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Gewalt im Spiegel alttestamentlicher Texte


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„Erfolg haben“ im militärischen Sinne143 und kennzeichnet stets David.144 Die Kennzeichnungen gehen auf keine Einzelaktion Davids ein, bündeln aber auch nur überblicksartig einige von seinen Aktivitäten. Sie beginnen am Ende des Abschnittes 18,1–5 damit, dass Saul David mit Aufträgen versah: „Wohin immer Saul ihn sandte, hatte er Erfolg“ (18,5 Image). In 18,14.15145 – nach dem ersten Mordanschlag auf David – stehen die militärischen Delegierungen Sauls immer noch im Hintergrund (vgl. 18,13), aber auf den Delegierungen liegt nicht mehr der Akzent. Stattdessen ist in 18,14 von Davids eigenen Wegen die Rede: „Und auf seinem ganzen Weg (Image) war David erfolgreich (Image).“ Der Vers 14 hebt also eher darauf ab, dass David nun von sich aus – unter göttlicher Obhut – weiter erfolgreich voranschreitet. Solches Voranschreiten Davids konstatiert dann Saul in 18,15 nicht nur. Es erschaudert Saul nun auch dabei vor David, was seine anschließenden hinterhältigen Heiratspläne verständlich macht: „Und Saul sah, dass er sehr erfolgreich war (Image) und ihm graute vor David.“ Hat damit Kap. 18 bisher dreimal Davids Erfolgsgeschichte im Sinne von Image erwähnt, können Lesende nun darüber stutzen, dass Davids Schlag gegen die Philister um der Vorhäute willen vom Text nicht unter seinen Erfolgen subsumiert wird. Auf die Notiz am Ende des Verses 18,27, dass Saul David seine Tochter Michal zur Frau geben musste, folgt zwar in den Versen 18,28–29 eine zusammenfassende Angabe darüber, wie sich die erzählte Welt gestaltet, wobei bisherige Motive aus Kapitel 18 aufgegriffen werden, wie JHWHs Mitsein mit David (18,12.14), Michals Liebe für David (18,20) und Sauls Furcht vor David (18,12), und daneben wird Sauls feindliche Einstellung gegenüber David grundsätzlich festgehalten. Aber in diesen bündelnden Angaben von 18,28–29 taucht ein summarischer Hinweis auf Davids Erfolge im Sinne von Image nicht auf. Erst danach, am Ende von Kap. 18 berichtet Vers 30 von fortwährenden kriegerischen Zügen der Philisterfürsten, bei denen David offenkundig zwecks Abwehr aktiv werden musste, und dabei wird dann wieder Davids Erfolg erwähnt: „David hatte mehr Erfolg als alle Diener Sauls (Image).“

      Somit kann sich beim Lesen die Frage einstellen, warum Davids Schlag gegen die zweihundert Philister (18,27) nicht in seine Image-Erfolge eingereiht wird. Eine These, welche diese Frage beantworten kann, bewegt sich im Bereich einer semantischen Verstehensmöglichkeit. Der Sinn von Image „Erfolg haben“ wird in der Literatur von anderen Bedeutungen dieses Verbs her erklärt: etwa von den Bedeutungen „einsichtig/vernünftig werden oder sein.“146 „Im effektiven Sinne ist der ‚Einsichtige’ in seiner Tätigkeit kundig und verständig, dann aber auch erfolgreich, wie es in erster Line von Königen und anderen Volksführern ausgesagt wird (David ...; Salomo: 1Kön 2,3; Hiskija: 2Kön 18,7; ferner Josua: Jos 1,7.8 ...).“147 Entsprechend hatte auch Stoebe die Aussage in 18,5 zu Davids Erfolg auf den Punkt gebracht: Bei dieser Image-Aussage steht der „Gedanke menschlicher Tüchtigkeit und Lebensklugheit und der daraus resultierende Erfolg im Vordergrund ...“148 Anscheinend schwingt somit im Kap. 18 mit, dass David mit „Klugheit“149 und durch den Einsatz seiner Vernunft Erfolge erreichte. Darunter soll aber nun anscheinend für die Lesenden nicht Davids Angriff auf die Philister und sein Erbeuten ihrer Vorhäute in 18,27 auftauchen. Diese „Sache“ war allein David in den eigenen Augen recht (Image), da er sich vom Ziel (ver-)leiten ließ, „Schwiegersohn beim König zu werden“ (18,26).

