Satzes in 18,8 ist nicht ganz klar (
Neben ideologischen Grundlagen des Königseins, wie göttlicher Erwählung und Salbung, gehört es bei einem Regenten dazu, dass er vom gesellschaftlichen Netz als König angesehen wird und dass er von solchem Ansehen auch ausgehen kann. Es geht um ein Ansehen im doppelten Sinn des Wortes, wobei der zweite Sinn auch die schillernde Kategorie der Ehre inkludiert. Diese Kategorie ist in den Texten von 1Sam 18 zwar nicht direkt verbalisiert, die Sache schwingt aber mit, und lässt sich als Interpretament heranziehen. Als hilfreich erweisen sich dabei die Begriffsbestimmungen, wie sie Jan Dietrich71 vorgenommen hat und die hier aufgegriffen werden sollen. Demnach ist eine Unterscheidung angebracht. Die Königsehre ist als Statusehre ein begrenztes Gut. In der erzählten Welt kann nur einer König sein. Diese Statusehre ist hier Saul zueigen. Auf ihn als „den König“ gehen die singenden Städterinnen zu.
Doch da die Statusehre ein begrenztes Gut ist, kann sich – je nach Umständen – auch ein Wettbewerb darum in der Form von „Herausforderung (challenge) und Erwiderung (response)“72 ereignen. Mit der Statusehre konkurriert hier die Ruhmesehre, vor allem und zuerst in den Augen Sauls. Ruhm wird erworben durch Leistungen, die bekannt und als solche auch anerkannt worden sind.73 Ruhm ist zunächst an keinen Rang und Stand gebunden. Ruhm kann auch ein einfacher Hirtenjunge wie David erwerben. Ruhm kann aber einen Status verleihen.74 Und das konstruiert hier Saul selbst: Es fehlt David nur noch das Königtum. Mit solch eigenem Konstrukt tangiert Saul hier das Wissen der Lesenden.
Fortan wird Saul das selbst Zurechtgelegte für sich mehrfach als eigene Herausforderung nehmen und darauf – in übler Weise – antworten wollen. Wie und wo sein Antworten beginnt, ist nun genauer zu eruieren. Hierbei spielt eine Rolle, in welcher Weise sich der nächste Abschnitt 18,10–13 an den Abschnitt 18,6–9 anschließt. Im folgenden Punkt ist der Anschluss zu klären und auf diesem Weg zu zeigen, dass besungene Gewalt in Kap. 18 mitursächlich Gewaltausübung erzeugt.
4. Mordversuch und Musik (1Sam 18,10–13)
Der Abschnitt 18,10–13 enthält bis auf ein kurzes Selbstgespräch Sauls nur Erzähltext. Die ersten Sätze sind auf Saul konzentriert, die letzten auf David. Dazwischen werden David und Saul zusammen in den Blick genommen. Der Abschnitt siedelt die ersten Handlungen am Tag nach dem Auftritt der Frauen an. Ereignet sich am neuen Tag ein unabhängiger Zusammenhang? Wohl kaum. Es lässt sich nämlich zeigen, dass die Abschnitte 18,6–9 und 18,10–13 fast wie Ursachen und Folgen zusammenhängen, wenn man vorausgehende Kapitel und Texte in 1Sam mitliest.
Vor allem knüpft Vers 18,10 breit an Erzähltes im ersten Buch Samuel an, greift Fäden im Erzählten auf, verwebt die Fäden aber neuartig.
Ein böser Gottesgeist überkommt Saul in 18,10: „... da durchdrang ein böser Geist Gottes Saul (
Auch in 18,10 ist David mit dem Saitenspiel befasst. Daher ist für einige Auslegungen die Assoziation naheliegend, dass David in 18,10 erneut Musiktherapie angesichts des bösen Geistes betreibe.76 Die Therapie würde diesmal scheitern, da der böse Geist nicht weicht und Saul stattdessen David aufspießen will.77
Doch der Vers 18,10 setzt wohl andere Akzente.78 David agiert hier vermutlich nicht bezogen auf Sauls Geisteszustand und spielt auch nicht zwecks Linderung auf. Denn der böse Geist kommt zeitlich genau eingeordnet „am anderen/am folgenden Tage“ (
1Sam 16,16.23: ... 16 Und wenn der böse Gottesgeist auf dir ist, wird er in die Saiten greifen (
Man darf also annehmen, dass David in 18,10 unabhängig von Sauls Zustand spielt. Schließlich hatte in Kap. 16 ein Knecht am Hofe Sauls auf David aufmerksam gemacht und dabei sechs seiner Eigenschaften benannt. Die erste lautet: „er versteht es, Saiten zu spielen“ (16,18
Neu gegenüber Kap. 16 ist in 18,10, wie die erste Wirkung des Geistes auf Saul ausfällt. Sie versetzt ihn in prophetische Erregung (
1Sam 10,6: Und der Geist JHWHs dringt auf dich ein (
Samuels Worte in 10,5–6 eröffnen damit das, was dann im weiteren Erzählgang Saul u.a. auch kennzeichnen wird. Etwa Sauls Gelenktwerden durch eine Geistmacht, die Frage nach seinem Anteil am Prophetentum (10,11.12; 19,24) und seine prophetischen Erregungen.
Die spezielle Geschichte des Geist-Einflusses auf Saul kennt eine Wende. Bei der Bedrohung durch die Ammoniter drang in 11,6 noch der Geist Gottes auf Saul ein;83 darauf sammelte Saul Israel und führte es zum Sieg. Kap. 16 schildert dann die ausschlaggebende Veränderung. Nachdem der Geist JHWHs den gerade gesalbten David für immer durchdrungen hatte (16,13), wich derselbe Geist von Saul (16,14). Sogleich geriet Saul unter den