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Gewalt im Spiegel alttestamentlicher Texte


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Jonatans geht David erst in Kap. 19 angesichts des geworfenen Speers auf, dass Saul ihn damit töten will, so dass sich David durch die Flucht ins Weite rettet.

      Beim ersten Speerwerfen geht David noch nichts auf. Wie die Unbedarftheit Davids in dieser Sequenz zu erklären ist, bleibt eine spannende Frage. Beispielsweise überlegte David Toshio Tsumura, ob Saul das Speerwerfen hier als „military training“97 getarnt habe. Jedenfalls ergreift hier David keine Angst. Hingegen fängt es bei Saul an, dass er sich vor David fürchtet (18,12 Image).

      18,12 erklärt diese Begebenheit und Sauls Furcht theologisch: „denn JHWH war mit ihm (= David) (Image), aber von Saul hatte er sich entfernt (Image).“98 Diese Erklärung bezieht keine Einsicht Sauls in göttliche Dimensionen ein, wie später Vers 18,28 (Image). Diese Erklärung in 18,12 wird nur den Lesenden gegeben und ruft erneut Hintergründe wach.

      Denn der Knecht, der in 16,18 am Hofe Sauls David ins Spiel gebracht hatte, beendete sein Vorstellen Davids mit der Wendung: „Und JHWH ist mit ihm (Image).“ Saul selbst sagte dann in 17,37 vor dem Kampf mit Goliat zu David: „Geh, und JHWH wird mit dir sein (Image).“ Mit 18,12 konstatiert erstmals ein Erzähltext das Mitsein JHWHs mit David (vgl. 18,14.28).99 Die Gegenüberstellung hierzu innerhalb von Vers 18,12, wonach sich JHWH von Saul entfernt hatte, erinnert an die Einwirkungen von Geistern auf Saul. Nachdem der „Geist JHWHs“ in Kap. 16 David bleibend durchdrungen hatte (16,13), entfernte sich – wie erwähnt – dieser „Geist JHWHs“ von Saul (Image) und ein „böser Geist“ beherrschte ihn.

      Kap. 18 beleuchtet so, worin eine Gewaltattacke Sauls gründet. Dabei hat der böse Gottesgeist zwar einen erhellenden, aber auch nur eher bedingten Anteil. JHWH und sein positives Mitsein (10,7)100 waren längst von Saul gewichen. In diesem engen und sehr speziellen Sinne „gott-los“ geworden, hallte in Saul der Gesangstext der Frauen nach. In Sauls Nachhall hat Ruhm und Ansehen ein erdenklicher Throninhaber, also David, aufgrund des festgehaltenen Schlagvermögens. Erst in dieser konturierten Situation, bei der längst in Sauls Augen für ihn „Übles/Böses“ vorlag (18,8 Image), drang diesmal im Nachhinein der böse Gottesgeist (18,10 Image) in Saul ein,101 das nun ‚Üble Gottes’.

      Sauls Gewaltausübung wird so zuerst immanent und dann dabei nachträglich auch theologisch ausgeleuchtet. Ihr Scheitern hat aber vor allem theologische Gründe. Saul kann JHWHs Schützling nicht vernichten, nur von sich entfernen (18,13 Image) und militärisch einsetzen (vgl. 18,12 Image), womit aber Saul letztendlich David wieder weitere Erfolge ermöglicht (18,14–16 u.ö.).

      Jedenfalls lässt sich als eine Quintessenz zum Zusammenhang Folgendes festhalten: Saul schlägt in 18,11 auf den im öffentlichen Bewusstsein und Gesang besseren Schläger ein, weil er sich durch diesen in seinem Status bedroht sieht. Besungene Gewalt führte in dieser Form zu einem Gewaltausbruch.

      In den folgenden Abschnitten des 18. Kapitels wiederholt sich ein nun bekannter Inhalt, und ein neuer kommt hinzu. Saul versucht weiterhin, David zu vernichten. Er vermag es natürlich wieder nicht. Stattdessen führt aber David seinerseits ein Schlagen aus. Dem ist nun nachzugehen, und es soll diesmal aufgehellt werden, wie und warum sich David dabei seinerseits zu einem – eventuell fragwürdigen – Gewaltschlag verleiten ließ oder verleitet werden konnte. Möglicherweise kommt es hier in der Leseerwartung zu einer Überraschung, vielleicht sogar zu einer Brechung der Erwartung.