      Da nun der Vers 18,27 nichts Anschauliches zu Davids Vorgehen mit seinen Männern unter den Philistern entfaltet, dürfen die Lesenden auch nur bestenfalls anhand der vorherigen David-Goliat-Erzählung (vgl. 17,40.48.50) darüber phantasieren, ob David von diesen Philistern Zweihundert wieder auf eine clevere Weise zu erschlagen vermochte, um an ihre Vorhäute zu gelangen. Cleverness ist aber noch lange nicht ein umsichtig vernünftig-kluges Vorgehen. Verzichtet der Text in 1Sam 18 darauf, Davids Töten von zweihundert Männern der Philister unter den erreichten Image-Erfolgen zu fassen, kann das für die Lesenden einen Eindruck verstärken: Davids Töten in 18,27 erhält nirgends vom Text und Erzählen die sonst mögliche Zustimmung zu seinen sonst klug und vernünftig erreichten Erfolgen und mutet auch deshalb als sehr fragwürdig an.

      Das für die Lesenden Hinterfragbare und das somit mögliche innere Distanzieren von Davids Tat in 18,27 müssen nicht dem in Kap. 18 angeführten Mitsein JHWHs mit David widersprechen, sondern können vielmehr an diesem Mitsein auch etwas aufschließen. Was JHWH als Beschützer bei David zuließ, schließt keineswegs zwangsläufig eine Sanktionierung oder Legitimierung ein.

      Nach diesen Überlegungen ist zum Gedankengang in diesem Beitrag zurückzukehren: Das Kap. 18 unterbreitet eine außerordentliche Verquickung. Saul wollte David hinterhältig erschlagen und will ihn danach mit Hinterlist beseitigen. Bei der geheimen Hinterlist nun wird David durch eigene Ambitionen, emporkommen zu wollen, dahin getrieben, selber in fragwürdiger Form zu erschlagen und Philister zu schänden.

      Das ereignet sich nicht unabhängig von einer Metaebene, in der JHWH David schützt. Diese theologische Metaebene ist im ersten Samuelbuch bekanntlich ausgespannt zwischen den beiden Polen: Sauls Verwerfung und Davids Erwählung. Zwischen den Polen mutet manches – wie David Wagner formulierte – „zuweilen paradox“ an.150 Das trifft auch für 1Sam 18 zu.

       7. Schlussreflexion: Der Gesang und die Echoräume

      Ausgangspunkt für die Untersuchungen war der Gesangstext der Frauen in 1Sam 18,7. Die Frauen in der Textwelt ahnten wohl nicht, was die Lesenden wissen und mitdenken: Einer der von den Städterinnen Besungenen ist für den Thron bestimmt, der andere wird vom Thron weichen müssen.

      Der Liedtext kann in Bezug auf drei unterschiedliche Echodimensionen reflektiert und so resümierend eingeordnet werden. (1) Selbstredend stellt der Liedtext als solcher bereits ein nachhallendes Echo dar, da er vollzogene Gewalttaten der beiden Männer aufgreift und poetisch überhöht. (2) Der Gesangstext erfährt dann ein unmittelbares Echo, indem er bei Saul mitursächlich seine neuen Gewaltausübungen provoziert. Wie Saul das Lied hört und dabei überdenkt, lässt ihn zu verzweifelten und angesichts der Konzepte in den Texten auch verwerflichen Gewaltattacken auf David schreiten. (3) Abhängig vom zweiten Echo kommt ein drittes, entferntes hinzu. Während David einer von Saul geheim lancierten Gewaltattacke ausgesetzt ist, entkommt David dieser erst dadurch, dass er sein Vermögen zur effektiven Gewaltanwendung einsetzt und für die Lesenden so wie der im Lied erwähnte potente Schläger agiert. Dabei hat David die Gefahr der von Saul geplanten Attacke auch mit eigenen Anteilen zugelassen, da David von sich aus eine eigene Karriere verfolgt. In dieser komplexen Situation verübt David eine ethisch vielleicht sehr fragwürdige Gewalttat.

      Von hinten her liest man 18,6–7 neu: Die Performance aus Musik und Sprache angesichts des Gewaltvermögens trifft bei Saul auf sein Hörverhalten und seine Befürchtungen. Hinzu kommt eine Öffentlichkeit, in der die Schlagvermögenden besungen werden und die als eigene Größe Sauls Denken und Reagieren mitbestimmt. Weil sich Saul bei Israels Ausloben des Gewaltvermögens zu kurz gekommen wähnt, nimmt er die darauf folgenden Gewaltanwendungen vor. In Bezug auf David kann für die Lesenden die Frage aufkommen, welche Interessenslagen die Demonstrationen seines Gewaltvermögens im Lied auch begleitet haben können. Ging David schon dabei nicht nur uneigennützig vor?

      In Kapitel 1Sam