ist v.a. sein Zeugnis für die Begegnung mit Gott in der Sprache. Die Sprache dient dabei nicht als Transportmittel für religiöse Inhalte, sondern sie ist es selber, in der sich Gott offenbart. „Es ist allein der Klang der elementaren Silben, die Intonation und der Gestus, die Hugo Ball in die tiefste Schicht, in den letzten, heiligsten Bezirk der Sprache hineinführen, die ihn die religiöse Macht des Laute-Sprechens bzw. Tönens erfahren lassen. Die zerschlagene Sprache enthält also Unzerstörbares, Heiliges.“51 Balls Schilderung von der Zerstörung der Semantik lässt an einen Zauberlehrlings denken, der von der Auswirkung seines Tuns überwältigt wird. Diese Berührung mit Gott sollte den Dadaisten für sein restliches Leben prägen und zur monastischen Spiritualität führen. Seine Heiligen sind Simeon der Stylit, Johannes Klimakos und Dionysius Areopagita. In ihnen findet er eine Antithese zum tobenden Militarismus seiner Zeit.
1Vgl. J. Stiglmayr, in: ZAM 3 (1928), 75-79.
2Siehe auch J. Stiglmayr über Ball in der ZkTh 47 (1923).
3Vgl. R. Guardini, Heilige Gestalt. Von Büchern und mehr als von Büchern, in: Die Schildgenossen 4 (1923/24), 256-263.
4Vgl. O. Casel, in: Jahrbuch für Liturgiewissenschaft 4 (1924), 373f.
5B. Echte ‚Ein sonderbarer Heiliger. Einleitende Überlegungen zu seinem Leben und Werk, in: B. Wacker (Hrsg.), Dionysius DADA Areopagita. Hugo Ball und die Kritik der Moderne. Paderborn 1996, 13-40, hier: 13.
6M. Braun (Hrsg.), Hugo Ball. Der magische Bischof der Avantgarde. Heidelberg 2011.
7Vgl. E. Hennings, Hugo Balls Weg zu Gott. München 1931, 15f.
8Vgl. ebd., 8 [s. Anm. 7].
9Vgl. ebd., 11 [s. Anm. 7].
10 Ebd., [s. Anm. 7].
11 Vgl. ebd., 21 [s. Anm. 7].
12 Vgl. ebd., [s. Anm. 7].
13 Vgl. W.-M. Stock, Denkumsturz. Hugo Ball. Eine intellektuelle Biographie. Göttingen 2012, 12.
14 Vgl. ebd., 14 [s. Anm. 13].
15 Vgl. E. Hennings, Weg zu Gott, 61 [s. Anm. 7].
16 Vgl. W.-M.Stock, Denkumsturz, 14 [s. Anm. 13].
17 Vgl. ebd., 37 [s. Anm. 13].
18 Vgl. E. Hennings, Weg zu Gott, 63 [s. Anm. 7].
19 H. Ball, Die Flucht aus der Zeit. Luzern 1946, 98ff.
20 Vgl. E. Hennings, Weg zu Gott, 66ff [s. Anm. 7].
21 Vgl. W.-M. Stock, Denkumsturz, 12 [s. Anm. 13].
22 Die überarbeitete Fassung von Die Folgen der Reformation trägt in der 2. Aufl. den Titel Zur Kritik der deutschen Intelligenz.
23 Vgl. E. Hennings, Weg zu Gott, 130f [s. Anm. 7].
24 Vgl. ebd., 178 [s. Anm. 7].
25 Vgl. ebd., 62 [s. Anm. 7].
26 Vgl. ebd., 62 [s. Anm. 7].
27 H. Ball, Eröffnungs-Manifest, 1. Dada-Abend Zürich, 14. Juli 1916, In: E. Faul (Hrsg.), Zinnoberzack, Zeter und Mordio. Alle DADA-Texte, 12f.
28 Vgl. W.-M. Stock, Denkumsturz, 44 [s. Anm. 13].
29 H. Ball, Eröffnungs-Manifest, 13 [s. Anm. 27].
30 Ebd. [s. Anm. 27].