       5. Des Königs Feinde und des Königs Schwiegersohn (1Sam 18,17–30)

      Erneute Selbstgespräche und ein Erzählerkommentar zeigen den Lesenden an, dass Saul nun versucht, David der Hand der Philister auszusetzen (18,17.21) und ihn so zu Fall zu bringen (18,25). Um dies zu erreichen, benutzt Saul in zwei Sequenzen (18,17–19 und 18,20–27) je eine Tochter und stellt sie David als Ehefrau in Aussicht.102

      Zuerst bei Merab knüpft Saul die Eheschließung an die Bedingungen,103 dass David tapfer für Saul auftrete und JHWHs Kriege führe (18,17). Am Ende der Sequenz kommt diese Ehe nicht zustande, da Merab Adriël zur Frau gegeben wird.

      Bei Michal beginnt die Sequenz mit dem Hinweis, dass sie David liebt (18,20). Diese Liebe kam Saul gelegen: Saul meint, wenn er Michal David gebe, würde sie ihm zum Fallstrick werden (18,21). Nach dem zweiten Angebot einer Ehe lässt Saul David Gerüchte und Informationen zu Ohren kommen. An deren Schluss steht Sauls Erwartung an David für eine Eheschließung mit Michal: David müsse vorab gegen die Unbeschnittenen vorgehen. Am Ende dieser Sequenz kommt diese Ehe zustande (18,27).

      In beiden Sequenzen benennt David persönliche Bedenken zur Einheiratung ins Königshaus. Wie lange und inwieweit David dabei tatsächlich zurückhaltend bleibt, wird sich sogleich als schillernde Fragestellung im Leseprozess erweisen. Jedenfalls hat das Thema ‚Davids Einheiraten in Sauls Königshaus’ für Lesende zum Hintergrund die David-Goliat-Erzählung (17,1–58).

      Dieser Hintergrund wird schon in 18,17104 wachgerufen, als Saul zu David über seine älteste Tochter Merab redet: „Sie werde ich dir zu Frau geben (Image).“ Von dergleichen hatte David erstmals gehört, als er auf dem Terrain angelangt war, auf dem Goliat den Israeliten höhnend gegenübertrat. Dabei erörterten die Israeliten105 in 17,25, was dem Mann zukommt, der Goliat erschlägt. Drei Belohnungen werde „der König“ diesem Mann bereithalten. Als zweite Belohnung, und damit in die Mitte gestellt, erwähnen sie die Königstochter:

      1Sam 17,25: Und die Israeliten sagten: Habt ihr diesen Mann gesehen, der da heraufkommt? Denn er kommt herauf, um Israel zu verhöhnen. Den Mann aber, der ihn erschlägt, ihn wird der König mit großem Reichtum reich machen, und er wird ihm seine Tochter geben, und das Haus seines Vaters wird er von Abgaben befreien in Israel (Image Image).

      Unklar ist in 17,25 der Wissensstand der Israeliten.106 Kennen sie die königlichen Pläne? Oder sprechen sie nur Mutmaßungen aus? Kap. 17 erwähnt danach keinerlei Belohnungen für David.

      Entscheidend ist aber, dass David in Kap. 17 das unter den Israeliten Erörterte zu Ohren kommt.107

      1Sam 17,26–27.30: 26 Da sagte David zu den Männern, die bei ihm standen: Was wird für den getan, der den Philister da erschlägt und die Schmach von Israel nimmt? Wer ist denn dieser unbeschnittene Philister, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnen dürfte? (Image Image) 27 Und das Volk (Image) sagte zu ihm, was es zuvor gesagt hatte: Das und das werde für den getan, der ihn erschlage ... 30 Und er (= David) wandte sich ab von ihm, einem anderen zu, und er sagte, was er zuvor gesagt hatte. Und das Volk (Image) antwortete ihm wie beim ersten